"Der Schwerpunkt wird sich verlagern"

Über die zukünftige Entwicklung von Baugebieten in Bonn ist es in dem Gespräch mit Stadtentwicklerin Jeannette Wagner, dem Leiter des Kataster- und Vermessungsamtes, Peter Hawlitzky, und dem Chef des Planungsamtes, Michael Isselmann gegangen.

 Die Stadtplaner von Bonn: (von links) Der Chef des Planungsamtes, Michael Isselmann, Stadtentwicklerin Jeannette Wagner und der Leiter des Kataster- und Vermessungsamtes, Peter Hawlitzky.

Die Stadtplaner von Bonn: (von links) Der Chef des Planungsamtes, Michael Isselmann, Stadtentwicklerin Jeannette Wagner und der Leiter des Kataster- und Vermessungsamtes, Peter Hawlitzky.

Foto: Cem Akalin

Wie viel Baugebiete haben wir denn noch in Bonn?
Peter Hawlitzky: Die einfachen sind weg. So einfach, wie das früher war, ist es ja heute nicht mehr, dass Sie einfach auf der grünen Wiese ein Baugebiet schaffen konnten.

Die Wechselkröte?
Hawlitzky: Ja, der Artenschutz spielt eine große Rolle, und das auch zu Recht.

Michael Isselmann: Die rechtlichen Anforderungen an einen Bebauungsplan sind heute enorm. Aber es ist ja auch richtig, dass man nicht immer weiter die Natur in Anspruch nimmt, ohne ihr etwas zurückzugeben. Daher müssen Ausgleichsflächen geschaffen werden. Aber das alles heißt ja auch nicht, dass Bebauung gänzlich ausgeschlossen ist, sondern, dass es gilt, bestimmte Dinge zu berücksichtigen und die Bebauung diesen Kriterien anzupassen.

Jeannette Wagner: Es ist immer ein Spagat zwischen vielen Interessen: der Natur, den berechtigten Interessen der Nachbarschaft und dem Bedürfnis von Neubürgern nach einem Eigenheim.

Noch mal die Frage: Wie viel Bauland kann Bonn noch zur Verfügung stellen?
Isselmann: Wir kommen an unsere Grenzen. Die größten zusammenhängenden Baugebiete sind jetzt in Planung. Aber für uns Stadtplaner stellen sich andere Fragen.

Nämlich?
Wagner: Die Innenentwicklung steht vor der Außenentwicklung: Das heißt, wir müssen sehen, wo es Verdichtungspotenziale in den Innenräumen der Stadt gibt, um dem Siedlungsdruck gerecht zu werden.

Sie sprechen von Baulücken?
Wagner: Ja, es ist schwierig, große Flächen für Wohnbebauung zu schaffen, gerade wenn es auch zersplitterte Eigentumsverhältnisse gibt.

Isselmann: Die Attraktivität Bonns liegt nicht zuletzt auch an seinem attraktiven Landschaftsraum. Unseren Nachbarn im Rhein-Sieg-Kreis geht es häufig ja nicht anders. Wir müssen uns in Zukunft viel stärker auf das Wohnungsbaupotenzial im Bestand konzentrieren.

Sie meinen, etwa durch den Ausbau von Dachgeschossen?
Isselmann: Wir haben auch die großen Wohnungen im Auge, die von kleinen Haushalten bewohnt sind.

Sie denken zum Beispiel an die Witwe, die alleine auf 150 Quadratmetern lebt?
Isselmann: Zum Beispiel. Wir denken über Modelle nach, wie man ein System schafft, mit dem ich einerseits den Bedürfnissen von Senioren, aber auch von Familien gerechter werden kann. Warum sollte etwa ein Wohnungstausch, um bei Ihrem Beispiel zu bleiben, nicht möglich sein? Die Familie bekommt die große Wohnung, und die alte Dame zieht in ein zentral gelegenes Apartment von 60 oder 70 Quadratmetern, das auch noch seniorengerecht ausgebaut ist.

Zurück zu den Baugebieten: Es gibt doch noch viel freien Raum in der Stadt.
Wagner: Aber auch dieser Freiraum hat seine wichtigen Aufgaben. Nehmen Sie den Klimawandel. Diese grünen Freiräume sorgen dafür, dass vor allem im Sommer das Leben in der Stadt erträglich bleibt. Sie sind für unser Kleinklima von enormer Bedeutung.

Hawlitzky: Und es gibt für uns Tabuzonen. Es wird doch niemand auf die Idee kommen und mitten im Kottenforst eine Neubausiedlung ausweisen. Oder die Venusberghänge, der Ennert - das alles sind Flächen, die von vornherein ausgeschlossen sind als Baugebiete.

Aber auch im Stadtgebiet gibt es Hemmnisse, die die Ausweisung von Baugebieten schwierig machen.
Wagner: Die Immissionsbelastungen. Das stimmt. Die Rheinschiene ist ja vom Bahnlärm besonders betroffen. Da fallen viele Fläche schon mal aufgrund dessen als Siedlungsgebiete aus.

Hawlitzky: Man muss aber auch sagen, dass es praktisch keinen Bebauungsplan gibt, wo der Lärmschutz nicht eine Rolle spielte. Und wir können ja nicht überall einen Lärmschutzwall bauen. Da gilt es dann abzuwägen.

Wagner: Dasselbe gilt ja für den Verkehr. Auch diese Belastung muss berücksichtig werden.

Es sieht also schlecht aus für weitere Wohngebiete?
Wagner: So würde ich das nicht sagen. Der Schwerpunkt wird sich verlagern. Es wird immer mehr auch um Nachverdichtung gehen. Also um die Frage, ob in der einen oder anderen Siedlung aus den 50er oder 60er Jahren nicht noch mehr Wohnraum geschaffen werden kann. Oder auch Industriebrachen muss man sich genau ansehen.

Hawlitzky: Es geht immer mehr um kleinteilige Planungen. Den großen Wurf werden wir nicht mehr haben. Wir werden uns mit kleineren Gebieten zufrieden geben müssen.

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