Skandal um Organspenden Bonner Spezialist fürchtet nachlassende Spendenbereitschaft

BONN · In der Bonner Uniklinik warten derzeit drei Patienten auf eine lebensrettende Lebertransplantation. Oberarzt Jörg-Matthias Pollok erklärt: Entscheidungen werden ausführlich dokumentiert.

So läuft eine Organspende ab. Grafik: dpa

So läuft eine Organspende ab. Grafik: dpa

Die immer wiederkehrenden Skandale um Organspenden machen Jörg-Matthias Pollok, Oberarzt für Transplantationschirurgie an der Uniklinik Bonn, vor allem wütend. Er fürchtet, die Spendenbereitschaft der Deutschen gehe nun zurück. "In Bonn liegen gerade drei Patienten mit akutem Leberversagen auf der Intensivstation", sagt er. Ihnen drohe der Tod, wenn keine Spenderorgane gefunden würden. "Bisher gab es noch kein Angebot."

Mit rund 20 transplantierten Lebern, 30 bis 40 verpflanzten Nieren und in diesem Jahr sechs übertragenen Bauchspeicheldrüsen gehöre die Bonner Uniklinik bundesweit zu den kleineren Transplantationszentren. Hier tagt laut Pollok wöchentlich eine Konferenz von Ärzten verschiedener Fachrichtungen, die sich mit den Transplantationen befassen. Während etwa über die Vergabe von Spendernieren in erster Linie die Dialyse-Dauer eines Patienten entscheide, spiele gerade bei Lebertransplantationen das gesamte Krankheitsbild eine Rolle. "Daher ist diese Entscheidung auch für Manipulationen anfälliger", so der Experte.

In Bonn entscheide bei der Verteilung von Spenderlebern etwa an trockene Alkoholiker ein Psychiater mit, der die Rückfallgefährdung des Patienten einschätze. Je höher er diese bewertet, desto geringer sei die Chance auf eine Spenderorgan. "Wir dokumentieren und protokollieren an der Uniklinik alle Entscheidungen ausführlich", sagte Pollok. Dadurch nehme zwar die Belastung der Ärzte durch Verwaltungsarbeit weiter zu, bei der Transplantation sei dieses Vorgehen jedoch "unumgänglich".

Denn: "Jedes Verteilungssystem birgt die Gefahr, manipuliert zu werden", sagt der Mediziner. Den Organspendenskandal in Göttingen hält Pollok allerdings für einen "kriminellen Einzelfall". In Fachkreisen sei der Vorgang seit Monaten bekannt gewesen. "Göttingen hat die Zahl der Lebertransplantationen seit dem Antritt des bereits zuvor umstrittenen Mediziners sprunghaft gesteigert", sagt Pollok. Das sei vielen Experten aufgefallen, vor allem da mit Hannover ein großes Transplantationszentrum in der Nähe liege.

Im südlichen Nordrhein-Westfalen transplantieren vier Krankenhäuser Organe: Die Unikliniken Bonn und Aachen sowie das Transplantationszentrum Köln, zu dem die Uniklinik der Domstadt und die Städtischen Kliniken Merheim gehören. Die Uniklinik Köln führt seit 1994 Herztransplantationen durch. Seitdem haben dort nach Angaben des Krankenhauses rund 100 Patienten ein Spenderherz erhalten. Die Wartezeit liege hier bei etwa einem Jahr. Durchschnittlich jeder fünfte Patient überlebt den Angaben zufolge die Wartezeit nicht.

Auch an der Bonner Uniklinik sind Spenderorgane knapp. Rund zwei Jahre warten die Patienten laut Pollok auf eine neue Bauchspeicheldrüse, vor einer Nierentransplantation stehen im Schnitt sieben Jahre Dialyse.

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