Interview mit Jochen Homann Der Chef der Bundesnetzagentur zur Energiewende und den Aufgaben der Behörde

BONN · Die Bonner Bundesnetzagentur ist für den Wettbewerb auf den fünf Netzmärkten Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnverkehr verantwortlich. Ihre neueste große Aufgabe ist die Koordination des Stromnetzausbaus in Deutschland für die Energiewende. Mit Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, sprach Julian Stech.

 Seit Monatsbeginn im Amt: Jochen Homann.

Seit Monatsbeginn im Amt: Jochen Homann.

Foto: Privat

Haben Sie schon einmal den Anbieter gewechselt?
Homann: Ja, ich habe bereits einmal den Anbieter gewechselt, also insoweit bin ich vorbildlich und kann nur jedem anderen auch raten, sich nach dem jeweils günstigsten Versorger zu erkundigen.

Was haben Sie da gespart?
Homann: Das weiß ich nicht mehr, das ist schon einige Zeit her.

Viele Menschen ärgern sich trotzdem über steigende Strompreise und immer höhere Rechnungen...
Homann: Ich verstehe das. Auf der anderen Seite gibt es einen großen gesellschaftlichen Konsens, die Energiewende voranzubringen. Wenn man den Bürgern erklärt, wofür sie zahlen, dann steigt auch die Akzeptanz.

Vor kurzem hieß es aus Ihrer Behörde, dass allein durch den für die Energiewende erforderlichen Netzausbau die Strompreise um sieben Prozent steigen...
Homann: Der zusätzliche Netzausbau wird viel Geld kosten und das wird sich in den Stromkosten niederschlagen. Wie sich der Strompreis entwickelt, hängt aber von vielen Faktoren ab. Die Netzkosten sind nur einer davon.

Rechnen Sie beim Netzausbau nicht mit erheblichen lokalen Widerständen, etwa von Bürgerinitiativen?
Homann: Wir werden den Prozess so transparent wie möglich machen, auch frühzeitig mit vielen Begleitveranstaltungen für die Bürger. Niemand soll vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Das wird die Akzeptanz erhöhen.

Wie viele Kilometer Netz müssen denn gebaut werden?
Homann: Wir arbeiten daran mit, dass der Netzausbau vernünftig und zügig erfolgt, auch wenn die Verantwortung natürlich bei den Netzbetreibern bleibt. Wie viele Kilometer das sein werden, ist noch nicht genau klar. 2009 wurden 1800 Kilometer gesetzlich als vordringlicher Bedarf festgestellt. 214 km davon sind fertiggestellt. Insgesamt könnten Schätzungen zufolge bis zum Jahr 2022 ungefähr 4500 Kilometer nötig werden. Bis zum Sommer werden wir mehr Klarheit haben, denn bis dahin müssen die Netzbetreiber ihre Pläne gemeldet haben. Die werden wir dann sehr genau prüfen. Wir schalten übrigens demnächst eine Internetseite, wo sich jeder Bürger informieren kann, wo und wie es vorangeht. Dazu gehört zum Beispiel auch eine Übersichtskarte.

Ist das denn überhaupt innerhalb von zehn Jahren zu schaffen?
Homann: Wir haben dafür das Netzausbaubeschleunigungsgesetz, und jetzt muss sich zeigen, ob es die gewünschte Wirkung entfaltet. Die Netze sind ein Flaschenhals, ein ganz zentrales Thema für die Energiewende.

Aus der Energiebranche heißt es, die Stromnetze seien jetzt schon überlastet...
Homann: Ja, das stimmt, wir kommen jedenfalls an die Grenze. Wir haben im Februar erlebt, dass es eng wurde. Deshalb haben die Netzbetreiber ja auch für zwei Winter Reservekraftwerke gebucht, die im Notfall einspringen.

Alte schmutzige Ölkraftwerke...
Homann: Das sind nicht die allermodernsten Kraftwerke. Umweltpolitisch muss man dahinter sicher ein Fragezeichen setzen. Aber in dieser Situation ist das eben notwendig, um die Versorgungssicherheit im Rahmen des Möglichen zu gewährleisten.

Die Energiewende soll die Stromerzeugung umweltfreundlicher machen. Doch nach der Abschaltung mehrerer Atomkraftwerke liegt jetzt Braunkohle an erster Stelle, bei deren Verbrennung besonders viel Kohlendioxid anfällt...
Homann: Ja, das ist richtig. Die erneuerbaren Energien haben sich aber im Strommix den zweiten Platz erobert. Wobei man berücksichtigen muss, dass Wind und Sonne eben nur zeitweise verfügbar sind. Die Schwankungen sind problematisch, weil erneuerbare Energien Vorrang im Stromnetz genießen und dann zum Ausgleich konventionelle Kraftwerke schnell hoch- und wieder heruntergefahren werden müssen. Beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren gehört die Vorrangregelung früher oder später auf den Prüfstand. Das Problem ist auch, dass die Erneuerbaren nicht nach energiewirtschaftlichen Notwendigkeiten ausgebaut werden. In Norddeutschland gibt es z.B. jede Menge Windkraft, viel mehr, als dort an Strom gebraucht wird. Das muss bundesweit, ja europaweit besser koordiniert werden.

Glauben Sie, dass die Energiewende funktioniert, wenn das letzte Atomkraftwerk 2022 abgeschaltet wird?
Homann: Das Ziel ist sehr ehrgeizig, aber zu schaffen. Vorausgesetzt, dass die Beteiligten tatsächlich an einem Strang ziehen. Netzausbau und Ausbau erneuerbarer Energien müssen zusammenpassen. Das kann auch bedeuten, dass der Ausbau der Erneuerbaren an der einen oder anderen Stelle gebremst werden muss, wenn der Netzausbau nicht nachkommt.

Wie bewältigen Sie die zusätzlichen Aufgaben in der Behörde?
Homann: Für diese Aufgaben haben wir für dieses Jahr über 200 zusätzliche Stellen genehmigt bekommen.

Die Koordination des Stromnetzausbaus haben Sie neu übernommen, sind aber nach wie vor auch für die Telekom- und Postmärkte zuständig...
Homann: Auf dem Telekommunikationsmarkt haben wir gute Erfolge erzielt. Telefonieren ist heute deutlich billiger als noch vor Jahren. Die Zahl der Beschwerden von Verbrauchern über Rufnummernmissbrauch und unerlaubte Werbeanrufe ist im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen, in einigen Bereichen um mehr als die Hälfte. Das zeigt, dass die von uns ergriffenen Maßnahmen wirken. Wir bleiben Anwalt der Verbraucher.

Und der Wettbewerb auf diesen Märkten? Sind sie zufrieden?
Homann: Auf dem Telekommunikationsmarkt haben wir ein gutes Wettbewerbsniveau erreicht. Wir werden das weiterhin überwachen und mit gezielten Maßnahmen in Einzelbereichen weiter verbessern.

Und auf dem Briefmarkt?
Homann: Nach unserer Meinung und nach Meinung der Monopolkommission herrscht hier nicht genug Wettbewerb, der Anteil der Wettbewerber liegt umsatzbezogen nur bei rund zehn Prozent. Im Postgesetz sollen jetzt neue Instrumente eingerichtet werden, unter anderem, dass auch Wettbewerber Missbrauchsverfahren gegen die Deutsche Post anstrengen dürfen und nicht nur die Behörde.

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