Bebauungspläne Alles spricht für den Kottenforst

LENGSDORF · Sobald die Stadt neue Bebauungspläne vorstellt, sorgt eine Sache regelmäßig für Ärger bei den Bürgern: das Thema Ausgleichsmaßnahmen. Während die Anwohner fordern, dass die Ausgleichsmaßnahmen vor Ort umgesetzt werden, sozusagen als Wiedergutmachung, verweist die Stadt gebetsmühlenartig auf den Kottenforst als Ausgleichsfläche.

Und während mancher Bürger sich fragt, was er davon hat, gibt es andere, die dieses Vorgehen der Stadt "verstanden" haben, wie Jürgen Morche vom Bauordnungsamt nicht ganz ernst gemeint feststellt. Zu diesen Menschen gehört demnach FDP-Fraktionschef Frank Thomas und die Mitglieder seiner Fraktion.

In der letzten Sitzung der Bezirksvertretung Hardtberg stellte die Fraktion einen Änderungsantrag zur öffentlichen Auslegung des Bebauungsplans "An den Lappenstrünken". Ein Inhalt des Antrags: Die Ausgleichmaßnahme erfolgt, soweit sie nicht im Bebauungsplan erfolgen kann, zu hundert Prozent im Kottenforst.

Der Antrag wurde abgelehnt. Stattdessen beschloss die Politik das Gegenteil, nämlich, dass es eine "ortsnahe" Ausgleichsmaßnahme geben soll. Eine Entscheidung, die man bei der Stadt Bonn mit leichtem Zähneknirschen zur Kenntnis nimmt. Warum? Was genau haben die Liberalen da nach Ansicht der Stadt verstanden? Die Antwort: Dass Ausgleichsmaßnahmen, die nicht im Kottenforst vorgenommen werden, in der Regel mehr Geld kosten. Und dass damit die Kosten für Investoren und Häuslebauer steigen. Ein Effekt, den die Stadt Bonn angesichts der ohnehin üppigen Immobilienpreise nach eigener Aussage gerne vermeiden will.

Jüngstes Beispiel: Das geplante Neubaugebiet "An den Lappenstrünken" zwischen Lengsdorf, Duisdorf und Endenich. Hier wünschen die Anwohner Ausgleichsmaßnahmen am Lengsdorfer Bach. Für die Stadt sprechen finanzielle Gründe dagegen. "Man muss das wirtschaftlich betrachten. Erschließung und ökologischer Ausgleich muss in einem gesunden Verhältnis stehen", sagt Morche. "Diese Grundstücke müssten alle zu marktüblichen Preisen erworben werden". Dies würde nicht zuletzt auch deswegen teuer, weil der Marktwert mit der Bebauung steige.

Nach Berechnungen der Stadt würden die Ausgleichsmaßnahmen dann zwischen 2,3 und 2,6 Millionen Euro kosten, statt der aktuell anvisierten 570.000 Euro. Die Kosten je Baueinheit würden damit, auch laut Berechnungen der Stadt, von rund 2400 Euro auf bis zu 10.800 Euro steigen. Für den Kottenforst als Ort von Ausgleichsmaßnahmen würden hingegen viele Gründe sprechen. "Zum einen ist zu sagen, dass unten im Stadtgebiet wenig frei ist", sagt Klaus Bouchon vom Stadtplanungsamt.

Ökologisch sinnvoll seien derartige Maßnahmen oft nur im größeren Zusammenhang. "Was bringt das Ganze zum Beispiel auf einer isolierten, öffentlichen Grünfläche in einer Siedlung?", fragt Bouchon. Ein "hochwertiger ökologischer Ausgleich" sei nur in einem System möglich. Ausgleichsmaßnahmen entlang von Bachläufen seien zwar oft ökologisch sinnvoll, da man ein "Verbundsystem" verbessern könnte. Das Problem sei jedoch, dass man dann in einem schmalen Bereich auf wenig Fläche unterwegs sei, und damit auch wenig Ökopunkte sammelt.

Eine zusätzliche Schwierigkeit sei die Konkurrenz zu landwirtschaftlichen Flächen. Der Flächenverlust durch Bau- und Ausgleichsmaßnahmen treffe die Landwirtschaft doppelt. Und es gelte, ein Mindestmaß an Flächen für die Landwirtschaft zu erhalten. "Da bleiben eigentlich nur Flächen im Wald", sagt Bouchon. Und genau die hat die Stadt Bonn für diesen Zweck gekauft, 1,26 Millionen Euro haben die rund 30 Hektar im Kottenforst gekostet. Dort wurde "nicht standortgerechter" Nadelwald in Laubwald umgewandelt. Damit hat die Stadt rund 900.000 Ökopunkte auf der Habenseite. Ein Guthaben, für das die Stadt nicht umsonst gezahlt haben will.

Hätte die Stadt allein auf dieses Guthabenkonto zurückgreifen können, würden sich die Kosten für Ausgleichsmaßnahmen pro Wohnung, etwa 240 sollen entstehen, auf rund 1750 Euro belaufen. Nun werden es laut Stadt rund 2375 Euro werden.

Für Andreas Zauke vom Katasteramt ergibt sich mit Blick auf den Lengsdorfer Bach neben der finanziellen Frage noch eine andere: die der Verhältnismäßigkeit. Die zu bebauende Fläche sei ökologisch nicht sehr hochwertig. "Die Frage ist doch auch, was wird wirklich an ökologischer Funktion genommen", so Zauke. Art und Umfang der Ausgleichmaßnahme sollten sich daran orientieren.

Ausgleichsmaßnahme für das Neubaugebiet "An den Lappenstrünken"

Eine Ausgleichsmaßnahme beginnt mit einer Bewertung durch einen Landschaftsplaner. Er verteilt Punkte, je größer der ökologische Wert, umso höher ist die Punktezahl. Im Fall "An den Lappenstrünken" wurden 616.344 Ökopunkte ermittelt.

Diese "Minuspunkte" gilt es auszugleichen. Eine gesetzliche Verpflichtung zum hundertprozentigen Ausgleich besteht nicht, der Rat der Stadt Bonn hat jedoch 1999 beschlossen, Eingriffe "möglichst vollständig" zu kompensieren. Ein Teil der Ausgleichsmaßnahme kann schon vor Ort geschehen, im Fall "Lappenstrünken" zum Beispiel durch den Erhalt der Alleebäume.

Übrig bleiben in diesem Fall 298.824 "Minuspunkte", die an anderer Stelle auszugleichen sind. Nach dem Beschluss der Politik, dass auch ortsnah auszugleichen ist, hat die Stadt ein Gebiet am Dransdorfer Bach dafür ausgesucht. Die Fläche wird voraussichtlich mit Obstgehölzen bepflanzt, eine extensive Wiese wird angelegt und ergänzende Bepflanzungen im Bachufer werden vorgenommen.

Das kostet die Stadt nach eigenen Angaben 465.000 Euro und bringt rund 225.000 Ökopunkte. Das restliche Defizit wird für rund 105.000 Euro über das Ökokonto Kottenforst abgeglichen (75.000 Ökopunkte).

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