Beratungsstelle für homosexuelle Jugendliche Sich nicht verstellen müssen

BEUEL · Über seine Sexualität mit Wildfremden zu sprechen: Für Hendrik ist das kein Problem. Der schmale 23 Jahre alte Mann mit Brille macht keinen Hehl daraus, dass er Männer liebt. Er gehört zum SchLAu-Team, einer Gruppe von jungen Ehrenamtlern, die Schulklassen über Homosexualität aufklärt.

 Daniel Krämer, Mirjam Setzer und Martin Thünker sind für homo-, bi- und transsexuelle Jugendliche da, die Fragen zum Coming-out, zu Problemen mit Eltern oder mit Diskriminierung haben.

Daniel Krämer, Mirjam Setzer und Martin Thünker sind für homo-, bi- und transsexuelle Jugendliche da, die Fragen zum Coming-out, zu Problemen mit Eltern oder mit Diskriminierung haben.

Foto: Max Malsch

Heute geht er mit seinem Freund händchenhaltend durch die Straßen. "In Bonn geht das." Doch das war nicht immer so. Aufgewachsen in einer nordrhein-westfälischen Kleinstadt fiel ihm das Coming-out nicht leicht.

Zwar ist Homosexualität in Deutschland kein Tabu mehr, ist Thema in Fernsehserien und Spielfilmen. Wie reagieren die Schulkameraden, wie die Eltern? Diese Sorgen treiben aber auch heute noch viele junge Menschen um, die sich anders fühlen oder anders lieben als die Mehrheit. Um sie zu beraten, wurde das GAP ("Gemeinsam Anders Punkt!") an der Oberen Wilhelmstraße gegründet. Seit rund einem Jahr ist der Treff für homo-, bi- und transsexuelle Jugendliche in Betrieb.

Der schwere Schritt, sich vor den eigenen Eltern zu outen, steht einigen GAP-Besuchern noch bevor. Yasmin hat sich das vor einem Jahr getraut. "Meine Mutter will nicht akzeptieren, dass ich auf Frauen stehe", sagt die 22-Jährige, die ihren richtigen Namen deshalb nicht in der Zeitung lesen will. "Ich glaube, sie hatte einfach einen ganz bestimmten Plan für mich: Dass ich studieren soll, einen netten Mann heiraten, Kinder kriegen: Diese Erwartungen habe ich enttäuscht."

Andere haben Respekt vor der Reaktion ihrer Mitschüler, wie Andreas (Name geändert). "Meine Familie ist sehr liberal. Da hatte ich keine Hemmungen." Aber seine Klassenkameraden am reinen Jungengymnasium wissen nicht Bescheid. "Ich mache nächstes Jahr Abi und will einfach nicht das Risiko eingehen, gemobbt zu werden", sagt der 16-Jährige. Von diesem Problem weiß auch Hendrik zu berichten. Wenn er mit Freunden spricht, sagt er: "Ich bin schwul". Vor den Schulklassen benutzt er stets den Begriff "homosexuell". "Schwul ist bei vielen Schülern immer noch ein Schimpfwort", sagt er.

Drei Abende pro Woche hat das GAP geöffnet, montags ist Mädels-, mittwochs Jungstag und jeden Donnerstag ist der Jugendtreff für alle offen. Die Jugendlichen tauschen sich aus, spielen Kicker, schauen Filme. Den Namen, das Logo: All das haben die Jugendlichen selbst entworfen. "Das GAP ist ein Treff von Jugendlichen für Jugendliche", sagt Sozialpädagogin Mirjam Setzer. Doch sie und ihre beiden männlichen Kollegen sind auch Ansprechpartner für die Jugendlichen, ob es um das Coming-out, um Diskriminierungen, um Probleme mit den Eltern oder die Berufswahl geht.

Dabei können die Sozialpädagogen, selbst homosexuell, auch auf ihre eigenen persönlichen Erfahrungen zurückgreifen. "Die Jugendlichen können uns auch einfach ganz ungezwungen auf dem Balkon an-quatschen", sagt Martin Thünker. Viele Jugendliche kommen regelmäßig, ein oder sogar zweimal die Woche zum Jugendtreff, der von der Bonner Aids-Hilfe getragen und vom Jugendamt gefördert wird. "Das Schöne ist, dass man sich hier nicht verstellen muss, dass man einfach man selbst sein kann", sagt Yasmin. "Es ist wie eine Familie", diesen Satz sagen die Jugendlichen immer wieder.

Von Juni bis Ende 2013 haben sie und ihre Kollegen 130 Beratungsanfragen von homo-, bi- aber auch transsexuellen Jugendlichen bekommen, also Menschen, die sich mit dem jeweils anderen Geschlecht identifizieren, als dem sie biologisch angehören. "2014 werden es noch mehr sein", so Setzer.

Doch der erste Besuch im GAP ist für viele Jugendliche eine Hürde. "Einige kommen mit schlotternden Knien, andere rauchen vor der Tür erst einmal fünf Zigaretten, wieder andere trauen sich gar nicht herein", sagt Setzer. Denn obwohl viele Jugendliche schon früh ahnen, dass sie sich nicht so sehr für das andere, mehr für das eigene Geschlecht interessieren: Der Moment, in dem sie die Räume in der Oberen Wilhelmstraße betreten, ist eine Art endgültiges Eingeständnis. "Sie wissen außerdem nicht, was sie erwartet." Um es neuen Besuchern einfacher zu machen, bietet der Treff auch einen Abholservice an einem verabredeten Treffpunkt an.

Beratung für Jugendliche, Eltern und Lehrer

Im GAP, Obere Wilhelmstraße 29, treffen sich Jugendliche im Alter von 14 bis 21 Jahre (maximal 27 Jahre). Montags von 18 bis 22 Uhr ist Mädelstag, mittwochs von 17 bis 21 Uhr Jungstag, jeden Donnerstag ist der Jugendtreff für alle geöffnet. Für all diejenigen, die sich beim ersten Mal nicht alleine zum GAP trauen, gibt es einen Abholservice. Die Sozialpädagogen, die selbst auch schwul oder lesbisch sind, haben für alle möglichen Fragen, beispielsweise zum Coming-out, Stress mit den Eltern, Ärger in der Schule oder allgemeinen Zukunftspläne, ein offenes Ohr - telefonisch unter 0228/9490977 oder per E-Mail an info@gap-in-bonn.de. Auch Eltern homo- oder transsexueller Kinder können sich an das Beratungsteam des GAP wenden. Auch im schulischen Umfeld möchte das Team für Aufklärung sorgen und Diskriminierung und Homophobie vorbeugen. Lehrer, die Fragen zur Lebenssituation homosexueller oder transsexueller Jugendlicher und zum Coming-out haben, können sich im GAP beraten lassen.

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