Blitz-Marathon in Bonn und Rhein-Sieg Die Polizei kontrollierte an den "Wutpunkten" der Bürger

BONN/REGION · Am Dienstag ist der Blitz-Marathon der Polizei in Bonn und dem Rhein-Sieg in die nächste Runde gegangen. In der Region nahmen sich offenbar viele Autofahrer in Acht. Die Messstellenaktion stieß in ganz NRW auf große Resonanz. 15.000 Vorschläge von Bürgern für Messstellen waren insgesamt eingegangen. Am Dienstagabend zog die Polizei in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis eine erste positive Bilanz.

Um kurz vor 7 Uhr herrschte am Dienstagmorgen Im Winkel, einer abschüssigen Nebenstraße durch ein Stieldorfer Wohngebiet, noch idyllische Morgenruhe. Trotz eines Bilderbuch-Sonnenaufgangs waren Autos oder Fußgänger noch weitgehend Fehlanzeige. Doch davon ließen sich vier Polizeibeamte nicht beirren. Während Jürgen Rittersberger und Uwe Draeger das Lasermessgerät einsatzbereit machten, bezogen Fritz Ecke und Gerd Euchler auf der gegenüberliegenden Straßenseite Position: mit der Kelle in der Hand bereit, Autofahrer, die in der Tempo-30-Zone zu schnell unterwegs waren, an die Seite zu winken.

Ecke und seine Kollegen gehörten am Dienstag zu den ersten Messteams der Bonner Polizei, die sich beim zweiten landesweiten Blitzmarathon zu einem Kontrollpunkt aufgemacht hatten. Neu war in diesem Jahr, dass die Bürger der Polizei Vorschläge machen konnten, wo geblitzt werden sollte. Sämtliche Ideen wurden geprüft, 46 standen gestern von 6 bis 22 Uhr auf dem Blitzprogramm der Polizei.

So auch die Straße Im Winkel. Dort war allerdings gegen 7.30 Uhr noch nicht viel passiert. Eine Tatsache, die Rittersberger nicht weiter verwunderte: "Wir haben hier vor rund zwei Jahren schon einmal eine Geschwindigkeitsmessung durchgeführt, die keine auffälligen Verstöße ergeben hatte." Aber das sei eben auch der Sinn der der Patenaktion, sagte Ecke: "Wir wollen überprüfen, ob das subjektive Empfinden der Anlieger mit unseren objektiven Messergebnissen übereinstimmt." Dass das subjektive Gefühl trügen kann, weiß Euchler aus vielen Messungen. So komme es vor, dass man als Anwohner das Herunterschalten des Motors "als laut und oft eben auch das Auto als zu schnell empfindet".

Blitz-Marathon im Juli 2012
23 Bilder

Blitz-Marathon im Juli 2012

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Dass an den der Polizei gemeldeten Geschwindigkeitsverstößen aber definitiv etwas dran ist, bestätige Helmut Schöneseiffen. "Die rasen hier oft wie die Verrückten", sagte der Anwohner: "Da kann man nur noch auf die Seite springen." Viele nutzten die Strecke als Abkürzung zur Grundschule in Stieldorf. "Dadurch spart man eine Ampel."

Wie zur Bestätigung musste Euchler den ersten Autofahrer auf die Seite winken. Der Mann war mit 40 Stundenkilometern statt der erlaubten 30 unterwegs, macht nach Abzug der Toleranz ein Bußgeld von 15 Euro. Wenig später passierten zwei weitere Temposünder, die ähnlich schnell unterwegs waren, die Kontrollstation. Trotzdem kann man laut Ecke nicht von einem auffälligen Aufkommen sprechen.

