Rhein in Flammen Das böse Erwachen nach dem Regen

Bonn · Die Erinnerungen an „Rhein in Flammen“ vor 30 Jahren werden immer von der Tschernobyl-Katastrophe getrübt sein. Am 26. April 1986 explodierte im Lenin-Kernkraftwerk bei Tschernobyl Reaktor 4 bei vollem Betrieb. Und sieben Tage später fand 1600 Kilometer westlich zum ersten Mal nach vielen Jahrzehnten wieder „Rhein in Flammen“ statt.

Unter den Gästen war auch Rita Süssmuth, die als damalige Gesundheitsministerin für „Trimm-Dich“ warb

Unter den Gästen war auch Rita Süssmuth, die als damalige Gesundheitsministerin für „Trimm-Dich“ warb

Foto: privat

Der 3. Mai 1986 bleibt den Besuchern von damals vor allem wegen des Reaktorunfalls in Erinnerung. Und wegen des Regens. Axel Wolf war damals als Techniker an der Bühne im Stadtgarten tätig. Als Ehrenämtler beim Technischen Hilfswerk (THW) hatte aber auch er die Warnhinweise an die Einsatzkräfte mitbekommen: „Die Kollegen wurden angewiesen, mit kompletter Kluft unter die Dusche zu gehen, dann alles auszuziehen, die Wäsche zweimal zu waschen und sich selbst auch ordentlich abzuduschen“, erinnert er sich.

An eine „Zwangsdusche“ für Einsatzkräfte kann sich Jürgen Wehlus nicht erinnern. Wehlus, heute Stadtverordneter und Verbandsangestellter, war 45 Jahre lang bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv – auch am 3. Mai 1986. Der damals 34-Jährige war auf der Wiese des „Collegium Albertinum“ am Brassertufer, Ecke Erste Fährgasse eingesetzt. Er sollte mit seinen Kollegen ein Bengalfeuer zünden. Die Männer warteten auf das Signalzeichen, eine Leuchtpatrone, abgeschossen vom Schiff der Wasserschutzpolizei, das an der Spitze des Schiffskonvois fuhr.

„Es war ein wunderschöner Mai-Samstag“, erinnert sich Bettina Neusser von der GA-Verlegerfamilie. Überall am Rheinufer waren Stände aufgestellt. Den ganzen Tag über herrschte reges Treiben. „Auf das Feuerwerk hatten wir von meinem Balkon aus einen wunderbaren Blick. Das war ein traumhaftes Lichterspektakel, vor allem mit diesem wunderschönen Goldregen, der von der Kennedybrücke aus in den Rhein floss“, so Bettina Neusser. Und dann begann es zu regnen. Ihre Gäste und sie seien jedoch verschont geblieben, sie hätten unter der Markise gesessen.

Es waren richtige Wassermassen, die am Abend herunterkamen, erinnert sich Wehlus noch: „Meine Schirmmütze hielt dem Regen nicht mehr stand, sodass langsam auch meine Haare durchnässt waren.“

Am schlimmsten hatte der Feuerwehrmann die Enge in Erinnerung. „Es gab kein Durchkommen. Wir haben auf der Rückfahrt dreieinhalb Stunden für einen Weg von zehn Minuten gebraucht“, so Wehlus. Die Entscheidung, das Großereignis, zu dem damals schon 300 000 Menschen gekommen waren, in die Rheinaue zu verlegen, „war optimal. So eine Veranstaltung in einem so engen Bereich ohne Fluchtwege kann man nicht durchführen.“

„1986 war ich noch Student “im Endspurt„ in Bonn“, erzählt Rudolf Mueller. „Die Katastrophe von Tschernobyl hatte wenige Tage zuvor Unruhe geschaffen, und so war dieses positive Ereignis durchaus eine willkommene Abwechslung. Es gab auch Warnungen, dass mit dem ersten Regen seit einer Woche vielleicht belasteter Staub diesen ersten Regen verunreinigen könnte – aber eigentlich wollte davon niemand wirklich viel wissen.“ Als angehender Geologe und Physiker sei er aber „durchaus interessiert an diesem Fall-Out“ gewesen. Als der strömende Regen dann einsetzte, habe er kleine Proben vom nassen Bodenschlamm genommen und tatsächlich „ein deutlich erhöhtes Ticken“ vom Geigerzähler vernommen. „Es ist lange her, und leider habe ich diese Proben heute nicht mehr. Heute nehme ich an, dass hauptsächlich aktive Kohlenstoffisotope diesen Ausschlag verursacht hatten – die Gefahr also wirklich gering war“, meint er heute.

GA-Leser haben ihre Erinnerungen mit uns geteilt:

Thomas Jeske, 22: „Meine Eltern, Klaus und Gabi, sind damals abends während Rhein in Flammen zusammengekommen, als mein Vater, damals Mitglied der freiwilligen Feuerwehr Bad Godesberg, bei Beginn des vermeintlich gefährlichen Tschernobyl-Regens meiner Mutter seine Feuerwehrjacke überhielt.“

Monika und Dirk Weber: „Mein Mann und ich hatten unsere damals zweijährige Tochter im Kinderwagen dabei und standen am Brassertufer, um das Feuerwerk anzusehen. Wir denken nur ungern an diesen Tag zurück, da wir mitten in den Tschernobyl-Regen gerieten, der nachts losging. Lange hatten wir Ängste, dass uns oder unserem Kind dauerhafter Schaden zugefügt worden sein könnte. Zum Glück sind wir alle gesund geblieben.“

Christian Olligschlaeger: „In Sekundenschnelle waren wir bis auf die Haut durchnässt. Zum Glück war das Regenwasser relativ warm. Am besten war, ich glaube Mittwoch, die Aussage vom damaligen Innenminister. Sinngemäß hieß es: Ja, der Regen von Samstag war radioaktiv. Man solle doch die Kleidung zum Auslüften und Trocknen nach draußen hängen. Ich arbeitete damals bei Interatom in Bensberg und hatte ein „bisschen“ Ahnung vom Thema und habe mich geschüttelt über die Ahnungslosigkeit unserer Politiker.“

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