Bönnsche Fastelovend "Ein Ritterschlag für den Karneval"

Bonn · Ihre Bühnenpräsenz und ihr Arbeitseifer werden über die Grenzen Bonns hinaus geschätzt. Sie hat ihr Hobby zum Beruf gemacht: Marlies Stockhorst verkörpert den Festausschuss Bonner Karneval, sie ist die unangefochtene Frontfrau des bönnschen Fastelovends. Über Ziele und Wünsche in ihrer zweiten Amtsperiode sprach die Präsidentin mit Holger Willcke.

 Eine Präsidentin in ihrem Element: Marlies Stockhorst auf dem Weg zur Prinzenproklamation in der Beethovenhalle.

Eine Präsidentin in ihrem Element: Marlies Stockhorst auf dem Weg zur Prinzenproklamation in der Beethovenhalle.

Foto: Barbara Frommann

Sie wurden als Präsidentin des Festausschusses für eine zweite Amtszeit bis 2018 einstimmig wiedergewählt. Macht Sie das stolz?
Marlies Stockhorst: Es hat mich gefreut, weil das ein Vertrauensbeweis unserer Mitgliedsvereine und eine Bestätigung meiner Arbeit ist.

Was hat sich in den vergangenen vier Jahren im Festausschuss geändert?
Stockhorst: Die Organisationsstruktur ist straffer geworden. 2010 haben wir uns 24 kurz- bis mittelfristige Ziele gesetzt. Davon haben wir 16 erfüllt. Zum Beispiel haben wir unser Archiv digitalisiert und den Bönnsch-Unterricht weiter ausgebaut und verbessert. Außerdem haben wir jetzt eine eigene Bushaltestelle vor der Haustür mit dem Namen "Haus des Karnevals/Schlesienstraße".

Welche Ziele sind noch nicht erreicht?
Stockhorst: Ich hätte gerne im Festausschuss einen Ausbildungsplatz für eine Bürokauffrau angeboten. Das hat leider ebenso wenig geklappt wie die Einbeziehung unserer Ausstellung in die Stadtführungen. Das Haus des Karnevals liegt einfach zu sehr am Stadtrand.

Teilen Sie den Eindruck, dass der Bonner Karneval sich mehr und mehr zu einem gesellschaftlichen Ereignis entwickelt hat?Stockhorst: Ja, das liegt daran, dass der Festausschuss auf neue Zielgruppen zugegangen ist. Vor allem durch die Besuche des Prinzenpaares bei Institutionen wie dem August-Macke-Haus und dem Deutschen Museum haben wir einige neue Kontakte knüpfen können. Diese und andere Führungskräfte haben den Bonner Karneval schätzen gelernt und engagieren sich heute dafür.

Die Strahlkraft des Prinzenpaares und des Festausschusses überschatten so manchen kleinen Verein. Ist diese Entwicklung in Ihrem Sinne?
Stockhorst: Wir fühlen uns als Dachverband und Ansprechpartner für alle Vereine. Von der Strahlkraft der Tollitäten kann jeder Verein profitieren. Auch von den Aktivitäten des Festausschusses zehren die Vereine. Ein Beispiel ist das Engagement von Lydia Niewerth. Die ehemalige Direktorin des Amtsgerichts Bonn hat sich durch die Aktivitäten des Festausschusses und des Prinzenpaares anstecken lassen und ist heute Mitglied bei der KG Justitia und bei der KG Wiesse Müüs. Es ist eine Win-win-Situation für die Vereine und den Dachverband.

Der rheinische Karneval ist jetzt als Kulturgut des Landes NRW anerkannt. Was bedeutet das?
Stockhorst: Als Kulturträger anerkannt zu werden, bedeutet für uns einen Ritterschlag. Dieses Gütesiegel ist für die Akzeptanz nach außen sehr wichtig. Es hilft uns bei unserer Bewerbung zur Aufnahme in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes. Die Bundesregierung entscheidet Ende des Jahres, welche Vorschläge aus Deutschland an die Unesco weitergegeben werden.

Was zeichnet den Bonner Karneval aus?
Stockhorst: Er ist familiär. Ein Beispiel dafür ist der Rosenmontagszug. Dort geht man mit Freunden oder der Familie hin. Anschließend zieht es viele Menschen in die Zeughäuser der Vereine. Aber der Bonner Karneval bietet auch genügend Aktivitäten für junge Menschen.

Was muss sich ändern im Bonner Karneval?
Stockhorst: Alle Vereine und Gesellschaften müssen an einem Strang ziehen und gemeinsam für die Sache streiten. Alle können stolz auf den bönnschen Fastelovend sein. Alleine addiert man, gemeinsam multipliziert man.

