Mit Umsicht gegen die Angst Dunkle Ecken in Duisdorf und Medinghoven

Hardtberg · Dunkle Ecken auf der Rochusstraße in Duisdorf und dem Europaring in Medinghoven verunsichern viele Passanten. Ein Selbstverteidigungstrainer verrät dem GA bei einem Rundgang, was man dagegen tun kann.

 Selbstverteidigungstrainer Mike Schindewolf begleitete den GA bei der Begutachtung der dunklen Ecken.

Selbstverteidigungstrainer Mike Schindewolf begleitete den GA bei der Begutachtung der dunklen Ecken.

Foto: Benjamin Westhoff

Bei Licht betrachtet, gibt es kaum Örtlichkeiten, die Angst machen könnten. Bei Einbruch der Dämmerung schon. Die GA-Redaktion hat die Probe in Begleitung des Selbstverteidigungstrainers Mike Schindewolf auf der Rochusstraße und dem Europaring gemacht. Die Frage ist: Wie verhalte ich mich in einer Situation richtig, in der mich ein mulmiges Gefühl beschleicht – auch wenn objektiv keine Gefahr besteht?

Selbstverteidigung ist Mike Schindewolfs Fachgebiet. Der Diplom-Sportwissenschaftler trainiert Schüler und Erwachsene, sogar über 70-Jährige. Alle werden von ihm in Lektion eins zu Aufmerksamkeit angehalten. „Man sollte gar nicht erst in eine prekäre Situation kommen.“ Lektion zwei: „Wenn tatsächlich eine Bedrohung auftaucht, keinesfalls den Helden spielen, besser einen Umweg und die Faust in der Tasche machen.“

Um 18 Uhr ist die Duisdorfer Fußgängerzone gut frequentiert. Die geöffneten Läden werfen genügend Licht auf die Straße. „Hier kann man sich sicher fühlen“, sagt Schindewolf. „Für einen Übergriff gäbe es jetzt zu viele Beobachter.“ Die „gutbürgerliche Atmosphäre und die soziale Kontrolle“ sei kein lohnendes Pflaster für kriminelle Energie. Das bestätigt auf Nachfrage auch die Polizei. Wenn die Geschäfte geschlossen haben, gibt es genügend Gaststätten, die auch für Belebung auf der Straße sorgen. „Sollte mir dennoch ein Unbekannter zu sehr auf die Pelle rücken, dann gehe ich in die nächstgelegene Gaststätte und bitte um Hilfe“, ist Schindewolfs Tipp. Sollte ein alkoholisierter Mensch auf der Straße übergriffig werden, „ist es am Besten, ihn zu ignorieren. Meistens sind es lediglich verbale Angriffe. Aufgrund seines Zustands kann er sich nicht schnell und zielgerichtet bewegen. Wenn er zu nahe kommt, hilft schubsen.“

Weniges Licht wirft Schatten

Als Indiz dafür, dass Jugendliche sich in der Fußgängerzone „friedlich“ verhalten, weist Schindewolf auf die intakte Telefonzelle. „Selbst die Scheiben sind noch ganz.“ Bei seinen Schulbesuchen beobachtet er jedoch, dass die Gruppenbildung stark zunimmt. „Sie kann eine Eigendynamik entwickeln mit dem Kick, Verbotenes zu tun.“ Wegen des Gruppenzwangs könnten auch harmlose Jugendliche in kriminelle Handlungen hineingezogen werden.

Unangenehmer Kontrast zur ausgeleuchteten Fußgängerzone ist beispielsweise der Durchgang von der Rochuskirche zum Parkplatz an der Schmitthalle. Das wenige Licht wirft unheimliche Schatten. „Als Frau würde ich hier abends nicht alleine langgehen, einfach um mir das beklemmende Gefühl zu ersparen,“ rät Schindewolf. „Das ist keine Angstmache, sondern Vorsichtsmaßnahme.“ Jeder sollte einen Blick nach hinten werfen. „Wenn mir etwas auf dem menschenleeren Parkplatz komisch vorkommt, drehe ich erstmal eine weite Runde um mein Auto, um mich zu vergewissern, dass da niemand ist.“

Ortswechsel: 19 Uhr auf dem Europaring. Angesichts der miserablen Beleuchtung vor den Häusern würde Schindewolf sich als Ortsunkundiger abends dort nicht allein auf den Weg machen. Aus der Ferne macht er auf eine Gruppe von 15 jungen Männern aufmerksam, die sich auf dem Gehweg niedergelassen haben. „Weil ich die Männer nicht kenne und sie mich auch nicht, ist schwer einzuschätzen, wie sie reagieren.“ Er sei für die Gruppe ein Fremder, könnte möglicherweise sogar als Störenfried empfunden werden. Theoretisch käme jetzt Schindewolfs Lektion eins zum Tragen.

Kein erhöhtes Kriminalitätsaufkommen

In der Praxis weiß es der langjährige ehrenamtliche Quartiersmanager Bernd Müller besser. „Das sind meine Jungs, die machen keinen Stress. Im Gegenteil, sie passen auf ihr Viertel auf“, sagt er. Der erste Eindruck sei für einen Fremden nur eine Momentaufnahme und spiegele nicht den Alltag. Auch die Polizei hat Kenntnis von verschiedenen Gruppen und Treffpunkten in Medinghoven. „Die machen nichts“, versichert Polizeisprecher Frank Piontek. Im Quartier gebe es kein erhöhtes Kriminalitätsaufkommen. Die Beamten fahren regelmäßig, auch nachts, Streife.

Auch der Apotheker am Europaring, Michael Jürgens, kann in den Gruppentreffpunkten vor seiner Haustür nichts Schlechtes erkennen. „Ich kenne die Jungs. Sie chillen auf der Straße, weil ihre Eltern die Freunde nicht zu Hause haben wollen und sie deshalb für die Freizeit aussperren.“ Der Treffpunkt auf der Straße sei ihr Wohnzimmer-Ersatz. Sie versammeln sich dort jeden Tag.

Jürgens ist in Medinghoven aufgewachsen und hat den Wandel von einer „spießigen Siedlung zu einem Stadtteil mit über 50 Nationalitäten“ miterlebt. Es habe Zeiten gegeben, da war die Gegend in Verruf. „Das hat sich grundlegend geändert. Seit mindestens vier Jahren ist es hier ruhig.“ Dass die Versammlung junger Männer, in der Mehrzahl Muslime, Fremden im Dunklen Angst einflößen können, kann er verstehen, ist aber aus seiner Sicht unbegründet. Sein dringender Wunsch ist, dass sie einen Raum bekommen und nicht draußen stehen müssen, „beispielsweise in einem der leerstehenden Geschäfte in der Ladenzeile“.

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