Kultur in Lessenich Bonner Märchenerzählerin zu Gast in Bücherei

Lessenich/Meßdorf · Christa Saamer begeistert als Märchenerzählerin Kinder und Erwachsene. Häufig ist sie Gast in der Bücherei von Lessenich/Meßdorf. Die Einnahmen spendet die Bonnerin der Welthungerhilfe.

 Märchenstunde: Christa Saamer will ihre Zuhörer von den Reizüberflutungen des Alltags befreien – zumindest für eine Weile.

Märchenstunde: Christa Saamer will ihre Zuhörer von den Reizüberflutungen des Alltags befreien – zumindest für eine Weile.

Foto: Welthungerhilfe/Matthias Jung

Christa Saamer hat ihre Bestimmung gefunden. Seit 2002 ist die Übersetzerin, die bis zum Umzug des Bundestags dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Referentin eines Abgeordneten tätig war, Märchenerzählerin. Immer wieder kommt sie beispielsweise in die katholische Bücherei von Sankt Laurentius in Lessenich/Meßdorf, wo viele kleine und große Besucher sie schon kennen.

Nach der Referententätigkeit wurde Saamer erst einmal arbeitslos und sah keine Perspektiven für ihre berufliche Zukunft. Sie stellte sich dann die Frage, was ihr in ihrem Leben bis dato gefehlt hatte. „Zu dem Zeitpunkt fand in Troisdorf der Europäische Märchenkongress statt, und dort habe ich Feuer gefangen“, sagt sie.

Mit Märchen verbunden waren für sie auch ganz intensive Erinnerungen an Großeltern und Eltern – wie bei so vielen. Inzwischen ist sie mit ihren Märchen-Reisen gut ausgebucht, bei denen sie vor allem unbekanntere und sehr gerne auch internationale Märchen erzählt. Die klassischen Geschichten von Grimm und Andersen trägt sie vor allem Kindern vor, bei Erwachsenen steht eher Unbekanntes auf dem Programm. Doch sind die uralten Märchen für sie immer noch aktuell? „Ja, natürlich“, sagt sie ohne jedes Zögern.

„Volksmärchen sind Lebensweisheiten und wenn man so will komprimierte Weisheitsgeschichten“, erklärt Saamer. „Jedes Märchen beginnt mit einem Mangel, und bei den Hauptpersonen handelt es sich um Typen, die sich auf einen Weg machen. Sie erleben grausame Dinge, schwierige Situationen, die sie schlicht überfordern und denen sie zunächst nicht gewachsen zu sein scheinen. Das sind alles Parallelen zum realen Leben.“ Das Fazit der Märchen sei dabei in der Regel, dass man mit der richtigen Haltung eine Lösung finden wird. „Märchen sind Modelle für Problemlösungen“, so Saamer.

Märchenerzählerin Christa Saamer schickt Zuhörer auf Fanzasiereise

Um die richtige Haltung geht es auch in den beiden Lieblingsmärchen von Christa Saamer: Da wäre zunächst „Frau Holle“: Saamer mag es, „weil so viel in diesem Märchen steckt. Hier geht es eben um die Haltung des Mädchens, das alles, was es macht, ganz und mit Hingabe macht“. Dieses Mädchen begegne einer Frau mit Biss, der Herrin über das Wetter. „Und auch hier macht sie alles mit Hingabe und erhält dafür einen Wert und Ausstrahlung.“ In dem afghanischen Märchen „Morgen ist morgen“, der zweite Favorit der Bonnerin, beweist ein armer, aber herzensguter Schuhflicker großes Gottvertrauen und wird dafür belohnt.

Es gibt laut Saamer noch andere Gründe für die Aktualität von Märchen: So werde das Unbewusste angesprochen durch die (geführte) Reise in die Fantasie. „Sich im Kopf Bilder vorzustellen, hat eine ganz andere Qualität, als dies nur über die Ratio zu versuchen.“ Gerade in Zeiten der Reizüberflutung ab dem Kindesalter seien Märchen wichtig – zumal, wenn jemand sie so erzählen kann wie Saamer dies auf ihren Terminen tut. Die permanent beanspruchten Augen haben mal Pause, wenn es ums Hören geht – bei Kindern und Erwachsenen.

Der Bedarf ist da: In diesem Jahr hat Saamer 35 Mal Märchen erzählt, nicht nur in Lessenich, sondern auch in Grundschulen und regelmäßig im Kaffeehäuschen in Uedorf. Wenn sie dafür Geld bekommt, dann fließt es komplett zur Welthungerhilfe – im Laufe der Jahre hat sie so an die 40.000 Euro zusammenerzählt.

Doch wie sieht es mit speziellen Geschichten für den Advent aus? „Es gibt eigentlich kein typisches Weihnachtsmärchen, das mir gefällt“, sagt Saamer. „Aber ich erzähle in dieser Zeit sehr gerne das Märchen »Melwins Stern« von einem kleinen Engel, der Sternenputzer werden will und »Maria und das schwarze Schaf«, in dem auch das schwarze Schaf Wolle für das Christkind geben darf“, so Saamer.

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