Hohe Strompreise in Bonn Familien mit niedrigem Einkommen fürchten um Energieversorgung

BONN · Wie das ist, ohne Strom im Alltag klar zu kommen, kann sich hierzulande kaum jemand vorstellen. Doch angesichts der drastischen Strompreiserhöhungen wächst in vielen Familien mit geringem Einkommen die Angst, dass sie demnächst ihre Rechnungen nicht mehr zahlen können und ihnen der Saft abgedreht wird.

 Strom wird mehr und mehr zum Luxusgut. Familien mit niedrigem Einkommen machen sich daher Sorgen.

Strom wird mehr und mehr zum Luxusgut. Familien mit niedrigem Einkommen machen sich daher Sorgen.

Foto: dpa

Eine Sorge, die auch einen fünffachen Familienvater aus Duisdorf immer schlechter schlafen lässt. Der 35-Jährige, der wegen seiner Kinder anonym bleiben will, ist Alleinerziehender und kann deshalb nicht arbeiten. Zumal das jüngste Kind, ein dreijähriges Mädchen, wegen einer schweren Behinderung seine volle Aufmerksamkeit benötigt.

"Ich muss meine Tochter allein nachts dreimal sondieren", sagt er. Der Mann lebt von Sozialgeld. Dazu kommt das Kindergeld und für die kleine Tochter 440 Euro Pflegegeld. Nach Abzug der Warmmiete bleiben der großen Familie rund 1200 Euro. Die Mutter der Kinder zahlt keinen Unterhalt, sie ist arbeitslos.

Von den 1200 Euro gehen allein 160 Euro für Strom als Abschlagszahlung monatlich an die Stadtwerke Bonn. Hinzu kommen Spritkosten für das Auto, das der Vater wegen der behinderten Tochter dringend benötigt und deshalb behalten darf. "Miete und Strom ist das erste, was ich monatlich überweise", sagt der Mann, der in seinem Wohnviertel als sehr zuverlässig und korrekt gilt. "Erst danach kommt alles andere."

Unter anderem das Essensgeld in Höhe von 60 Euro im Monat für den ältesten Sohn (12), der ein Gymnasium besucht. der Junge erhält zudem kostenpflichtige Nachhilfe an der Schule. "Ich habe jetzt bei der Stadt einen Antrag auf Erstattung gestellt", sagt er, das würde sein Budget schon entlasten. Geld, das er etwa für Stromnachzahlungen auf die Seite legen könnte, hat er nicht. Wenn jetzt weiter an der Preisspirale gedreht werde, müsse er den Lebensstandard für sich und die Kinder noch niedriger schrauben.

"Ich habe eine Freundin in Bad Honnef. Sie musste eine Weile ohne Strom auskommen. Das möchte ich eigentlich nicht erleben", sagt er. Susanne Bauer-Jantz leitet die Verbraucherzentrale Bonn und beobachtet seit geraumer Zeit, dass immer mehr Menschen ebenfalls die Sorge quält, ihre Stromrechnung bald nicht mehr zahlen zu können.

"Darunter sind auch viele Rentner" , weiß sie. Die Verbraucherberatung bemühe sich zwar, diesen Kunden Wege aufzuzeigen, wie sie den Stromverbrauch senken können. Die Krux: Wer wenig Geld hat, kann sich teure energieeffiziente Geräte nicht leisten. "Das ist ein Teufelskreislauf", sagt Reinhard Jansen. Der Jurist und Diplompädagoge leitet das Stadtteilbüro des Diakonischen Werks in Medinghoven und kennt Fälle, bei denen der Energielieferant am Ende den Strom sperren musste, weil offene Rechnungen nicht gezahlt wurden.

"Das kommt hier aber eher noch selten vor", sagt er, "denn noch können wir das Problem oftmals vorher in den Griff bekommen". Allerdings sieht auch er mit Sorge, dass es für die Familien, die von Sozialgeld leben, immer schwieriger wird, alltägliche Dinge des Lebens zu bestreiten. Caritasdirektor Jean-Pierre Schneider kritisiert, dass die Lücke zwischen niedrigen Einkommen und Energiepreisen immer mehr auseinander klafft. "Wir riskieren hier eine völlig neue Art der Ausgrenzung von gesellschaftlicher Teilhabe", warnt er.

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