Gesamtschule Beuel Rainer Winand: "Von dieser Schule war ich immer begeistert"

Mit Rainer Winand hat die Integrierte Gesamtschule (IGS) Beuel einen neuen Schulleiter. Der 56 Jahre alte gebürtige Bonner übernimmt die seit mehr als einem Jahr vakante Stelle, nachdem sein Vorgänger in die Bezirksregierung gewechselt ist. Über Flüchtlinge als Schüler, eine notwendige Neuaufstellung der IGS und die Rolle des Leiters sprach er mit Johanna Heinz.

 Rainer Winand freut sich auf seine neue Aufgabe - und darüber, dass er nicht mehr pendeln muss.

Rainer Winand freut sich auf seine neue Aufgabe - und darüber, dass er nicht mehr pendeln muss.

Foto: Max Malsch

Sie sind gebürtiger Bonner. Ich habe gelesen, dass Sie auch schon länger in Beuel wohnen und an Ihre vorherige Schule nach Reichshof gependelt sind -- immer rund 150 Kilometer täglich. Warum?

Rainer Winand: Ich bin ein Bonner Jung. Ich bin hier geboren, zur Schule gegangen, habe hier studiert, zumindest die ersten Semester. Als ich eine Anstellung in Gummersbach bekommen habe, bin ich dorthin gezogen. 1996 bin ich an die Gesamtschule Reichshof-Eckenhagen gewechselt. Weil meine Beziehungen zu Bonn aber nach wie vor stark waren und mein Herz an Bonn hing, habe ich mich damals entschieden, wieder hierher zu ziehen, das Pendeln auf mich zu nehmen. Die Fahrt gegen den Berufsverkehr war auch nicht so anstrengend und gut planbar. So konnte ich in den Ferien und an den Wochenenden in Bonn sein.

Sie waren in Reichshof-Eckenhagen seit zehn Jahren stellvertretender Schulleiter und wohnen in Beuel. Da kam die freie Stelle an der IGS für Sie doch wie gerufen, oder?

Winand: So war es. Ein glücklicher Zufall.

Sie waren seit 1996 an der Reichshofer Gesamtschule. Wie schwer fällt nach fast 20 Jahren der Abschied?

Winand: Ich bin mit einem weinenden und einem lachenden Auge hergekommen. Die Schule in Beuel bietet mir unheimlich viel, in einem Umfeld, in dem man kreativ arbeiten kann und wo das Kollegium sehr engagiert und innovativ arbeitet. Dies und das wertschätzende Schulklima kenne ich von meiner bisherigen Schule auch. Das war mir wichtig. Das alte Kollegium werde ich natürlich vermissen. Aber im Moment habe ich hier so viel zu tun - Flüchtlinge stehen vor der Tür, Lehrerstellen sind zu besetzen. Außerdem hat diese Schule vor etwa einem Jahr eine Zukunftswerkstatt initiiert, um sich neu zu positionieren -, so dass ich das weinende Auge im Moment gar nicht so merke.

Sie sprachen gerade das Thema Flüchtlinge an. Inwieweit hat die IGS damit zu tun?

Winand: Das Schulamt ist an uns herangetreten, um Flüchtlingskinder, die ja auch schulpflichtig sind, zu integrieren. Wir haben nach den Ferien ein Konzept entwickelt und uns dem Integrationsgedanken unserer Schule folgend dazu entschieden, keine isolierte Flüchtlingsklasse einzurichten, sondern die Kinder zeitnah in bestehende Klassen aufzunehmen und eine intensive begleitende Sprachförderung durchzuführen. Nach einer ersten Befragung der Klassen, der Schülervertretung, der Tutoren und der Eltern haben sich fast 20 Klassen kurz entschlossen dazu bereit erklärt, ein Flüchtlingskind aufzunehmen - eine überwältigende Resonanz.

An der IGS gibt es seit 30 Jahren gemeinsamen Unterricht. Ihr Vorgänger und Eltern beklagen, dass mit der landesweiten Umsetzung der Inklusion der Personalschlüssel so reduziert wurde, dass er nicht mehr in der gewohnten Qualität durchführbar ist. Wie sehen Sie das ?

Winand: Eine durchgängige Doppelbesetzung, wie bisher, werden wir auf Dauer nicht ganz durchhalten können. Wir arbeiten auch deswegen in der Zukunftswerkstatt in einem von drei Entwicklungsbausteinen am gemeinsamen Lernen. In diesem Rahmen sind schon sehr gute Konzepte entwickelt worden, durch die wir den bewährt guten Standard weitgehend aufrecht halten können.

