Pfarrer auf ungewöhnlichen Wegen Poetry Slam soll Menschen in die Kirche locken

Ippendorf/Endenich · Der Evangelischer Pfarrer aus Endenich, Tobias Mölleken, will den Glauben in den Alltag der Menschen bringen - mithilfe von moderneren Methoden. Den Beginn soll ein Poetry-Slam machen.

 Pfarrer Tobias Mölleken gibt in der Trinitatiskirche in Endenich den Takt vor.

Pfarrer Tobias Mölleken gibt in der Trinitatiskirche in Endenich den Takt vor.

Foto: Stefan Hermes

„Du verdammte Furie, du verdammtes Arschloch!“, Sätze, die in einer Zeitung eher nicht zu lesen sind. Noch außergewöhnlicher ist jedoch, dass diese Sätze in einer Kirche gesprochen wurden. Der Röttgener Tobias Mölleken hat sie in seiner Funktion als Trinitatis-Pfarrer als “sehr eindrücklich“ empfunden.

Mit der Schimpftirade leitete der Poetry-Slamer Lukas Knoben seinen Vortrag als Scheidungskind seiner Eltern ein. Mölleken hatte ihn zusammen mit den Slamerinnen Sarah Kersting und Katja Urban in die evangelische Kirche eingeladen. Stefan Horz, der Organist der Kreuzkirche, saß am Flügel, Mölleken spielte Schlagzeug und fand zudem am Ambo - dem Lesepult der Kirche – die religiösen Impulse zu dem Motto des Abends im November: Wut. „Man merkt schnell, dass die existenziellen Themen des Lebens oft auch eine religiöse Dimension haben“, sagt der 32-jährige Pfarrer im Probedienst der Evangelischen Trinitatiskirchengemeinde. Es sei toll, wenn die Menschen dabei ins Nachdenken kämen. Zudem sei es spannend zu sehen, dass die nicht unbedingt religiös konnotierten Themen in der Kirche anders wahrgenommen würden, als im Theater oder der Kneipe, wo zumeist die Poetry-Slams stattfinden.

Was ist eigentlich gute Wut, was ist eine schlechte? Hat man Wut auf SUV-Fahrer? Auf Fleischesser? Auf Minder- oder Mehrheiten? Wer entscheidet das? Braucht es so viel Wut? Wäre es nicht sinnvoll, sich mal die andere Meinung anzuhören? Fragen die Mölleken stellt und seine Zuhörer beschäftigen sollen. „Wir brauchen mehr Toleranz, mehr Verstand“, fordert Mölleken und bringt darum den Alltag der Menschen in die Kirche. So, wie er auch die Kirche in den Alltag der Menschen bringen möchte. So sei auch der Poetry-Slam letztendlich eine Werbung für die Kirche. Eine Möglichkeit, auch junge Menschen wieder für die Auseinandersetzung mit dem Glauben bewegen zu können.

Viele Menschen kommen nur zu Weihnachten

Auch wenn man den Eindruck gewinnen könnte, dass eine gewisse Spiritualität wieder in Mode komme, sagten statistische Erhebungen etwas anderes: In Deutschland sind etwa elf Prozent der Bevölkerung der Auffassung, dass Religion wichtig für ihr Leben sei. Mölleken ist davon überzeugt, dass er auch die heute 20- bis 30-Jährigen durch gute Vorbereitung der Kasualgottesdienste (Taufe, Konfirmation, Trauung und Beerdigung) erreichen kann. Auch dort könne man innovativ sein. „Man will ja, dass es weit ausstrahlt. Das Kirche interessant bleibt“, sagt er und spricht von dem „Wohlfühlraum“ Kirche. Schließlich gehe man ja in seiner Freizeit in den Gottesdienst. „Warum sollte man das tun, wenn einen dort nur Kälte empfängt?“, stellt er die rhetorische Frage.

Mölleken weiß, dass viele Menschen nur zu Weihnachten die Kirche aufsuchen. Weil es zu ihrer Kultur gehört. Hier müsse man versuchen, die Menschen wieder zu erreichen. Da müsse man die Grenzen zwischen „der Kirche hier drinnen und den Menschen da draußen“ abbauen. So gebe es beispielsweise im binnenkirchlichen Milieu eine Abneigung gegen das Lied „Stille Nacht“. Es sei zu kommerziell, zu eintönig, auch von der Message nicht allzu tiefsinnig, hieße es dort. „Aber die Leute lieben das!“, ist sich Mölleken sicher. Da dürfe man nicht schulmeisterlich wirken wollen.

Er bedauert, dass ihm so wenig Zeit für „Extrasachen“ bleibt, die doch so substantiell für die Kirche sein sollten. Auch wenn es ihn in seinem derzeitigen Probedienst noch nicht so sehr belastet, weiß er, welche zeitraubende Verwaltungsarbeit auf ihn zukommt, wenn er seine erste Pfarrstelle übernehmen wird. Könnte er sich etwas wünschen, wäre er dann lieber weniger ein „Manager“ der Gemeinde, als vielmehr ihr Seelsorger.

Vor diesem Hintergrund hat er sich auch nach seinem Lehrerstudium (Deutsch und Religion) für das Priestertum entschieden und noch Theologie studiert. Warum? Das habe ihn eine Prüfungskommission auch gefragt, aber dann abgewunken, weil er ja ein Pfarrerskind sei. Das reiche in der Regel schon als Erklärung. Dabei war es für ihn alles andere als selbstverständlich. Auch wenn sein Vater Mathias Mölleken Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel ist und der Sohn schon früh mit dem Wesen der Arbeit eines Pfarrers vertraut war, sagt er, dass er noch nach dem Abitur „völlig planlos“ gewesen sei. Erst nach dem Lehramtsstudium habe ihn die Theologie „gepackt“. Er sei kein fertiger Glaubenszeuge. „Ich bin kein Dietrich Bonhoeffer“, lacht Mölleken. „Aber ich bin Pfarrer und damit Repräsentant des Heiligen.“ Und er möchte nahbar sein.

Entgegen der viel zitierten Ansicht des Theologieprofessors Josuttis, ist er davon überzeugt, dass ein Pfarrer auch nicht anders sein müsse. Er selbst sieht sich als Teil einer Suchbewegung des Glaubens. „Und die Kirche“, sagt Tobias Mölleken, „ist für mich kein sakraler Sonderraum.“

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