"100 Köpfe: Wir sind Bonn" Christa Müller: Forschung an Parkinson und Alzheimer

BONN · Die Vielfalt der Bundesstadt zeigt sich, egal wo man hinkommt. Am Uni-Campus Endenich zum Beispiel. Die Sonne scheint durchs grüne Laub des Immenburgparks, im Versuchsgarten nebenan reifen die Äpfel. Leider dröhnt direkt nebenan auch die Autobahn, und das klotzige Gebäude des Pharmazeutischen Instituts ist architektonisch nicht wirklich der Bringer.

 Eine weltweit anerkannte Kapazität: Professorin Christa Müller im Labor.

Eine weltweit anerkannte Kapazität: Professorin Christa Müller im Labor.

Foto: Barbara Frommann

Aber echte Wissenschaft schaut nicht auf Verpackung, sondern auf Inhalt: Im fünften Obergeschoss der Schuhschachtel lehrt und forscht Professorin Christa Müller, Leiterin des Fachbereichs Pharmazeutische Chemie I der Uni Bonn. Sie ist eine weltweit anerkannte Kapazität in ihrem Fach - und kam (eine fast rheinische Fügung) doch mehr durch Zufall zur Pharmazie.

Christa Müller wurde 1960 in Rottweil geboren und studierte ab 1979 in Tübingen. Welche Disziplin sie am meisten interessierte, war ihr damals selbst noch nicht klar - zumal ihr fast alles Spaß machte, von der Mathematik über die Chemie bis hin zur Musik. "Mein absolutes Lieblingsfach war immer Deutsch", erinnert sie sich: "Eigentlich wollte ich Schriftstellerin werden." Auch Medizin hätte sich angeboten - "aber ich dachte: Ich kann keinem Menschen wehtun, Injektionen setzen oder so".

An der Neckar-Uni schrieb Müller sich für Pädagogik und Völkerkunde ein, dazu kam Rhetorik beim legendären Walter Jens. Noch immer stand aber der Traumberuf Schriftsteller im Raum; um dafür finanziell unabhängig zu sein, entschied sie sich für den "Brotberuf" des Apothekers und wollte also Pharmazie als zusätzliches Fach belegen. "Leider war der Professor von der alten Schule und sagte: Pharmazie studiert man entweder ganz oder gar nicht. Also bin ich ganz zur Pharmazie gewechselt."

Sie hat es nicht bereut. "Wenn man sich wirklich mit etwas beschäftigt, wird es immer interessanter." Seit 1985 ist Müller "Approbierter Apotheker", berichtet sie mit Augenzwinkern. Nicht etwa "Apothekerin": Frauen waren in diesem Metier nicht vorgesehen. Gegen solch veraltetes Denken hat die Forscherin deutliche Akzente gesetzt: Nach ihrer Promotion 1988 wirkte sie an den US-"Institutes of Health" bei Washington, habilitierte sich 1994, wurde Professorin in Würzburg und wechselte 1998 nach Bonn - als erste Frau auf einer C4-Professur ihres Faches bundesweit.

Eines ihrer Spezialgebiete ist die Frage, wie Koffein und verwandte Substanzen auf bestimmte Rezeptoren im Gehirn wirken - Grundlagenforschung, die vielversprechende Ansätze für den Kampf gegen Parkinson und Alzheimer bietet. Nicht nur deshalb ist sie (gemeinsam mit ihrem Kollegen Professor Alexander Pfeifer) Sprecherin des Projekts "Neuroallianz", in dem Universitäten und Pharmafirmen gemeinsam an solchen Krankheiten forschen - die einen liefern die Wissenschaft, die anderen die teure Technik und das Know-how, wie man Medikamente bis zur Marktreife entwickelt. Müller hat das "Pharmazentrum Bonn" mitbegründet; ihr Name steht auf mehr als 300 wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Patenten.

An der Universität Bonn fühlt die Forscherin sich sehr wohl. "Wir sind sehr gut ausgestattet und sehr gut vernetzt. Wir haben Kooperationspartner weltweit. Forschung auf unserem Gebiet ist eine internationale Angelegenheit." Auch Bonn als Stadt hat sie liebgewonnen: "Ich habe mir einen Traum erfüllt und wohne in einem alten Haus Baujahr 1899." Das liegt am Rheinufer in der Nähe des Museums Koenig - "ich sage immer: Ich bin die direkte Nachbarin des Bundespräsidenten."

In ihrer knapp bemessenen Freizeit fährt sie Fahrrad und liest viel (so ziemlich alles - ihre Lektüre reicht von englischsprachiger Weltliteratur bis zu den humorvollen Romanen des Österreichers Wolf Haas). Außerdem tanzt sie gern: Salsa, Tango, auch den weniger bekannten "Zouk". Wenn sie die Zeit hätte, würde sie gerne "für zwei Monate nach Buenos Aires gehen und den Tango Argentino richtig lernen". Und wenn der Wissenschaftsbetrieb sie irgendwann anderswohin beruft? "Wenn ich irgendetwas ganz, ganz Tolles angeboten bekäme, würde ich gehen. Aber es würde mir sehr, sehr schwerfallen."

Typisch bönnsch - Das sagt Christa Müller über Bonn:

An Bonn gefällt mir die Größe: nicht zu groß und nicht zu klein. Man hat alle Vorteile der Großstadt und kommt trotzdem mit dem Fahrrad überall hin.

An Bonn vermisse ich relativ wenig. Was natürlich im Hintergrund immer stört, ist die finanzielle Schieflage - dass alles runtergefahren wird.

Mein Lieblingsplatz ist eine Plattform am Beueler Rheinufer, wo ich mich freitags mit meinen Freunden treffe und wir Salsa tanzen.Typisch bönnsch ist die Eloquenz der Leute. Jeder Handwerker kann aus dem Stegreif eine Rede halten! Und natürlich der Pragmatismus - man findet für alles eine rheinische Lösung.

GA-Serie (Folge 85)

Eine Stadt ist so vielfältig wie die Gesichter der Menschen, die hier wohnen und arbeiten, lernen und kreativ sind. Es gibt Erfolgsgeschichten, Liebesgeschichten, Lebensgeschichten oder Alltagsgeschichten. In der Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" porträtieren wir jeweils eine/n Bonner/in.

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