Davon konnte auch wenig später bei einer Lasermessung an der Königswinterer Straße in Küdinghoven nicht die Rede sein. Innerhalb von einer Stunde wurde ein Autofahrer mit 15 Euro zur Kasse gebeten. Für Ecke ein gutes Zeichen: "Viele waren gewarnt und haben sich vielleicht auch aus der Vergangenheit ein Strafe nach einer Geschwindigkeitsübertretung zu Herzen genommen." Von einem Lerneffekt bekommt Michael Frings, der an der Königswinterer Straße wohnt, allerdings nicht viel mit. Daher hatte er sich bei der Polizei gemeldet: "Im Berufsverkehr geben viele Autofahrer morgens noch mal richtig Gas, um über die Ampel an der Kreuzung Dornenkreuz/Küdinghovener Straße zu kommen. Das ist lebensgefährlich." Schlimm sei die Raserei auch abends, wenn die Ampel ausgeschaltet wird, ergänzte seine Frau Silke.

Die Angst sitzt tief bei Anwohnerin Hedi Rohn-Hochhäuser. Ihr "Wutpunkt" ist identisch mit dem der Frings: die Königswinterer Straße. An der Einmündung mit dem Finkenbergweg - dort, wo die Straße eine leichte Kurve macht - sei es damals passiert. "Ich wollte abends die Straße überqueren." Sie habe zwar gehört, dass sich ein Auto näherte. Gesehen habe sie es aber nicht. Der Fahrer sei viel zu schnell unterwegs gewesen. "Ich habe mich nur durch einen beherzten Sprung über die Straße retten können", sagte Rohn-Hochhäuser, die anschließend mit "zitternden Beinen" da gestanden habe. Der Schreck sei erheblich gewesen - und sei es immer noch. Doch das Problem betrifft nicht nur die 57-Jährige. "Ich wohne seit fünf Jahren hier und weiß auch aus der Nachbarschaft, dass es Probleme gibt." Vor allem für die älteren Menschen sei es schwierig, die Straße gefahrlos zu überqueren. "Ich habe schon länger den Vorsatz, etwas zu unternehmen", sagte die 57-Jährige. Der zweite Blitz-Marathon sei dann der Anstoß gewesen. "Ich finde die Aktion gut. Hoffentlich wird so die Sensibilität der Autofahrer verstärkt." Sie müssten einsehen, dass sie rücksichtsvoller fahren müssen. Dann könnten die Bürger die Königswinterer Straße wieder ohne Probleme überqueren.

Diese Ängste sind es, die die Polizei beheben möchte. "Jeder Verunglückte ist ein Freund, ein Kollege, ein Angehöriger", sagte Jürgen Marten, Leiter der Direktion Verkehr. Verkehrsunfälle brächten viel Leid unter die Menschen. "Wir hatten viele Gespräche mit Bürgern. Man merkt, wie viel Last durch die Raser auf ihnen liegt. Die Leute haben Angst, ihre Kinder aus den Häusern zu lassen", so Marten. Deswegen konnten sie zwei Tage lang ihre Wünsche durchgeben. Insgesamt meldeten sich 631 Bürger bei der Bonner Polizei, die 375 Kontrollstellen vorschlugen. Am häufigsten genannt wurden Röttgener Straße (Bonn), Schieffelingsweg (Hardtberg), Dottendorfer Straße (Bonn), Brüser Damm (Hardtberg), Rathausstraße (Wachtberg), Königswinterer Straße (Ittenbach und Beuel) und Siebengebirgsstraße (Thomasberg). Doch auch die restlichen Wünsche werden berücksichtigt. "Ich verspreche, dass die, die nicht zum Zuge gekommen sind, in unsere Planung aufgenommen werden", so Polizeipräsidentin Ursula Brohl-Sowa.

Ziel des Blitzmarathons sei es letztlich, die Geschwindigkeit auf den Straßen zu reduzieren und so dafür zu sorgen, dass die Zahl der Verkehrstoten und der Verletzten sinkt. Dass die Strategie Erfolg hat, zeigen die Zahlen seit dem ersten Blitzmarathon im Februar: In den ersten fünf Monaten 2011 waren acht Menschen bei Unfällen ums Leben gekommen, in diesem Jahr war es einer. Auch die Zahl der Schwer- und Leichtverletzten ist zurückgegangen: von 940 im Vorjahreszeitraum auf 852.

An diesen Stellen wird geblitzt:

24-Stunden-Blitzmarathon: die Messstellen in Bonn auf einer größeren Karte anzeigen

Die Messstellen sind auf www.24h-Blitz-Marathon.de zu sehen.

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