Durch Tanz am Altar die Trauer bewältigen

Felix Grützner tritt in Gottesdiensten und bei Beerdigungen auf. Seine Darbietungen stoßen nicht immer auf Verständnis

  In Bewegung:  Felix Grützner tanzt seit mittlerweile 20 Jahren in Kirchen und Gottesdiensten.

In Bewegung: Felix Grützner tanzt seit mittlerweile 20 Jahren in Kirchen und Gottesdiensten.

Foto: Privat

Bonn. Tanzen in der Kirche, gar bei Trauerfeiern? Bei dieser Vorstellung runzelt manch ein Gläubiger ungläubig die Stirn. Doch genau das tut der Bonner Felix Grützner seit 20 Jahren: Er tanzt am Altar, und dass eben nicht nur bei freudigen Anlässen wie Christmetten, sondern gerade auch an Totengedenktagen wie Allerseelen. So gestaltet der 43-Jährige beispielsweise seit fünf Jahren in einer Kölner Kirche den Allerseelengottesdienst mit.

Und über diesen Kontakt kam der promovierte Kunsthistoriker und ausgebildete Balletttänzer dazu, sich "tänzerisch mit Krankheit, Tod, Trauer und Verlust auseinanderzusetzen". Dabei erlebte Grützner immer wieder: "Es ist die besondere Offenheit der tänzerischen Sprache, die es dem einzelnen Zuschauer ermöglicht, sich innerlich bewegen zu lassen - ohne über die eigenen Empfindungen sprechen zu müssen."

Grützner, der Tanzen und Bewegung nach Jahren der Verlagsarbeit zu seinem Hauptberuf gemacht hat, sieht sich bei seinen Auftritten als "Medium, das Raum schafft für eine innere Bewegung der Zuschauenden, für Gefühle und Anteilnahme jenseits einengender Worte". Deshalb nennt er sich auch "Lebenstänzer", "weil ich in meinen Tänzen den Blick hin zu Hoffnung und Zuversicht öffne".

Bonnern ist der Übungsleiter am Ballettstudio der Universität von Auftritten beispielsweise bei der langen Kirchennacht bekannt, aber auch aus dem Bonner Münster und der evangelischen Trinitatiskirche, wo er auftrat.

Grützners Tänze sind weniger bewegt, als vielmehr bewegend: "Es geht nicht um Virtuosität", erklärt der Mann, der sich im Klassischen Ballett hat ausbilden lassen und zwei Jahre in Rom bei der Compagnia di Danza MAITRI war. Seine Darstellungen seien nah am Ausdruckstanz, die Bewegungen ruhig und reduziert.

In dem wie alle Tänze von ihm selbst choreografierten "Adagiosissimo" von Bach beispielsweise stellt er mit ausdrucksstarken Gesten das Thema "Verlust und Schmerz" dar. Privatleute, die Grützner zu einer Trauerfeier oder sonstigen Veranstaltung engagieren wollen, können mit ihm Musik und tänzerische Elemente zuvor besprechen. Seine Tänze seien nämlich nicht von der Stange.

In Seminaren und Workshops nähert sich Grützner in Gruppenarbeit über Atem- und Körperübungen sowie einfachen tänzerischen Bewegungen den Themen Krankheit, Tod, Trauer und Verlust. "Angesprochen sind Trauernde und Menschen, die nach Verlusterfahrungen und im Sterben anderen zur Seite stehen: Trauerbegleiter und Hospizmitarbeiter", sagt Grützner. Die Reaktionen der Seminarteilnehmer seien ausschließlich positiv. Gottesdienstbesucher äußern sich entweder gar nicht oder aber auch zustimmend.

Vertretern der Amtskirche sind Grützners Darbietungen nicht immer geheuer: "Ein Weihbischof hat einmal gesagt, er wünsche keinen Tanz in seinem Gottesdienst." Der Priester und Organist des Münsters, Professor Wolfgang Bretschneider, der Grützner schon häufiger für Auftritte in der Basilika und deren Kreuzgang engagiert hat, schätzt "seine Fähigkeit, die Botschaft der Musik in Tanz umzusetzen". Gerade durch die verhaltene Bewegung passten seine Darbietungen gut in den Kirchenraum, so Bretschneider.

Pfarrer Joachim Gerhardt von der Lutherkirche kann nachvollziehen, wenn die Verbindung von Tanz und Kirche für manchen schwer vorstellbar ist, dennoch glaubt er, dass Grützners Auftritte für Trauernde eine Hilfe sein können: "Trauer sucht viele Wege der Bewältigung."

Kontakt zu Felix Grützner unter www.lebenstaenzer.de.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort