Bonns Stadtkämmerer will vorerst keine höheren Steuern

Die Bezirksregierung Köln hat den Bonner Haushalt 2010 genehmigt, die Stadt aber ermahnt, ihre Sparbemühungen zu verstärken. In Kürze beginnt der Stadtrat mit der Beratung des Doppelhaushalts 2011/12. Mit Stadtkämmerer Ludger Sander (CDU) sprachen Andreas Baumann und Lisa Inhoffen.

General-Anzeiger: Sie jonglieren täglich mit Millionen. Wissen Sie eigentlich immer, wie viel Geld Sie im eigenen Portemonnaie haben?

Ludger Sander: Nein, meistens habe ich nur wenig Bargeld dabei. Aktuell sind es wohl um die 35 Euro. Das weiß ich, weil ich erst gestern einen 50 Euro-Schein angebrochen habe.

GA: Und wie viel Geld, besser gefragt Schulden hat aktuell die Stadt Bonn?

Sander: Der Schuldenstand liegt bei rund 1,3 Milliarden Euro. Die Kassenkredite mit eingerechnet. Das macht eine Pro-Kopf-Verschuldung von derzeit 4 071 Euro.

GA: Wie hoch sind die Kassenkredite, die Kontoüberziehungen?

Sander: Diese liegen derzeit bei 400 Millionen Euro.

GA: Warum müssen Sie das Konto überziehen?

Sander: Die Stadt benötigt das Geld, weil die Erträge nicht ausreichen, die Aufwendungen zu decken. Deswegen muss sie - um laufende Kosten zu finanzieren, etwa für Gehälter, Strom- und Wasserkosten und Sozialhilfe - täglich die Liquiditätslücke über Kassenkredite schließen.

GA: Wie kommt es zu dem hohen Schuldenberg?

NothaushaltSicherungskonzept und Nothaushalt. Der Finanzhaushalt einer Stadt muss ausgeglichen sein. Gelingt der Ausgleich nur noch dadurch, dass die Stadt formal zu viel "Eigenkapital" einsetzt, in Wirklichkeit aber neue Schulden macht, muss sie ein Haushaltssicherungskonzept (HSK) aufstellen. Daraus muss sichtbar werden, wie die Stadt in spätestens fünf Jahren wieder den Haushaltsausgleich herstellt. Die Bezirksregierung Köln muss als Aufsichtsbehörde das HSK genehmigen. Falls sie das nicht tut, landet die Kommune im Nothaushaltsrecht. Die möglichen Folgen: Die Kommune muss freiwillige Leistungen reduzieren oder einstellen sowie Steuern, Gebühren und Beiträge erhöhen. (WH)

Sander: Wie gesagt, die Erträge reichen schon lange nicht mehr aus, um die Leistungen der Stadt zu finanzieren. Außerdem sind die Kommunen nicht mehr in der Lage, die dynamische Entwicklung der Ausgaben vor allem im Sozial- und Jugendbereich alleine zu finanzieren. Das betrifft nicht nur Bonn. Das Gesamtfinanzierungssystem und der gesamte Aufgabenbereich der Kommunen gehören auf den Prüfstand, weil kaum noch eine Kommune in der Lage ist, ihren Haushalt auszugleichen. In NRW liegen die kommunalen Kassenkredite bei 19,5 Milliarden Euro. Das ist die Hälfte aller kommunalen Kassenkredite in Deutschland.

GA: Mit der Situation befasst sich zurzeit eine Kommission zur Gemeindefinanzierungsreform. Wie muss sie aussehen?

Sander: Auf keinen Fall darf die Gewerbesteuer abgeschafft werden. Sie ist eine der Haupteinnahmenquellen für die Kommunen. Ich habe dafür im aktuellen Haushalt 162 Millionen Euro angesetzt. Sie muss erhalten und ausgebaut werden. Es sollten auch die freien Berufe einbezogen werden. Ein wichtiger Punkt ist die stetige Zunahme an Aufgaben, die Bund und Länder den Kommunen übertragen - vor allem im sozialen Bereich. Hier muss das Konnexitätsprinzip - "wer die Musik bestellt, der muss sie auch bezahlen." - stringent angewendet werden.

GA: Was sind für den Bonner Haushalt die größten Risikofaktoren?

Haushaltsbeschlüsse 2010##ULIST##

Grundsteuer B undGewerbesteuer: Laut dem Beschluss des Stadtrats vom 8. Juli werden die Grundsteuer B um30 und die Gewerbesteuer um zehn Prozentpunkte rückwirkend zum 1. Januar erhöht. Die Erhöhung

der Grundsteuer soll der Stadt bis einschließlich 2013 ein Plus von 15 Millionen Euro einbringen,

die Gewerbesteuer rund 14Millionen.

  • Zweitwohnungssteuer: Sie wird zum 1. Januar '11 eingeführt. Mittelfristig sollen dadurch mehr als vier Millionen Euro in die Stadtkasse fließen. Der Hauptanteil wird sich mittelfristig aus den höheren Schlüsselzuweisungen des Landes ergeben, hofft die Stadt.
  • Kitabeiträge: Linear um 17,5 Prozent steigen die Beiträge, die Eltern für die Betreuung ihrer Kinder in Tagesstätten zahlen müssen. Die Höhe der Beiträge ist einkommensabhängig.
  • Hundesteuer: Auch Hundehalter werden stärker zur Kasse gebeten. Sie zahlen für ihren Vierbeiner 20 Euro (Kampfhunde 60) mehr pro Jahr. (val)

Sander: Das ist zum einen die Landschaftsumlage, die im Etat 2010 mit etwa 68 Millionen Euro eingeplant ist. Eine finanzielle Beteiligung der Kommunen an der Finanzierung der Aufgaben des Landschaftsverbandes ist gerechtfertigt, weil dieser viele gemeinschaftliche Aufgaben übernimmt und sie auf gute Weise erledigt. Zum Beispiel im psycho-sozialen Bereich oder in der Betreuung und Versorgung von Menschen mit Behinderungen. Aber seine Ausgaben steigen sehr dynamisch und damit auch die Umlagen.

Auch beim LVR führt kein Weg an einer strengen Konsolidierung vorbei. Ein weiteres hohes Risiko für die Kommunen bleibt die Höhe des Zinsaufwands wegen der zurzeit historisch niedrigen Zinssätze, obgleich ich zurzeit erst einmal nicht von einem Zinsanstieg ausgehe. Weiterhin sind die noch zu ermittelnden notwendigen Aufwendungen für das Konferenzzentrum sowie der große Unterhaltungsaufwand bei den städtischen Gebäuden zu nennen.

GA: Was würde ein Zinsanstieg von einem Prozentpunkt für die Stadt Bonn bedeuten?

Sander: Über den den Daumen kalkuliert müssten wir mit einer Zusatzbelastung von rund 13 Millionen Euro pro Jahr rechnen.

GA: Trotz desolater städtischer Finanzlage. Richtig gespart worden ist in diesem Jahr noch nicht. Dafür hat der Stadtrat noch einmal kräftig an der Steuerschraube gedreht, um den Haushalt zu konsolidieren. Wie lange geht das noch gut?

Sander: Ich kann mir erst einmal keine weiteren Steuererhöhungen vorstellen. Bei der Grundsteuer hat die Stadt Bonn mit einem Hebesatz von 530 jetzt landesweit einen Platz im oberen Drittel erreicht. Bis einschließlich 2013 erzielen wir mit dieser Hebesatzerhöhung Mehreinnahmen von insgesamt 15,6 Millionen Euro.

Aber es ist nicht richtig zu sagen, die Stadt hat nicht gespart. Zum Beispiel haben wir für das Haushaltsjahr 2010 in erheblichem Maße Konsolidierungsmaßnahmen veranschlagt, wie zum Beispiel beim Zuschuss an die Stadtwerke. Das ist auch der Grund, warum die Stadt Bonn noch nicht im Nothaushalt ist. Der Einsparkurs wird auch in den nächsten Jahren fortgesetzt.

GA: Wo können Sie bei den Pflichtaufgaben sparen?

Sander: Nach meiner Einschätzung sollte man eine Überprüfung der Standards vornehmen. Es gibt allerdings Bereiche, wo das extrem schwierig ist, etwa beim Brandschutz. Einen erfolgreichen Weg beschreiten wir bei der Jugendhilfe, wo die Stadt dann, wenn es vertretbar ist, die Kinder und Jugendlichen in geeigneten und qualifizierten Familien unterbringt.