Warum ist das Verhältnis zwischen Festausschuss und den Vereinen oft so angespannt?
Stockhorst: Von einem generell angespannten Verhältnis kann keine Rede sein. Wir sind eine große Familie, und da muss man sich auch einmal reiben können. Das ist ganz normal - vor allem, wenn man sich für das gemeinsame Ziel, den Brauch Karneval, freundschaftlich verbunden weiß.

Was kann Ihr Vize Stephan Eisel, was Sie nicht können?
Stockhorst: Er kann schon mal mit der Faust auf den Tisch hauen. Mir steht manchmal meine Diplomatie im Weg.

Ihr Vize lobt Sie bei vielen Veranstaltungen über den grünen Klee. Ist Ihnen das nicht manchmal unangenehm?
Stockhorst: Ja.

Zwischen der enormen Wirtschaftskraft des Karnevals und der finanziellen Ausstattung des Festausschusses klafft eine große Lücke. Woran liegt das?
Stockhorst: Der Umsatz, den wir mit unserer Arbeit auslösen, kommt größtenteils der Gastronomie, den Firmen, die Karnevalsartikel vertreiben, und der Stadt Bonn zugute. Allerdings ist der Rückfluss in die Kasse des Festausschusses unverhältnismäßig geringer. Wir haben gerade den Zuschuss der Stadt für die neue Session von 30 000 auf 28 500 Euro gekürzt bekommen. Der Festausschuss müsste eigentlich einen festen Platz im Kulturhaushalt und/oder Wirtschaftshaushalt der Stadt mit entsprechenden Zuschüssen bekommen. Wir werden demnächst eine Umfrage über die Wirtschaftskraft des Bonner Karnevals veröffentlichen.

Sind vier Festausschüsse im Stadtgebiet noch zeitgemäß?
Stockhorst: Jeder Stadtbezirk sollte seine Eigenständigkeit im Karneval behalten, aber weitere Kooperationen sind wünschenswert. Es gibt genug Arbeitsfelder, auf denen Synergien generiert werden können.

Was unterscheidet den Bonner vom Kölner Karneval?
Stockhorst: Nur die Größe. Inhaltlich ist alles gleich. Die Kölner können sich hauptamtliche Kräfte leisten, wir leider noch nicht.

Ihre Kritiker sagen, Marlies Stockhorst führt ein zu strenges Regiment, lässt keine andere Meinung zu. Stimmt das?
Stockhorst: Wer meint, ich würde mich immer im Vorstand durchsetzen, der irrt. Wir diskutieren alle Themen gemeinsam, aber nicht endlos, wir möchten Ergebnisse erzielen. Unsere Entscheidungs- und Umsetzungszeit beträgt nur wenige Monate. Am Ende entscheidet die Mehrheit im Vorstand, zu der ich oft dazugehöre.

Was dürfen die Bonner von der Session 2014/15 erwarten?
Stockhorst: Wir werden wieder versuchen, neue Dinge ins Leben zu rufen. Zum Beispiel möchte ich die Shopping-Touren des Prinzenpaares auf die Ortsteile Ippendorf und Kessenich ausweiten. Bei diesen Veranstaltungen kommt das Prinzenpaar mit sehr vielen Menschen in engen Kontakt. Auch eine Veranstaltung in der Villa Hammerschmidt ist in Planung, wie auch eine Autogrammstunde mit Prinz und Bonna. Mein ganz großer Wunsch wäre eine Vorlesung mit Schwerpunkt Karneval, ähnlich wie die von Konrad Beikircher und Dagmar Hänel im Institut für Archäologie und Kulturanthropologie "Der Rheinländer an sich".

Wie steht es um die Nachwuchsarbeit im Bonner Karneval?
Stockhorst: Es fehlen uns Büttenredner, aber das ist nicht nur ein Bonner Problem. Kinder und Jugendliche zieht es eher in die Tanzcorps der Vereine. Nur wenige sind bereit, als Redner Soloauftritte auf der Bühne zu wagen.

Zur Person

Marlies Stockhorst wurde 1950 in Bonn geboren. Sie wuchs in Endenich auf. Mit ihrem Ehemann Bruno hat sie einen Sohn und eine Tochter. Seit 1991 ist die gelernte Bankkauffrau Präsidentin des Damenkomitees Lustige Bucheckern. Seit 1994 arbeitet sie im Festausschuss Bonner Karneval mit, dessen Präsidentin sie seit 2010 ist. Ihre Hobbys sind Karneval und Theater. Lebensmotto: "De Spass nemme mer ernst."

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