Salafisten Bonn bleibt Hochburg für islamistische Gefährder

Bonn · Sicherheitskreise schätzen die Salafistenszene in der Stadt Bonn auf rund 350 Personen, davon 40 Gefährder. Im Vergleich liegt die Stadt damit auf einem sehr hohen Niveau.

Sobald sich an diesem Mittwoch im Berliner Bundesinnenministerium die dicke Tür eines abhörsicheren Besprechungssaales hinter den Anwesenden geschlossen hat, wird es dort auch um die Situation in Bonn gehen. Dass die Bundesstadt auf der Agenda des aus 40 Behörden zusammengesetzten Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums (GTAZ) steht, hat seinen Grund: Weiterhin ist Bonn eine der Hochburgen der Islamistenszene in Deutschland.

Auf Nordrhein-Westfalen bezogen nehmen Bonner Stadtgebiet und Umland als Heimstatt von Gefährdern weiterhin die Spitzenposition ein. Die gute Nachricht: Nach einer scheinbar ungebremsten Vergrößerung der Szene über die vergangenen Jahre ist zumindest die Zahl der Gefährder seit einem Jahr nicht mehr gestiegen. Die gesamte Salafistenszene in Bonn wird auf rund 350 Personen geschätzt.

Es ist somit eine Stagnation auf hohem Niveau, die aus den internen Zahlen der Sicherheitsbehörden sprechen. So werden nach Informationen des General-Anzeigers weiterhin 40 Personen als so genannte Gefährder geführt. Gemeint sind Personen, bei denen Grund zu der Annahme besteht, dass sie islamistisch motivierte Straftaten begehen könnten. Hinzu kommen rund 15 „relevante Personen“, also Unterstützer von Gefährdern. Damit werden 13 Prozent aller Gefährder und relevanten Personen aus NRW der Bonner Region zugeordnet.

40 Gefährder tatsächlich in Bonn

Die Formulierung beschreibt zwei weitere Besonderheiten, die bei der Interpretation der Zahlen nicht ohne Relevanz ist. Zum einen ist der Verantwortungsbereich des Bonner Staatsschutzes groß und reicht vom Bergischen Land bis an die belgische Grenze. Zum anderen halten sich längst nicht alle Personen, die in der einschlägigen Kartei verzeichnet sind, aktuell auch tatsächlich im Rheinland auf. So stehen auch Leute auf der Liste, die in den Bürgerkriegsgebieten des Nahen Ostens aktiv sind – etwa Fared Saal aus Bad Godesberg, der seit Kurzem von kurdischen Milizen in einem Lager in Nordsyrien festgehalten wird.

Er ist nicht der einzige, auf den die deutschen Behörden derzeit keinen Zugriff haben. Lediglich ein Viertel der 40 Gefährder, so ist aus Sicherheitskreisen zu hören, hält sich tatsächlich gerade in Bonn auf. Somit hat sich der Staatsschutz der Bonner Polizei derzeit mit zehn Personen gezielt und rund um die Uhr auseinanderzusetzen. Aufmerksam verfolgt man in Bonner Polizeikreisen nach Informationen des General-Anzeigers die zaghaft beginnende Diskussion darüber, ob auch in NRW das Mittel des Langzeitgewahrsams für Gefährder praktikabel wäre. In Niedersachsen wird es bereits praktiziert, das Polizeigesetz für NRW kennt es hingegen nicht.

Ungeachtet dessen erfordert die verdeckte Ermittlung in der Salafistenszene einen langen Atem der zuständigen Beamten. Näher im Blick haben sie nach GA-Informationen zwei Moscheen im Bonner Norden, eine in Beuel und eine in Bad Godesberg, weil dort Personen verkehren, für die polizeiliches Interesse besteht. Das allerdings lasse nicht automatisch auf besonders radikale Predigten in jenen Gebetshäusern schließen. Eher ist es die Nähe zu Wohnorten wie Tannenbusch oder Teilen von Bad Godesberg, in denen besonders viele Salafisten wohnen.

Beamter: Szene zieht Szene an

Damit klingt schon eine Erklärung auf die vielstimmige Frage an, warum Bonn auf islamistische Kreise so hohe Anziehungskraft hat. „Szene zieht Szene an“, mit diesen Worten beschreibt ein Bonner Beamter das Phänomen. Funktionierende Bekanntenkreise wirken attraktiv und ziehen weitere Aspiranten an. Und spätestens mit den Ausschreitungen vom 5. Mai 2012 in Lannesdorf hatte man sich einen Mythos geschaffen, der bis heute als identitätsstiftend ausstrahlt und der an den inzwischen verbotenen „Lies!“-Ständen zur Koranverteilung – diesmal gewaltfrei – weiter belebt wurde. Wie andernorts gewinnen überdies Frauen an Bedeutung in der Szene.

An den Ausschreitungen in Lannesdorf war seinerzeit auch Fared Saal beteiligt und warf faustgroße Steine auf Polizisten. Als er sich vor dem Amtsgericht dafür verantworten musste, attestierte ihm die Richterin eine positive Sozialprognose. Es könne davon ausgegangen werden, dass Fared Saal „künftig keine Straftaten mehr begehen“ werde, so die Richterin. Wenige Monate später grüßte Saal in einem Video aus Syrien, in dem er auf Leichenbergen posierend mit einem Massaker prahlte.

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