"Die Jugendlichen suchen den Kick"

Zwei Experten der Bonner Polizei erklären, was Graffiti-Sprüher bewegt - und wie Hauseigentümer und Eltern reagieren sollten

 Graffiti-Experten: Frank-Norbert Gerlach (links) und Lorenz Wüsten.

Graffiti-Experten: Frank-Norbert Gerlach (links) und Lorenz Wüsten.

Foto: Volker Lannert

Bad Godesberg. Sie kennen sich aus: Frank-Norbert Gerlach ist der Leiter des Kriminalkommissariats 45, das seinen Sitz in Bad Godesberg hat und auch Graffiti-Fälle vor Ort bearbeitet. Lorenz Wüsten ist Präventionsspezialist des Kommissariats Vorbeugung. Mit ihnen sprach Benjamin O'Daniel.

General-Anzeiger: In Bad Godesberg gibt es immer wieder Probleme mit gewalttätigen Jugendlichen. Salopp gefragt: Sind es die Schläger, die auch die Wände vollsprühen?

Frank-Norbert Gerlach: Nein, definitiv nicht. Graffiti-Sprüher sind eine ganz andere Szene, zumindest wenn es um das Sprühen von Bildern mit einer künstlerischen Anmutung geht. Sie haben eine gute Schulbildung, sind intelligent und kommen nicht selten aus einem betuchten Elternhaus. Die Szene ist insgesamt recht klein, aber sehr gut vernetzt.

GA: Warum sprüht ein Jugendlicher eigentlich Wände voll?

Lorenz Wüsten: Es geht darum, unter einem Synonym stadtweit berühmt zu werden und gleichzeitig unerkannt zu bleiben. Das funktioniert entweder durch aufwendige Bilder oder - für die künstlerisch weniger Begabten - durch massenhaftes "taggen", also das einfache Sprühen des eigenen Signets. Die Jugendlichen suchen aber auch den Kick, etwas illegales zu machen. Deswegen werden legale Sprühmöglichkeiten oft nicht angenommen.

GA: Wie sollen Hausbesitzer mit einer besprühten Wand umgehen?

Gerlach: Hauseigentümer sollten die Graffitis fotografieren und bei der Polizei Anzeige erstatten, was auch über das Internet möglich ist. Polizeibeamte kommen dann vor Ort und dokumentieren den Fall. Wird ein Sprüher einmal erwischt, kann ihm so gleich eine Reihe von Sachbeschädigungen nachgewiesen werden, weil er immer den selben Schriftzug nutzt. Das Foto dient als Beweis in einer zivilrechtliche Klage.

GA: Was wartet auf einen Graffitisprüher, wenn er erwischt wird?

Gerlach: Strafrechtlich kann einem Wiederholungstäter eine Bewährungsstrafe drohen. Weitaus empfindlicher können die zivilrechtlichen Klagen sein. Pro Quadratmeter besprühte Fläche kommen schnell 200 Euro Reinigungskosten zusammen, wenn ein Profi die Schmiererei entfernen muss. Der Graffitisprüher ist außerdem bis zu 30 Jahre nach seiner Tat haftbar. Auf jeden Fall bleibt vom ersten Gehalt nicht viel übrig.

GA: Was kann präventiv gegen die Schmiererei gemacht werden?

Wüsten: Wir sprechen in Schulen und organisieren größere Aktionen, etwa mit den Stadtwerken. In Gesprächen funktioniert der erhobene Zeigefinger aber selten. Eher schon eine sachliche, wertneutrale Erklärung, was auf die Jugendlichen zukommt. Sie müssen den Eindruck bekommen, es selbst in der Hand zu haben. Oft könnten auch die Eltern des Jugendlichen vorher etwas machen. Sprühen ist ein Hobby, das sich kaum vor der Familie verbergen lässt. Hier könnten die Eltern eine informelle Lösung herbeiführen, bevor es zu großen Problemen kommt.

GA: Interessiert es die Jugendlichen überhaupt, was Sie sagen?

Wüsten: Je jünger die Jugendlichen sind, desto eher haben wir Erfolg. Handelt es sich um ältere, schon erwachsene junge Männer, wird es sehr schwierig, sie noch zu erreichen.

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