Hospizverein in Beuel Wie schmieden Trauernden helfen kann

Beuel · Wie bewältigt man seine Trauer? Der Beueler Hospizverein macht erste Erfahrungen mit dem Kurs "Schmieden für Trauernde". Kaum einer der Teilnehmer besucht den Kurs jedoch, um über seine Trauer zu sprechen.

 Das geschmiedete Eisen des Trauerkurses bekommt oft einen hohen symbolischen Wert.

Das geschmiedete Eisen des Trauerkurses bekommt oft einen hohen symbolischen Wert.

Foto: Stefan Hermes

Noch ist es kalt in der Schmiede von Werner Wierich. Mit Silvia Buchner und den fünf Teilnehmern des ersten Schmiedekurses für Trauernde sitzt der Kunstschmied an einem Tisch fernab der Esse. Dem Feuer, das gleich entfacht wird, um darin das Eisen glühend werden zu lassen. Der Raum ist dunkel und strahlt in seiner nahezu archaischen Anmutung etwas Beruhigendes aus. Keine Farbe durchbricht das vorherrschende Braun und Schwarz von Wänden und Eisen.

Entgegen der ersten Ressentiments entwickelt sich ein vorsichtiges Gespräch. Oft finden sich keine Worte nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen. Schon gar nicht für die Öffentlichkeit. Die Trauer wiegt schwer. Jetzt wird deutlich, dass kaum einer der Anwesenden den Kurs besucht, um über seine Trauer zu sprechen. Man möchte fast das Gegenteil. Man will etwas tun. Die Lähmung, die Trauer auch bedeuten kann, mit dem Schlag auf den Amboss durchbrechen. Es ist Kraft gefragt. Später wird Julia (64) sagen, dass sie froh ist, ihre Handgelenke zu spüren. Das führe sie von den seelischen Schmerzen fort. Auch Sabine (67), die erst ihren Mann und danach ihre Tochter verloren hat, spricht von dem guten Gefühl, etwas "Wegschlagen" zu können. Sie hat die Erfahrung vor Jahren schon bei einem Bildhauerkurs gemacht.

"Machen hilft", sagt Wierich, der bisher nur mit Männern geschmiedet hat, die sich zur Trauerbewältigung eher in die Arbeit stürzten oder "anderen Süchten" hingäben. Frauen erlebe er jetzt als kraftvoller. "Sie gehen mehr in die Tiefe", ist seine Erfahrung. "Wenn sie in ihre Kraft kommen", so der Schmied, "dann sind sie auch sehr feinfühlig."

Manfred (65), als einziger Mann in der Runde, klärt auf, dass bei den vier zweistündigen Schmiedeabenden nicht viel gesprochen werde. Darum gehe es auch nicht. Vor etwa vier Monaten hat er seine Frau verloren. Für ihn ist das Schmieden lediglich ein "Mosaikstein auf dem Feld der Trauer". Auch die Trauerbegleiterin des Hospizvereins bekräftigt, dass hier nicht das Sprechen im Vordergrund stehe. Dafür gebe es in dem Beueler Verein ein monatliches Trauercafé oder auch die vier Mal im Jahr stattfindenden Trauerwanderungen. Man habe "das mit dem Schmieden" erst einmal ausprobieren wollen. Die Erfahrungen seien gut. Vielleicht werde man es erneut anbieten.

"Man muss das Trauern ja erst einmal lernen", sagt Sarah, deren Mann vor einem Jahr gestorben ist. Hauptsächlich geschehe das zunächst nur dadurch, dass man aus dem Fenster gucke und weine. Mit dem Schmieden schaffe sie etwas Bleibendes. Etwas, das bestenfalls all die Gedanken in sich trage, die beim Entstehen hineingeflossen sind. "Ja, das Tun ist hilfreich", lässt sich ihre Botschaft an Trauernde zusammenfassen.

Rachel (38) wird an diesem letzten Kursabend den eisernen Vogelkopf auf seine Körperstange setzen. Ihre vor neun Monaten verstorbene Mutter liebte Vögel. Zur Ablenkung hatte sie ihrem Vater den Schmiedekurs geschenkt, der sich jedoch nicht zur Teilnahme durchringen konnte. Kurzerhand hat die zierliche, wesentlich jünger erscheinende Frau den Hammer selber in die Hand genommen und es nicht bereut. Sie hatte bereits vorher an Gesprächskreisen teilgenommen und schnell gemerkt: "Das ist irgendwie nicht mein Ding."

Das Schmieden erlebe sie jetzt als Freizeit. "Man ist in Interaktion, auch wenn es nonverbal ist", erzählt sie. Und man habe dabei nicht den Erwartungsdruck, dass man funktionieren müsse. "Das ist hier ein geschützter Raum. Uns geht es hier allen gleich und wiederum überhaupt nicht gleich", ist sie auf der Suche nach dem Wesen des Miteinanders und resümiert: "Es tut gut, einfach mal machen zu können, ohne hinterfragt zu werden." Das Schmieden zwinge sie durch die erforderliche Aufmerksamkeit mit dem heißen Eisen, "einfach nur im Hier und Jetzt zu sein". Und das tue gut. Während sie das sagt, hat Wierich bereits das Feuer geschürt und erste Eisen hineingelegt. Es bleibt nicht viel Zeit, den Vogel und die Schale, die Spiralen und das Kreuz fertigzustellen.

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