Spaziergänge mit Alteingesessenen Wolfgang Esser war Pionier auf dem Brüser Berg

Brüser Berg · Wolfgang Esser gehört zu den Pionieren auf dem Brüser Berg. Bei einem Rundgang erinnert er sich an die Anfänge auf der grünen Wiese, als der Ortsteil auf der Fläche von 900 Hektar entstand.

 Regelmäßig geht Wolfgang Esser auf dem Brüser Berg eine Runde an der frischen Luft.

Regelmäßig geht Wolfgang Esser auf dem Brüser Berg eine Runde an der frischen Luft.

Foto: Benjamin Westhoff

Heute bleibt Goldendoodle Max zu Hause. Herrchen will in Ruhe seine Runde drehen und an vielen Ecken der Erinnerungen wegen stehen bleiben so lange er möchte. Seit März 1983 lebt Wolfgang Esser auf dem Brüser Berg. „Wer sich einen Überblick über das Who-is-who der berühmten Flugpioniere verschaffen will, sollte einen Spaziergang durch das Fliegerviertel machen“, sagt er. „Messerschmitt-, Focke-, Gebrüder-Wright-Straße...“

Esser wohnt Dornierstraße. Einige Schritte aus der Haustür, dann zweimal rechts und er steht an der Lärmschutzwand der Autobahn. Als er vor 37 Jahren mit der Familie ins neue Haus zog, hatte er einen unverbauten Blick zum Kottenforst und auf die Autobahn. Innerhalb von drei Monaten stand sein Eigenheim. Das Entwicklungsgebiet Hardtberg wurde aus dem Boden gestampft. Nicht lange, da zogen rundherum die Nachbarn ein.

Wie gestern erinnert er sich, dass er als angehender junger Bauherr aufgeregt den großen Grundstücksplan studierte und auf dem Papier entscheiden musste, wo er sich niederlassen wollte. In der Realität waren dort noch Weiden und Felder. „Eine Satellitenstadt auf einem Gelände von 900 Hektar“, visionierte die Presse. Nach einer „Zuteilungsveranstaltung“ für alle Kaufinteressenten konnte Esser das ausgewählte Grundstück sein Eigen nennen. Der Vertrag verpflichtete ihn, innerhalb von zwei Jahren mit dem Bau zu beginnen,  „damit das Gebiet gleichzeitig wächst“.

Die erste Zeit auf dem Berg sei abenteuerlich gewesen. „Kein Telefon, keine Straßenbeleuchtung, eine staubige Baustraße.“ Die Entwicklungsgesellschaft hatte ein Informationsbüro eingerichtet, wo sich Bewohner anhand von Plänen und Modellen über den aktuellen Stand informieren konnten. Hauptsächlich aber fragten sie nach der Infrastruktur – Kindergarten, Schule, Läden und Nahverkehr. „Noch viele Jahre  hatte ein Schäfer seine Weiden hier oben.“ Eines Tages hatten die Schafe auf ihrem Zug auch die frischgepflanzten Rosen des Nachbarn gefuttert. „Von einem ländlichen Gebiet ist heute nichts mehr zu sehen. Das war einmal.“ Immerhin, der Brüser Berg hat den Kottenforst.

Hinter den Häusern der Dornierstraße geht es in den Wald Richtung „Brüser Dorf“, dem Aktiv-Spielplatz am Abenteuerweg. Die Spaziergänger winken sich zu. Man kennt sich. Der Stadtteil habe im Laufe der Zeit seinen ganz eigenen Charakter entwickelt. „Weil es keine Alteingesessenen gab, gab es auch keine Privilegien“, analysiert der 72-Jährige. „Hier war jeder neu. Soziale Strukturen, ein Vereinsleben, das baute sich langsam auf.“ Und die neuen Bewohner brachten neue Ideen mit, wie sie sich das Zusammenleben vorstellten. Ein Karnevalsverein wurde zwar gegründet, aber eine Tradition wurde daraus nicht. „Wir haben eine gute Mischung von Anonymität und Nachbarschaft, das ist ein Vorteil“, erklärt Esser.

Beim Queren des Brüser Damms schüttelt der pensionierte Verwaltungsmann den Kopf. „Was Planer sich so vorstellen.“ Die Unterführung ist barrierefrei, aber die Haltestellen oben auf dem Brüser Damm nur über die Treppe oder weite Umwege zu erreichen. „Also laufen die Leute über die Straße.“ Der Tunnelgang selbst wurde vor Kurzem hell gestrichen, damit er im Dunkeln nicht zu unheimlich wirkt. Auf der Edisonallee lässt Esser seinen Blick über die Hausfassaden schweifen. „Das Tolle ist, anders als beispielsweise auf dem Heiderhof wurden auf dem Brüser Berg gemischte Baustile verlangt. Kein Bauträger durfte eine große Fläche einförmig gestalten.“ Auch in die Edison-Allee sind symbolisch Schienen eingelassen. Schmalspur – sie sollen an den Ton- und Kiesabbau in der Gegend erinnern.

Esser allerdings erinnern sie auch an das Projekt Hardtbergbahn. „Die Diskussion habe ich von Anfang an miterlebt. Es war eine Riesenchance.“ Sehr empfehlen kann Esser einen Ausflug zum Brüser Berg zur Kirschblütenzeit. „Der Anblick ist so schön wie in der Altstadt.“ Tagsüber bietet die Borsigallee ein belebtes Bild. Mittwochs und samstags ist Wochenmarkt. Die Ortsmitte mit Nachbarschaftszentrum, evangelischer und katholischer Kirche, Festplatz, Geschäften und Gaststätten wird von den Bewohnern angenommen.

Esser wundert sich nur über die vielen verschiedenen Radständer im baumbestandenen Mittelgang, die eher den Eindruck machen, als wären sie Kunstobjekte. Als Kunst kann er auch den sogenannten Affenkäfig nur verstehen, ein Maschendraht bewehrter Turm mit Aufgang und Ausblick, der fehl am Platz wirkt. Esser betont, dass „die meisten Geschäfte trotz der Konkurrenz am Basketsring Bestand haben.“

Die Versorgung – auch die medizinische – sei gut. Für die Bewohner alles zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar. „Ein Auto braucht man eigentlich nicht. Hier lässt es sich angenehm leben.“ Allerdings, wie er an sich selbst sehe, sind die Brüser Berger in die Jahre gekommen. „Für uns steht außer Frage, dass wir auf dem Berg wohnen bleiben wollen.“ Viele Nachbarn seien auch schon über 70 und „wir stellen Überlegungen an, wie wir beispielsweise einen Pflegedienst organisieren können, wenn es nötig wird“.

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