GA: Das Viktoriabad ist bereits geschlossen. Werden weitere Bäder folgen?

Sander: Die Stadt hat auf ihrer Sparliste drei Bäder zur Schließung vorgeschlagen. Entscheiden muss am Ende die Politik. Ich halte aber diesen Sparvorschlag ebenso aufrecht wie die anderen.

GA-Special Weitere Infos zum Bonner Haushalt

GA: Damit also auch den Vorschlag, die städtischen Zuschüsse für den öffentlich Nahverkehr ab 2011 auf 0 zu setzen. Das geht aber nicht ohne Angebotsreduzierung, oder?

Sander: Zunächst einmal ist festzustellen, dass wir um einen eigenen Konsolidierungskurs nicht herumkommen. Wenn wir in den Nothaushalt geraten, haben wir kaum noch eigene Entscheidungsspielräume. Dann gibt uns die Bezirksregierung Kürzungsvorgaben vor, die umgesetzt werden müssen.

Ich persönlich fände es nicht so schlimm, wenn der Bus, der mich täglich zur Arbeit bringt, nur alle 30 anstatt alle 20 Minuten fahren würde. Außerdem würden wir als Nothaushaltskommune kaum noch Zuschüsse für investive Maßnahmen bekommen. Und hätten beim Bonn-Ausweis nur noch eingeschränkt die Möglichkeit, über Alternativmodelle nachzudenken.

GA: Wie finden Sie den Vorschlag, ein Sozialticket für die ÖPNV-Nutzung einzuführen?

Sander: Dieser Vorschlag ist gut. Mobilität sollte für alle Bürger möglich sein. Ich befürworte deshalb eine landesweit einheitliche Lösung. Mein Vorschlag wäre auch, dass man in Zukunft mit einem Teil der Kfz-Steuern den Nahverkehr bezuschusst. In den 80er Jahren gab es ein Modell, bei dem die Kommunen einen Teil dieser Steuer für die Straßenunterhaltung erhielten. Das wurde leider wieder abgeschafft.

GA: Worauf müssen sich die freien Träger im Kultur- und Sozialbereich gefasst machen?

Sander: Wir werden die Strukturen erhalten, die für die Zukunft unserer Stadt wichtig sind. Ich habe den Fachämtern Budgetvorgaben gemacht und warte jetzt deren Vorschläge ab.

Kommentar Lesen Sie dazu auch den Kommentar " Sparen mit Strategie"

GA: Die Bürger erwarten, dass auch in der Verwaltung gespart wird. Wo setzen Sie den Rotstift an?

Sander: Wir haben in den letzten 17 Jahren 1 017 Stellen abgebaut. Im gleichen Zeitraum mussten 512 neue Stellen geschaffen werden, vor allem in den Bereichen Kindertagesstätten und Abwasser. Somit ist die Anzahl der Stellen netto um 505 gesunken. Ich bin mit meinen Aussagen zum Stellenabbau sehr vorsichtig, weil man nicht über Abbau reden kann, ohne die Aufgaben dahinter zu sehen.

Ich verweise auf den Bericht der Gemeindeprüfungsanstalt, nach dem die Stadt für ihre Verwaltungsaufgaben nicht über Gebühr Personal beschäftigt. Der hohe Personalbestand rührt daher, dass wir viele personalintensive Einrichtungen, wie etwa die Büchereien, erhalten. Aber wir haben die Personalkosten ständig auf der Agenda. So entscheidet der Verwaltungsvorstand über jede Stelle, die von außen neu besetzt wird.

GA: War es aus Ihrer Sicht richtig, dass Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch das Festspielhaus auf Eis gelegt hat?

Sander: Ja, in der schwierigsten Haushaltslage der letzten Jahrzehnte ist es vermittelbar, dieses Projekt aufzuschieben

GA: Wie viele Millionen Euro werden Sie künftig jährlich für das World Conference Center Bonn veranschlagen müssen?

Sander: Das wissen wir erst nach sorgfältiger Prüfung und Entscheidung, wie es mit dem WCCB konkret weitergeht.

Zur PersonDr. Ludger Sander (CDU) ist seit Oktober 1992 Chef der städtischen Finanzen. Als Professor lehrt er zudem an der Universität Münster Kommunal- und Länderfinanzen. Der 55-Jährige ist verheiratet und hat drei Kinder.

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