Interview mit Andreas Werner Der Bonner Oberarzt war als Geburtshelfer in Nordkorea

BONN · Ein Bonner Gynäkologe und ein Heidelberger Narkosearzt arbeiteten in Nordkoreas größter Entbindungsklinik. Was hat Andreas Werner abseits der Operationssäle in der Hauptstadt Pyöngjang gesehen? Mit dem Bonner Oberarzt sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

 Ständig umringt von koreanischen Kollegen: Andreas Werner im Kreißsaal.

Ständig umringt von koreanischen Kollegen: Andreas Werner im Kreißsaal.

Foto: Privat

Ein deutscher Arzt darf in einem nordkoreanischen Krankenhaus praktizieren: Wie kommt das?
Andreas Werner: Die nordkoreanische Botschaft suchte einen Gynäkologen, der den deutschen Facharzt-Standard eine Woche lang in Pyöngjang darstellen sollte. Sie setzte sich mit unserem Perinatalzentrum des St. Marien-Hospitals in Verbindung. Ich habe medizinische Auslandserfahrung und meldete mich.

Wie sah Ihr medizinischer Einsatz genau aus?
Werner:
Ich leistete mit einem anästhesiologischen Kollegen aus Heidelberg in der Zentralen Entbindungsklinik in Pyöngjang, wo über 20.000 Kinder pro Jahr zur Welt kommen, moderne Geburtshilfe. Meist waren wir von ein bis zwei Dutzend koreanischen Kollegen umringt, die mit großem Interesse jeden einzelnen Vorgang notierten oder zusätzlich ganze Operationen filmten. Außerdem hielten wir medizinische Vorträge.

Gab es vom Fachlichen her Unterschiede zwischen Ihnen und den nordkoreanischen Kollegen?
Werner: Insgesamt liegt das Hauptproblem im mangelnden Wissenstransfer, bedingt durch die nahezu komplette Abschottung des Landes. Die Spinalanästhesie und die sogenannte Walking-PDA waren in Pyöngjang neu. Der sanfte Kaiserschnitt, die schonende Geburtseinleitung sowie Überwachung der spontanen Geburt durch kontinuierliche Herztonaufzeichnung des Kindes waren zumindest kein Standard.

Wie haben Sie zum ersten Mal im Land den nordkoreanischen Alltag erlebt? Sie sagen, es gibt Anzeichen einer Öffnung.
Werner: Vor Antritt der Reise sagte uns das Auswärtige Amt, unsere Reise wäre vor drei Jahren so noch nicht möglich gewesen. Im Hotel berichteten uns europäische Handlungsreisende, wie in Nord- korea scheinbar langsam ökonomische Veränderungen eingeleitet werden. Wir besuchten einen kürzlich neu errichteten Park, in dem sogar religiöse Kulturstätten nachgebaut worden sind, was also nicht mehr ganz dem Bild eines "Steinzeit-Kommunismus" entspricht.

Sie hatten aber immer zwei Begleiter dabei. Auch im Operationssaal?
Werner: Ja. Außerhalb des Hotels war jede Bewegung vorgeplant. Wir wurden auf Schritt und Tritt von zwei Deutsch sprechenden nordkoreanischen Ärzten begleitet. Diese fungierten auch im OP als Übersetzer. Sie waren ausgesprochen freundlich zu uns. Frei in der Stadt bewegen konnten wir uns aber nicht.

Was hat Sie in Pyöngjang am meisten beeindruckt?
Werner: Die U-Bahn-Linien, die nach Moskauer Vorbild sehr tief unter der Erde liegen und auch als Atombunker dienen. Aus früheren Berichten heißt es oft, dass ausländische Besucher immer nur eine Station weit fahren dürfen, weil diese kurze Strecke auch die einzige sei, die funktioniert, und dass an beiden Endpunkten bei genauer Beobachtung die gleichen Statisten zu sehen wären. Dies kann ich nicht ganz bestätigen: Zwar durften auch wir nur eine Haltestelle weiterfahren, aber die Menschen, die dort in die Züge drängten, wirkten authentisch. Die Stationen, die man uns sehen ließ, waren nach Moskauer Vorbild mit bunten Kronleuchtern und Mosaik-Bildern an den Wänden geschmückt. Ob andere weniger repräsentativ sind, können wir nicht sagen.

Was sagt denn Otto Normalverbraucher vor Ort?
Werner: Mit Menschen außerhalb des Krankenhauses sollten wir offensichtlich nicht ins Gespräch kommen. Das Hotelpersonal pflegte vereinzelt Small-Talk mit bescheidenem englischen Wortschatz, aber bei konkreten Fragen etwa nach Stundenlöhnen wurde uns freundlich lächelnd zu verstehen gegeben, dass dies nicht die richtigen Themen seien. Überraschend beim Gespräch mit Medizinstudenten war für mich, dass sie zwischen Russisch und Englisch in der Schule frei wählen konnten.

Aber eine ganz kleine Schere hatten Sie bei den Antworten jetzt doch im Kopf?
Werner: Oh. Schon bei diesem kurzen Einsatz konnten wir Leben retten, und das übertragene medizinische Fachwissen sorgt bereits für eine gewisse Nachhaltigkeit vor Ort. Trotzdem werden weitere Einsätze sinnvoll und nötig sein. Dies sollte man nicht durch unüberlegte Antworten gefährden.

Zur Person:
Andreas Werner (39), verlobt, Medizinstudium in Bonn, über berufliche Stationen in Bottrop, Wuppertal und Baden-Württemberg seit 2011 zurück in Bonn als Oberarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am St.-Marien-Hospital Bonn.

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