Botschafter gingen, die Kunden blieben

Als die Diplomaten Bad Godesberg verließen, fürchteten viele Kaufleute den wirtschaftlichen Ruin. Die Pleitewelle blieb jedoch aus. Mancher macht heute sogar bessere Geschäfte als zu Hauptstadt-Zeiten.

Botschafter gingen, die Kunden blieben
Foto: Ronald Friese

Bad Godesberg. Als die Diplomaten Bad Godesberg verließen, fürchteten viele Kaufleute den wirtschaftlichen Ruin. Die Pleitewelle blieb jedoch aus. Mancher macht heute sogar bessere Geschäfte als zu Hauptstadt-Zeiten.

Wer in Godesberg shoppen geht, hat die Qual der Wahl. Auf der Koblenzer Straße preisen Läden die "Handyflat für nur 25 Euro im Monat" und werben für "Super-Angebote" wie "eine Woche Türkei für 450 Euro" und das "Steakbuffet für schlappe 11,90 Euro". Einige Schritte weiter in der Bonner Straße sehen die Werbeslogans anders aus. Dort reihen sich arabische Schriftzeichen aneinander. Vielleicht bedeuten auch sie "Handyflat" oder "Super Angebot". Die meisten Godesberger können darüber nur rätseln.

Manchen sind die Läden ein Dorn im Auge. Sie bezeichnen die Straße als "Bagdadallee" und machen einen Bogen darum. In ihren Augen nahm die Zuwanderung aus arabischen Ländern erst zu, als die Diplomaten der Stadt ab 1999 den Rücken zuwandten.

Damit ging ein wirtschaftlicher Niedergang einher - so zumindest die Wahrnehmung mancher Godesberger. Die Realität sehe aber ganz anders aus, hat Brigitte Grüll vom Verein Bad Godesberg Stadtmarketing beobachtet. Grüll sagt: "Den Kaufleuten geht es heute genauso wie zu Diplomaten-Zeiten."

Das Konzept der Serie Zusammen mit Studenten der Kölner Journalistenschule haben wir eine 15-teilige Serie zu dem "Bad" in Bad Godesberg konzipiert. Der heutige Teil (10) beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Berlin-Umzugs auf Hotellerie, Gastronomie, Kaufkraft und Einzelhandel. Im nächsten Teil (11) geht es um die Ausgleichsgelder des Bundes und was damit in Bad Godesberg bewirkt wurde.Manchen geht es sogar besser. Zum Beispiel Fritz Dreesen, dem Besitzer des Rheinhotels Dreesen. Früher organisierte er für die Diplomaten Empfänge mit 200 Gästen, zu denen vorwiegend Ministerial- und Verwaltungsbeamte eingeladen wurden. Es gab spezielle Drinks aus dem Gastgeberland und kleine Häppchen.

"Jeder wollte sein Land möglichst elegant repräsentieren", sagt Dreesen. Schon damals war Godesberg ein Multikulti-Stadtteil.

Als die Diplomaten wegzogen, veränderte Dreesen sein Hotel, um neue Gäste anzulocken. Das ist ihm gelungen: Heute tagen bei ihm die großen Unternehmen Bonns. Er nennt sie die "Telekoms der Stadt". Sie wollen keine ausgefallenen Drinks, sondern Internetzugang, Beamer, Mikrofone und dass der Kaffee pünktlich serviert wird. Vom Hotelpersonal erwarten sie höchste Diskretion - schließlich geht es um das große Geschäft.

Von diesem Geschäft profitiert Dreesen: Die Empfänge der Diplomaten waren nach zwei Stunden vorbei, die Geschäftsleute bleiben oft mehrere Tage. Dem Hotelier geht es nach eigenen Worten heute deswegen sogar noch besser als zu den Zeiten, als Bonn noch Hauptstadt war.

Zugegeben: Nur wenige Godesberger können solch eine Erfolgsgeschichte erzählen. Aber auch die Pleitewelle, die viele beim Weggang der Diplomaten prophezeit hatten, ist ausgeblieben. Brigitte Grüll räumt zwar ein, dass einige Geschäfte inzwischen geschlossen seien. "Aber das kann man nicht auf den Wegzug der Botschafter zurückführen", sagt die Vorsitzende des Vereins Bad Godesberg Stadtmarketing.

Den Einzelhändlern hat geholfen, dass die Diplomaten und ihre Familien in Schüben gingen. Rund 6000 von ihnen lebten in Bad Godesberg, bevor die ersten 1999 das Rheinland verließen. Die letzten zogen erst zehn Jahre später nach Berlin. So konnten sich die Godesberger an die neue Situation gewöhnen. Zudem zogen wohlhabende Geschäftsleute in die Villen der Diplomaten ein und verhinderten somit, dass die Kaufkraft sank.

Von den wohlhabenden Geschäftsleuten profitieren die Godesberger Geschäfte sogar mehr als von den Diplomaten. Denn obwohl die Amtsträger jahrzehntelang in Bad Godesberg wohnten, spielten sie nur eine geringe Rolle für den Einzelhandel, weil sie in speziellen Läden steuerlich begünstigte Waren erwerben konnten. In den Godesberger Läden hätten lediglich deren Angestellte und Mitarbeiter eingekauft, sagt Juppi Schaefer.

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