Bürgerstiftung Rheinviertel: Ein Veedel packt an und hält zusammen

Das Seelenleben des Rheinviertels pulsiert wie es sich manche Traditionsecke nur wünschen könnte. Eine Stiftung hat daran regen Anteil: Die Bürgerstiftung Rheinviertel. Sie feiert in diesen Tagen ihr fünfjähriges Bestehen.

Bürgerstiftung Rheinviertel: Ein Veedel packt an und hält zusammen
Foto: GA-Archiv/Ronald Friese

Bad Godesberg. Im kölschen Wort "Veedel" steckt mehr drin als Stadtteil. Ein Veedel besteht nicht nur aus Straßen und Häusern. Es hat eine Seele, die über Jahrhunderte gewachsen ist. Wenn Pfarrer Wolfgang Picken von seinem "Veedel", dem Rheinviertel, spricht, dann meint er ein Gebiet, das erst ein paar Jahre alt ist - zumindest dem Namen nach.

Das Seelenleben seines Veedels allerdings pulsiert wie es sich manche Traditionsecke nur wünschen könnte. Eine Stiftung hat daran regen Anteil: Die Bürgerstiftung Rheinviertel. Sie feiert in diesen Tagen ihr fünfjähriges Bestehen.

Einst aus einer Notsituation gestartet, hat die Stiftung mittlerweile mehrere Preise abgeräumt - für ihre Hospizarbeit in Altenheimen zum Beispiel. Oder für ein Kindergartennetzwerk. Mittlerweile engagieren sich 1 200 Bürger ehrenamtlich für die Stiftung, für ihr Viertel. "Das sich alles so entwickelt, hätten wir nie gedacht", sagt Pfarrer Picken, der zugleich Vorsitzender der Stiftung ist.

Die StiftungDie Bürgerstiftung Rheinviertel ist unter anderem Träger von drei Kindergärten, eines Jugendzentrums, zwei integrierten und einem ambulanten Hospiz und eines Mausoleums. Für die Stiftung arbeiten rund 50 Angestellte.

Die jährlichen Ausgaben liegen insgesamt bei 350 000 Euro, sie werden über Spendenaktionen und wirtschaftliche Erträge ausgeglichen. 1 200 Rheinviertel-Bürger engagieren sich ehrenamtlich in der Stiftung.

Die Bürgerstiftung hat ihr Herz in der katholischen Kirchengemeinde namens "St. Andreas und Evergislus im Bad Godesberger Rheinviertel" - mehrere Pfarrgemeinden, die aus Spargründen zusammengeworfen wurden - wie so viele Gemeinden im Erzbistum Köln. Während des Fusionsprozesses entstand die Stiftung.

"Es ging uns darum, eine neue Identität zu schaffen und die Bürgerinteressen zu organisieren", sagt der charismatische Pfarrer, der 2004 nach Bad Godesberg kam. Das hieß zu Beginn vor allem, die zwei Kindergärten St. Andreas und Heilig Kreuz zu retten, die von der Schließung bedroht waren.

Innerhalb eines halben Jahres hatten der Pfarrer und seine Helfer genug Geld zusammen. Und Helfer gibt es einige. Im Rheinviertel, das aus aus den nördlichen Godesberger Stadtteilen in direkter Rheinlage besteht, leben viele gebildete und gut situierte Bürger. Im Kuratorium sitzen Vorstandsvorsitzende großer Unternehmen, ehemalige Minister, bekannte Richter. Längst ist die Stiftung über Bad Godesberg hinaus bekannt.

210 000 Euro kamen allein im vergangenen Jahr durch Sponsoren und Spenden zusammen - Geld, das die Stiftung für ihre vielen Projekte braucht. Geld, das nicht nur von Großkonzernen stammt, betont Picken. "Solche Unternehmen haben sehr strenge Richtlinien. Unsere Stiftung lebt vor allem durch viele kleine Spenden und Einnahmen aus Aktionen, die unsere ehrenamtlichen Helfer organisieren."

Zum Beispiel fließen Eintrittsgelder aus Konzerten in die Kasse. Organisiert werden die Veranstaltungen von ehrenamtlichen Teams, die sich für solche Projekte zusammentun. Die Stiftung spart aber auch jede Menge Geld, weil viele Freiwillig mit anpacken. Zum Beispiel haben sie alte Gemeindehäuser zu Klöstern umgebaut. Vier neue Orden haben sich um die Gemeinde angesiedelt; die Schwestern arbeiten vor allem in der Altenhilfe.

Etwa 80 andere Stiftungen seien nach der Vorlage der Bürgerstiftung in Deutschland gegründet worden, sagt der Pfarrer "Das Modell ist in jedem Viertel möglich", ist er überzeugt und berichtet von einem Pfarrer aus einem Kölner Problemviertel. Der Kölner Pfarrer hat sich vor einigen Wochen über eine lokale Blumenfirma unzählige Tulpen besorgt - und mit Helfern die verdreckten Straßenbeete innerhalb eines Tages in ein Frühlingsmeer verwandelt.

Zum Schluss sagt der Pfarrer ein Wort, das - wie das Wort Rheinviertel - auch erst seit einigen Jahren in der Welt ist. Picken spricht von der "Community", englisch für Gemeinschaft. Eine lokales Wir-Gefühl quer durch alle Altersklassen. Menschen, die sich kennen und sich helfen - das ist der Fixpunkt des Rheinviertel-Pfarrers. Wenn er und seine Helfer so weitermachen, wird das Leben im jungen Veedel noch lange pulsieren.

Kurz gefragtAriane Jourdant ist seit April Ehrenamtskoordinatorin der Bürgerstiftung Rheinviertel - eine neu geschaffene Stelle, die es vorher noch nicht gegeben hat. Die studierte Betriebswirtin und dreifache Mutter hat zuvor zehn Jahre für eine Unternehmensberatung gearbeitet. Mit der 39-Jährigen sprach Benjamin O'Daniel.

Was haben Sie sich für die erste Zeit vorgenommen?

Ariane Jourdant: Die Bürgerstiftung hat sehr gute Projekte im Jugend- und Familienbereich und in der Altenpflege. Dazwischen ist eine Lücke im Bereich der Menschen ab 55 Jahre aufwärts. Diese Generation hat sehr viel Erfahrung, Talente und Fähigkeiten und möchte sich auch ehrenamtlich engagieren.

Und wie möchten Sie diese Generation für die Bürgerstiftung gewinnen?

Jourdant: Viele wollen sich engagieren, wissen aber nicht genau auf welche Weise. Außerdem hat jeder seine eigenen Vorstellungen und Kompetenzen. Zum Beispiel möchten viele in Projekten und in Teams arbeiten. Über eine Datenbank wollen wir später für jeden etwas Passendes finden. Außerdem werden wir Qualifizierungsmaßnahmen anbieten, so dass sich jeder Ehrenamtliche fachlich weiterentwickeln kann.

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