Hochwasser in Beuel Silvesternacht im Notquartier

Beuel · Schlimmer hätte das Jahr 1926 für viele Beueler nicht beginnen können: Statt in ihren Häusern Silvester zu feiern und dem neuen Jahr zuzujubeln, müssen sie in andere Quartiere ausweichen und um ihre Habseligkeiten bangen.

 Land unter in Beuel und Bonn am 30. Dezember 1925: Die Rheinanlagen in Beuel sind überschwemmt.

Land unter in Beuel und Bonn am 30. Dezember 1925: Die Rheinanlagen in Beuel sind überschwemmt.

Foto: Repro: GA

Der Rhein hat Besitz von ihren Häusern ergriffen, Straßen geflutet und so das normale Leben lahmgelegt. 9,10 Meter, das entspricht nach heutiger Messung 10,10 Metern, zeigt der Bonner Pegel am Neujahrstag als Höchststand an.

"Es stand also noch 12 Zentimeter über dem katastrophalen Hochstand vom 16. Januar 1920, und nur 10 Zentimeter blieb es unter dem höchsten verzeichneten Stand, dem des Jahres 1882", schreiben die Redakteure des General-Anzeigers in der Ausgabe vom 2. Januar 1926.

In Beuel bietet sich am Tag zuvor ein trostloses Bild: Etliche Straßen sind überschwemmt, die Felder bis zur Sieg sind überflutet und auch vom Deichbau hinter Beuel ist nichts mehr zu sehen. "Einen unheimlichen Eindruck bietet das Bild von der Pappelallee aus. Der Schutzdamm, der zur Jahresfrist in Arbeit war, ist zum größten Teil weggespült, das Wasser dehnt sich seeartig bis Geislar und Vilich aus, die zum Teil ebenfalls unter Wasser stehen."

In den Morgenstunden verschluckt der Rhein das Beueler Ufer

Schon Wochen zuvor geht das "Hochwassergespenst drohend im Lande um", heißt es im General-Anzeiger vom 30. Dezember 1925. Grund ist der plötzliche Temperaturanstieg, der auf die starken Schneefälle und eisigen Temperaturen der ersten Dezemberhälfte folgt. Am 29. Dezember verschluckt der Rhein in den frühen Morgenstunden dann das Beueler Ufer - und steigt stündlich um weitere sechs Zentimeter.

"Mehreremal ging die Gefahr vorüber; wenigstens für die Anwohner des Rheinstromes. [...] Nun aber, gerade in der friedsamen Zeitspanne zwischen Weihnachten und Neujahr, ist über zahllose Familien in den Städten und auf dem Lande der Schrecken der Wassernot hereingebrochen; wer irgend am Flußufer wohnt, muß sein Heim, in dem meist noch der Hauch des Weihnachtsfestes lebt, ausräumen und verlassen und mit den Seinen in fremden Häusern Unterkunft und Obdach für kummervolle Tage und schlaflose Nächte suchen."

Aufgrund der frühen Warnung haben die Anwohner aber zumindest Zeit, ihre Keller und Untergeschosse zu räumen - und den Schaden etwas zu begrenzen. "In wildem Durcheinander liegt Hab und Gut in höhergelegenen Räumen, Speichern und Trockenböden aufgestapelt und die Wohnungsnot läßt in manchen Häusern die Unterkunftsfrage katastrophal werden. Durch die ehemals so trauten Räume aber strömen die Wasser; in kreisenden, Ausgang suchenden Wirbeln benagen sie wie hungrige Wölfe die Wände."

In Bonn sind 22 Notquartiere eingerichtet für die Menschen, die nicht bei Verwandten oder Freunden unterkommen können. Insgesamt 267 Grundstücke sind in der Stadt überschwemmt, allein 157 davon in Graurheindorf. "Von der Brungsgasse bis zur Kirche hatte das Wasser im Dorf gestanden, wobei die Wellen die oberste Stufe vor dem Altar umspülten", schreibt Gerhard Schmitz in seinem Buch "Hochwasser in Beuel und Bonn von 1784 bis 1995".

Wasser sank schnell - 30 Millionen Reichsmark Schaden

Am 2. Januar dann der Lichtblick: Das Wasser sinkt, am Bonner Pegel bis zu drei Zentimeter pro Stunde. In Beuel dauert es laut Schmitz aber noch bis zum 6. Januar, bis das Wasser soweit abgeflossen ist, dass aufgeräumt werden kann. Auf 30 Millionen Reichsmark wird der Schaden in der Rheinprovinz geschätzt, die Stadt Bonn geht von 330.000 Mark aus; für Beuel meldet der Landrat des Kreises Bonn-Land 650.000 Mark Hochwasserschaden an.

Die Gemeinde ist im Kreis am stärksten betroffen. Ein paar Tage nach dem Höchststand steht fest: "808 Häuser wurden dort überschwemmt, 180 Gewerbebetriebe stillgelegt und 300 Morgen Ackerland überflutet", schreibt Schmitz in seinem Buch. Für den Aufbau stellen der Reichspräsident und die Provinz Soforthilfen und Kredite zur Verfügung.

Auch die ehrenamtliche Hilfe läuft schnell an. Am 4. Januar berichten die Zeitungen: "Schon jetzt haben bei Festlichkeiten, die gestern und am Samstag veranstaltet wurden, Sammlungen stattgefunden, die schon ein erfreuliches Ergebnis zeigen und anspornen."

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