Endlich auf eigenen Beinen stehen Die Geschichte einer Flüchtlingsfamilie

Brüser Berg · Familie Kiwan flüchtete vor drei Jahren aus Syrien - mit 27 Frauen, Männern und Kindern. Jetzt hat sie auf dem Brüser Berg ein Feinkostgeschäft eröffnet.

Es duftet herrlich – nach Safran und Minze, nach Datteln und Kardamom. In den letzten zwei Tagen hat wohl niemand aus der Familie Kiwan für mehr als zwei Stunden schlafen können. Dennoch präsentiert Raghad Al Rebdawi mit einem bezaubernden Lächeln eine Platte mit süßem Gebäck. „Probieren Sie. Das haben wir nach einem alten Familienrezept hergestellt“, fordert die junge Frau ihre Kunden auf. „Das sind Teigrollen, die wir mit einem Dattelmus gefüllt und dann gebacken haben“, ergänzt sie.

Ganz souverän steht sie hinter der Feinkosttheke, Schwester Rim sitzt an der Kasse, Cousine Rama Hereclin bereitet in der Küche bereits den Nachschub vor. „Wir sind wirklich sehr beeindruckt von dem Ansturm. Wir hätten niemals gedacht, dass wir so einen guten Start haben werden.“

Denn die letzten Jahre waren für die Großfamilie Kiwan auf dem Brüser Berg nicht gerade einfach. Vor dem Bürgerkrieg waren Anfang 2014 insgesamt 27 Familienangehörige (davon 16 Kinder) des Bonner Wirtschaftsinformatikers Ahmad Kiwan aus Syrien geflohen. Mit der Unterstützung der Katholischen Kirchengemeinde St. Rochus und Augustinus gelang es dem damals 37-Jährigen Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen nach Deutschland zu holen. In einer beispiellosen Aktion unterstützte die Kirchengemeinde die Kriegsflüchtlinge hier bei ihrem Neuanfang finanziell, war bei der Wohnungssuche behilflich und vermittelte Deutschunterricht.

Es war schwer, eine Arbeit zu finden

Längst sprechen alle Kiwans Deutsch, die Kinder haben sich in ihren jeweiligen Schulen hervorragend eingelebt. Dennoch war es schwer für die Erwachsenen – obwohl fast alle eine akademische Ausbildung haben – eine passende Arbeit zu finden. „Wir waren wirklich sehr dankbar, dass wir hier so gut aufgenommen wurden“, erzählt Raghad Al Rebdawi. „Doch wir wollten endlich auch arbeiten und selbst für unser Leben sorgen. Wir wollen auf eigenen Beinen stehen.“

Immer wieder hatten die Kiwans Helfer und Unterstützer als kleines Dankeschön zum Essen eingeladen. „Dabei wurden unsere Spezialitäten immer sehr gelobt“, erinnern sich Raghad und ihre Schwester Rim. Deshalb beschloss man nun, in einem Gemeinschaftsprojekt einen Feinkostladen mit orientalisch-arabischen Produkten auf dem Brüser Berg zu eröffnen.

Ein Stück Heimat und syrische Kultur

Seit dem Wochenende steht alles im Regal, was man für die levantinische Küche braucht. Dazu verkaufen die neuen Geschäftsleute frisches Fleisch sowie saisonales Obst und Gemüse. „Wir bieten hier ein Stück unserer Heimat an. Wir wollen damit auch unsere Kultur näherbringen“, so Raghad Al Rebdawi. Möglich war der Schritt in die Selbstständigkeit jedoch nur mit Unterstützung von Kathleen Kiwan. Die Ehefrau von Ahmad half bei der Suche nach einem passenden Ladenlokal und regelte die bürokratischen Formalitäten. „Ohne sie hätten wir das nicht geschafft“, sind sich die Schwestern einig.

Lange bevor der Laden an der Borsigallee morgens offiziell öffnet, beginnt für die Kiwans das Tagwerk. Obst und Gemüse müssen in den klimatisierten Raum eingeräumt werden, in der Küche beginnen die Schwestern mit der Zubereitung der frischen „Fateil“ (Blätterteigfladen mit Käse oder Oliven), werden die verschiedenen Mezze zubereitet. Auch abends ist nach Ladenschluss längst nicht Feierabend. „Nein“, lacht die junge Geschäftsfrau. „Dann beginnen wir damit, unser süßes Gebäck für den nächsten Tag zu backen. Das geht dann schon mal bis zwei Uhr nachts.“ Aber, so betont sie, „wir sind sehr glücklich. Besser hätten wir es nicht haben können.“

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