Was sind neben der Inklusion die anderen Bausteine?

Winand: Einer ist, Unterricht neu zu denken, das heißt, die Förderung von selbstständigem, eigenverantwortlichem und handlungsorientiertem Arbeiten. Eine dritte Gruppe kümmert sich um das Thema "Schule der Vielfalt", stellt sich der veränderten Schülerschaft und entwickelt neue Angebote. Wir sind eine Schule für alle und jeden mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen. Für uns bedeutet das, alle Schüler, das heißt auch diejenigen, die gehandicapt sind, genauso wie diejenigen, die hochbegabt sind, bestmöglich zu fördern.

Die Schulleiterstelle war über ein Jahr vakant. Mit der landesweiten Inklusion ist ein Alleinstellungsmerkmal der IGS verloren gegangen. Wie bewerten Sie den aktuellen Zustand der Schule?

Winand: Diese Unsicherheit habe ich gemerkt. Der Zustand der IGS ist aber sehr gut. Ich sehe es nicht als problematisch an, wenn Veränderungen eintreten; problematisch wäre es, wenn man nicht auf sie reagiert und sie einfach aussitzt. Das Kollegium, die Schülerschaft und die Eltern - beeindruckend wie in dieser demokratischen Schule alle zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen - haben sich genau dieser Problematik angenommen und erarbeiten Konzepte. Sie sehen die Problematik, dass ein über Jahrzehnte vorhandenes Alleinstellungsmerkmal der Schule als solches weggefallen ist. Inklusion wird dennoch in Zukunft ein großer Schwerpunkt der IGS bleiben, es werden aber auch andere Schwerpunkte hinzukommen oder bestehende stärker in den Fokus rücken. Jetzt ist es die Aufgabe der Zukunftswerkstatt, die tragenden Säulen entsprechend umzustrukturieren. Bis zum Ende des Schuljahres wird ein zukunftsfähiges Schulprofil erarbeitet und in Teilen auch schon umgesetzt sein.

Draußen hängt noch das Schild "Stadtteilbibliothek". Es gab viel Unmut, weil die Stadt die städtische Bezirksbibliothek in der Gesamtschule geschlossen hat. Ist das Thema für Sie vom Tisch?

Winand: Da wir die ganz klare Rückmeldung von der Stadt erhalten haben, dass es keine Stadtteilbibliothek mehr an diesen Standort geben wird, haben wir in der Schulkonferenz vergangene Woche beschlossen, sie als reine Schulbibliothek weiterzuführen. Eine Arbeitsgruppe organisiert gerade mit Unterstützung einer Mitarbeiterin der Stadt diesen Umbau. Die Bibliothek wird zukünftig Schulbibliothek und Selbstlernzentrum sein. Eine große Gruppe von Eltern ist interessiert, sie aufzubauen und weiterzuführen. Ohne diese Mitarbeit der Eltern wäre das Projekt nicht zu stemmen und wir sind für deren Mitarbeit und Engagement sehr dankbar.

Laut Bezirksregierung Köln hat sich genau ein geeigneter Bewerber auf die Stelle beworben. Hunderte Schulen in NRW finden überhaupt keinen Leiter. Woran liegt das ihrer Meinung nach?

Winand: Die Aufgabe des Schulleiters ist extrem komplex geworden. Früher war man Gleicher unter Gleichen. Man hatte zwar eine Schule in ihren pädagogischen und organisatorischen Abläufen zu führen, war aber auch im Unterricht eingesetzt. Mittlerweile sind so viele Aufgaben an die Schulleiter herangetragen worden, auch von der Bezirksregierung auf die Schulleitung heruntergebrochen worden, dass ein Schulleiter heute hauptberuflicher Manager ist und kaum noch Zeit hat, selbst zu unterrichten: Ich glaube, das und der immense Arbeitsaufwand schreckt viele ab.

Warum haben Sie sich trotzdem entschlossen, diesen Weg einzuschlagen?

Winand: Ich hätte es, glaube ich, für eine andere Schule nicht gemacht. Aber für diese besondere Schule, die ich seit vielen Jahren im Blick habe und immer begeistert war, was hier an der Schule passiert: Wenn man dieses Angebot bekommt, fällt die Entscheidung nicht schwer.

Zur Person

Rainer Winand wurde 1959 in Bonn geboren. Er legte sein Abitur am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium ab, bevor er zunächst in Bonn Mathematik und Chemie studierte, dann in Duisburg Biologie und Chemie.

Zuletzt war er zehn Jahre lang stellvertretender Schulleiter an der Gesamtschule Reichshof. Winand ist ledig und wohnt seit 1996 in Beuel.

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