Leere Läden, volle Caféterrassen So läuft das öffentliche Bonner Leben mit dem Coronavirus

Bonn · Das Geschäft in der Innenstadt läuft am Samstag wegen Corona nur schleppend an. Am Sonntag genießen besonders viele Spaziergänger die Sonne auf den Außenterrassen. Bei den Katholiken fallen die Messen aus

 Im Nyx finden sich nur noch wenige Nachtschwärmer

Im Nyx finden sich nur noch wenige Nachtschwärmer

Foto: Benjamin Westhoff

Sonntagmorgen: Vor der katholischen Kirche Sankt Maria Magdalena in Endenich steht Pfarrer Alfons Adelkamp und blinzelt in die Sonne. Das Erzbistum hat am Abend zuvor angeordnet, alle Gottesdienste und kirchliche Veranstaltungen der katholischen Kirche abzusagen. Obwohl die Glocken nicht geläutet haben, kommen doch mehr als 20 Gläubige zur Kirche. „Die Kommunisten haben es nie geschafft, Gottesdienste zu verhindern. Das schafft jetzt leider das Virus“, sagt der Geistliche mit trauriger Miene.

Um die wenigen Gläubigen nicht zu enttäuschen, lässt er sie in die Turmkapelle hinter dem Haupteingang hinein. Sie sollen sich weit auseinandersetzen, sagt er. Einige bleiben lieber draußen stehen. Adelkamp hält vom meterweit weg gelegenen Altar ein kurze Messe. „Kirchen sind doch der Ort, wo die Menschen Zuflucht und Trost finden“, sagt er. Dann wünscht er allen Gesundheit und geht nachdenklich ins Pfarrhaus. Derweil findet in der benachbarten evangelischen Trinitatiskirchengemeinde der Sonntagsgottesdienst noch statt. Ebenfalls mit weit auseinandergestellten Stühlen. Es ist der vorerst letzte. Denn am Mittag sagt auch der Evangelische Kirchenkreis Bonn bis auf Weiteres alle Veranstaltungen und Gottesdienste ab.

Cafés und Restaurants noch geöffnet

Wie lange die Bonner noch in Cafés und Restaurant gehen können, ist offen. Bars und Diskotheken müssen auf jeden Fall neben fast allen anderen Freizeiteinrichtungen laut neuem Landeserlass von Sonntagnachmittag schließen. Zu dem Zeitpunkt sind die Außenterrassen der Cafés in der Bonner Innenstadt gut besetzt. Die Menschen genießen die ersten warmen Sonnenstrahlen nach langer Zeit.

Am Samstag sieht die Lage noch anders aus: Wo normalerweise Menschenmassen sich durch die Sternstraße schieben, laufen nur wenige an den Geschäften vorbei. Die meisten Läden sind leer. Verkäuferinnen stehen in den Boutiquen und langweilen sich. „Heute ist hier echt nichts los“, sagte eine von ihnen, „die haben wohl alle Angst, sich anzustecken“. Die Verkäuferin schaut auf ihre lackierten Nägel und meint: „Das ist doch alles Hysterie“.

Katharina Schnelle und ihre Kollegin Sonja Andres sehen das anders. Die beiden Konditorfachverkäuferinnen arbeiten in einem Süßwarenladen und achten noch mehr als üblich auf Hygiene. Nach wie vor stehen Süßigkeiten zum Probieren an der Kasse. Sie dürfen nur mit einer Pinzette entnommen werden. Sobald jemand sichtlich erkältet davor steht, entsorgen die beiden Frauen den Inhalt der Schale. Sie verstehen die Sorge der Behörden, dass das Gesundheitssystem angesichts der Pandemie schnell überlastet sein könnte. „Aber wir können ja nichts ändern“, sagt Schnelle. „Außer uns unseren Humor zu bewahren.“

Lange Schlange in der Apotheke

 In der Apotheke am Münsterplatz hat sich eine lange Schlange gebildet. Dabei sind auch dort die gegen Viren geeigneten Atemschutzmasken und Handdesinfektionsmittel längst vergriffen. Auch in der Apotheke im Knauber-Markt in der Weststadt herrscht Hochbetrieb. „Fieberthermometer, Schmerzmittel und alles gegen grippale Infekte sind gefragt“, sagt Inhaberin Damorena Grigore.

Offensichtlich hat die Anordnung zur Schließung aller Schulen und Kitas die Menschen zusätzlich aufgeschreckt. Nahezu alle Mitarbeiter hat Grigore an Bord, sie alle kommen kaum zum Luftholen. Als eine Kundin Kuchen für die Belegschaft und deren Nerven vorbeibringt, ist sie freudig überrascht. Solidarität ist das Gebot der Stunde. Doch nicht alle denken so.

An der Karlstraße kommen die Mitarbeiter des Edeka- und Drogeriemarktes ins Schwitzen. Verena Pohl wollte eigentlich nur noch schnell Milch, Eier und Brot holen. Jetzt steht sie an der Kasse und muss sich in Geduld üben. „Schauen Sie mal hinten im Nudelregal nach, das ist wie leergefegt. Schon wieder“, sagt sie. Die Mutter von zwei Kindern ärgert sich, dass manche Menschen glaubten, sie müssten sich „bis zur Halskrause mit Lebensmitteln eindecken. Die verbreiten doch Endzeitstimmung.“

Am Nachmittag füllt sich die City

Am Nachmittag füllt sich die City doch. Viele Kunden drängeln sich in einem Schuhgeschäft an der Sternstraße, wo man auf aktuelle Modelle 20 Prozent bekommt. Unter dem Hinweisschild steht noch „Alles wird gut“ mit einem lachenden Smiley daneben. Eine 21-Jährige stöbert in den Schuhregalen. Keine Angst vor Corona? Sie habe wenig Sorge, krank zu werden, sagt sie und wirkt dabei verlegen. Schließungen und Absagen findet sie aber in Ordnung.

Am Samstagabend laufen in der Harmonie die Aufnahmen für ein Livekonzert beim Crossroads-Festival des WDR. Ohne Publikum. Der Gastraum ist geöffnet, wer will, kann das Konzert auf den Monitoren mitverfolgen. Nur 15 Gäste nutzen das Angebot. „Wer weiß, womöglich müssen wir ja bald auch noch das Restaurant schließen“, sagt der Barkeeper.

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