Erst Jahrmarktstimmung, dann Katastrophe So verlief das Jahrtausendhochwasser 1783/84 in Bonn

Vilich · Eisschollen und Treibgut drängten gegen Dämme und Stadtmauern, brachen teils hindurch, sodass das schnell ansteigende Rheinwasser sich in die Straßen von Bonn verteilten. So erlebte Bonn das Jahrtausendhochwasser im Winter 1783/84.

Zwei Bilder hängen im Bürgermeister-Stroof-Haus nebeneinander, beide gezeichnet vom kurfürstlichen Hofmaler Francois Rousseau, oder von seinem Sohn Jakob. Man kann sie als Vorher-Nachher-Darstellung sehen: Auf dem einen sieht man, wie Menschen im Winter 1784 den Rhein, der meterdick zugefroren ist, auf dem Eis überqueren. Das andere zeigt die Ereignisse nach dem plötzlich einsetzenden Tauwetter: Zerstörte oder im Wasser treibende Häuser, ertrinkende Menschen, andere, die sie zu retten versuchen, und wieder andere, die vor den Fluten fliehen.

Über dieses Jahrtausendhochwasser berichtete Katja Georg vom Bonner Stadtarchiv beim Stroof-Kolleg des Denkmal- und Geschichtsvereins Bonn-rechtsrheinisch. Sie erwähnte Berichte von Lasttransporten, aber auch von Jahrmarktstimmung auf dem Eis. Kalt sei es schon vor Weihnachten 1783 gewesen, durch den Wechsel von Minusgraden und Tauwetter sei die Eisdecke immer wieder aufgebrochen, Eischollen hätten sich aufgetürmt und seien wieder festgefroren. Was dann bei den plötzlichen Frühlingstemperaturen Ende Februar 1784 fatale Folgen hatte.

Eisschollen und Treibgut drängten gegen Dämme und Stadtmauern, brachen laut Georg teils hindurch, so dass das schnell ansteigende Rheinwasser sich in die Straßen von Bonn verteilten. Auch das Haus des Chronisten Jakob Müller, den die Stadtarchivarin mehrfach zitierte, wurde beschädigt – andere Bonner hätten es als Fluchtdurchgang genutzt, schreibt er, um ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen, während er auch dem Dachboden ausharrte. Das Unglück für die Beueler war das Glück der Bonner: Weil auf der rechten Rheinseite auch die Dämme brachen, lief das Wasser schneller aus den Bonner Straßen wieder ab.

In Vilich wurden fünf Todesopfer gezählt, die im Eiswasser ertranken und davongespült wurden. Der wirtschaftliche Schaden sei aber größer gewesen als der Verlust von Menschenleben, so Georg. Das Hochwasser habe Lebensmittel verdorben, Wohnraum zerstört, Hunger und Elend hervorgerufen. Und Plünderungen, gegen die die Obrigkeit auf beiden Rheinseiten den Quellen zufolge vorzugehen versuchte, rechts mit Strafandrohung, links auch mit bewaffneten Patrouillen.

„Die Ausmaße übertrafen alles Bisherige“, sagte Georg. Eine ähnliche Situation habe es 1788/89 gegeben. „Damals wurden öffentliche Gebete angeordnet.“ Man suchte auch nach Lösungen: Der Beschuss der Eisdecke mit Kanonenkugeln etwa erwies sich als nicht hilfreich. „Aber es wurde eine technische Diskussion in Gang gesetzt.“ Laut Georg habe es auch Innovationsschübe gegeben, etwa in Form von Rettungsbooten für bis zu fünf Personen und von Böllerschüssen zur Warnung benachbarter Orte.

Sichtbare Spuren der Katastrophe sind heute nur noch in der ersten Fährgasse zu finden, wo ein Gedenkstein aus dem Jahr 1784 angebracht wurde, 3,70 Meter über dem heutigen Straßenniveau. Zudem gebe es eine Hochwassermarke im Bonner Münster, aber ob die echt sei, lasse sich nicht sicher sagen, so Georg. Im Bonner Norden, wo einst die Pilger den Rhein passierten, findet man ein mahnendes Gedenkrelief aus dem Hochwasserjahr. Und der Denkmal- und Geschichtsverein wolle auch in Beuel wieder eine Erinnerung anbringen, sagte der Vorsitzende Carl Jakob Bachem.

Beim nächsten Vortrag am Dienstag, 26. März, stellt Yvonne Leiverkus, ebenfalls vom Bonner Stadtarchiv, einen Überraschungsfund vor: Ab 19.30 Uhr berichtet sie im Bürgermeister-Stroof-Haus, Adelheidisstraße 3, über die päpstlichen Ablassbriefe für Vilich von 1329 und referiert über den kirchlichen Ablasshandel im Mittelalter. Anschließend gibt es wieder einen Wein-Umtrunk.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort