Mit Pflastern Darum klebt Ralf Knoblauch seinen Holzfiguren die Münder zu

Lessenich · Ralf Knoblauchs Holzfiguren laden weltweit zum Gespräch über Menschenwürde ein. Jetzt beklebt er sie mit Pflastern.

 Diakon Ralf Knoblauch widerstrebt es eigentlich, seinen Königsfiguren das Lächeln zu verbieten. Gleichwohl hat er ihnen den Mund mit Pflaster zugeklebt, was sie zu einem Holzklotz erstarren lässt.

Diakon Ralf Knoblauch widerstrebt es eigentlich, seinen Königsfiguren das Lächeln zu verbieten. Gleichwohl hat er ihnen den Mund mit Pflaster zugeklebt, was sie zu einem Holzklotz erstarren lässt.

Foto: Stefan Hermes

"Der Moment hat sich nicht gut angefühlt", sagt Diakon Ralf Knoblauch, als er seinen Königsfiguren den Mund mit einem Pflaster zuklebt. Als wäre es seinen aus Eichenholz geschnitzten Figuren ähnlich ergangen, lösen sich die Pflaster kurz darauf wieder von selbst, fallen ab und geben das geschnitzte Lächeln von König und Königin frei.

Anders ergeht es den Figuren, die Knoblauch einem Netzwerk von Freunden und Bekannten mitgegeben hat, damit sie mit ihnen in Syrien, in Jordanien, Hongkong und an weiteren Brennpunkten der Welt mit den dortigen Menschen über deren eigene "Königswürde" ins Gespräch kommen. Auch sie hatten die Münder verbunden oder zugeklebt und leiteten damit die Wende zu einem politischen Gedankenaustausch ein. Seit mehr als fünf Jahren schnitzt Knoblauch seine Holzfiguren. Zum Motiv hatte er sich einst durch die Sternsinger-Aktion inspirieren lassen: Er versucht, sich "dem Thema königliche Würde im Menschen zu nähern".

Nicht zuletzt ausgelöst durch die Münsteraner Initiative Maria 2.0, in der katholische Frauen eine Reform der Kirche mit der Gleichstellung von Mann und Frau fordern, hatte Knoblauch die Besitzer seiner Könige gebeten, ihnen den Mund zu verschließen. Das Symbol des Redeverbots liegt dem Diakon, Tischler und Bildhauer nun in hundertfacher Weise, durch Fotos aus aller Welt dokumentiert, vor. Auch das Lächeln, das für die Ewigkeit aus dem Holz gehauen schien, ist nun verdeckt. Plötzlich sind die sonst lebhaft ihren Betrachter ansehenden Figuren zu einem Holzklotz erstarrt. So wie die Frauen aus Münster die Missbrauchsskandale anprangerten, das Schweigen der Kirchenmänner verurteilten und zum Boykott der Frauen am Gottesdienst aufriefen, symbolisiert nun auch Knoblauchs Königsheer das Redeverbot.

Für Knoblauch kommt es einem Sakrileg gleich, seinen Königen den Mund zu verbieten. Ihre hölzerne Stummheit lässt sie für den Bildhauer mehr sagen, als dies mit Worten möglich wäre. Sie sollen als Projektionsfläche für die Gedanken der Betrachter dienen. Mit dem zugeklebten Mund ist diese fast spirituell zu nennende Verbindung jäh unterbrochen. Plötzlich wandelt sich das gerade noch Märchenhafte zu einer politischen Aussage. Ein Experiment.

Wo es Knoblauch immer wieder um die Würde des Menschen geht, ist diese mit dem schon vom Material her unpassenden Ein- oder besser Angriff auf seine Figuren verletzt. Gerade noch hatte er festgestellt, "es gibt keine negativen Reaktionen auf meine Könige", da sind sie zu einem politischen Instrument geworden, welches ihnen jede Gefälligkeit entzieht. Egal, ob er die Könige als Kommunikationsmedium mit in den Oman genommen hatte (der GA berichtete) oder mit ihnen vor dem Einkaufszentrum in Tannenbusch stand, um durch sie mit den Menschen über Würde zu sprechen, die Figuren machten es ihm leicht. Obwohl in vielen seiner Begegnungen die Menschen ausschlossen, für sich selber eine Würde zu reklamieren. Der Diakon aus Lessenich machte ihnen Mut.

Knoblauch ist nach sieben Jahren seiner "Würde-Arbeit" zu einem Thema gekommen, das den Kern seiner Arbeiten freilegt. Seit bald 35 Jahren beschäftigt ihn die Soziale Plastik von Joseph Beuys ("Jeder Mensch ist ein Künstler"). Kunst, die den Anspruch verfolgt, auf die Menschen einzuwirken. "Ich konnte mit seinen Installationen unheimlich viel anfangen", erinnert sich Knoblauch. Der Titel seiner theologischen Diplomarbeit, "Vom Christusbild zur Christussubstanz", ist nicht nur durch Arbeiten und Auftritte von Beuys inspiriert, sondern auch heute noch ein zentrales Thema seines Priesterlebens. "Die Mysterien finden im Hauptbahnhof statt", ist ein Zitat von Beuys, das Knoblauch bis heute nicht loslässt. So stellen auch seine Könige Objekte mit einem "geheimnisvollen, mit dem Verstand nicht ergründbaren Geschehen" dar, wie der Duden das Mysterium definiert.

Nun sind die Münder der Könige verschlossen und klagen damit auf geheimnisvolle Weise die Kirche an. Jedoch nur so weit, wie es sich der Bildhauer und geweihte Priester Knoblauch in seinem konservativen Kölner Erzbistum erlauben kann. Seine pastorale Arbeit mit den Königen hat ihn seit einem Jahr in eine Kommission des Bistums von Kardinal Woelki berufen, in der neue Kommunikationsorte von Kirche gesucht werden.

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