Fundgrube für Ängste

Glosse

Wer im Fundbüro sitzt, läuft schnell Gefahr, eine Athazagoraphobie zu entwickeln. Die Angst, vergessen zu werden, ist gewiss unter unseren tierischen Mitbewohnern weiter verbreitet als unter Menschen, bei denen wiederum die Angst überwiegt, überhaupt etwas zu vergessen.

Verlustängste dürften so ziemlich bei jedem vorherrschen, es sei denn, man hat von allem alles im Überfluss. Aber auch da hat uns ja schon Orson Welles mit seinem Jahrhundertstreifen "Citizen Kane" 1941 eindrucksvoll dargelegt, dass selbst Männer, die über Macht und in Dagobertschen Maßstäben über Fantastrillionen verfügen, zuletzt sogar den Verlust eines einfachen Schlittens bedauern können. So gesehen, sitzen wir also alle irgendwie im selben Boot mit unseren Ängsten.

Das Schöne am richtigen Leben ist ja, dass es für fast alles eine Lösung gibt. Für den einen reicht ein einfaches gelbes Zettelchen ("Post-it"), um nichts zu vergessen, der andere braucht vielleicht doch lieber professionelle Hilfe, wenn es denn zwanghaft wird mit dem Kontrollieren, ob wirklich nichts liegen gelassen wurde.

Aber wie steht es mit dem Verlieren? Für einen Schlüssel reicht ja noch ein Kettchen, für den Ausweis und die Brieftasche ein Hip-Bag (Hüfttasche). Aber was ist mit Kindern, mit denen man über den Jahrmarkt läuft? Oder mit Blutzuckermessgeräten?

Blutzuckermessgeräte? Da verliert man eher den Verstand als dass man ein Blutzuckermessgerät verliert, meinen Sie? Und was haben Blutzuckermessgeräte mit Ängsten zu tun? Ein Blutzuckermessgerät führt das Fundbüro Beuel als "sonstigen medizinischen Gegenstand". Und einen Cityroller hat man dort als "sonstiges Fahrzeug" registriert. Klarer Fall von Lexisphobie, die Angst vor Worten, was wir jetzt einfach mal so diagnostizieren.

Andererseits für uns eine echte Fundgrube für Beispiele menschlicher Schwächen.

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