Pro und Contra einer frühen Einschulung Mit elf Jahren in der siebten Klasse

Pützchen · Das pinkfarbene Barbie-Kinderzimmer von damals gibt es nicht mehr, es musste jetzt doch etwas Farbneutraleres her. Vor sechs Jahren hat der General-Anzeiger Carolina Wunder zum ersten Mal besucht.

 Geht weiter motiviert ihren Weg: Carolina Wunder vor dem Sankt-Adelheid-Gymnasium in Pützchen.

Geht weiter motiviert ihren Weg: Carolina Wunder vor dem Sankt-Adelheid-Gymnasium in Pützchen.

Foto: Max Malsch

Damals war die Sankt Augustinerin gerade eingeschult worden - wenige Tage nach ihrem fünften Geburtstag. Jetzt ist Carolina elf und besucht die siebte Klasse des Sankt-Adelheid-Gymnasiums (SAG) in Pützchen.

Die Eltern hatten es sich seinerzeit nicht leicht gemacht mit der Entscheidung, ihre Tochter so früh aus dem Kindergarten zu nehmen. Mit vier hatte diese sich das Lesen beigebracht, stellte nicht nur "Warum"-Fragen, sondern wollte die Antworten auch nachvollziehen können. Aus dem Bekanntenkreis kam Kritik. "Dabei wollte ich doch nur das Beste für mein Kind", sagt Lydia Wunder.

Zeit also, einmal nachzuschauen, wie Carolina ihren Weg gemeistert hat und ob die eine oder andere Seite den Schritt bereut. "Ich lese noch immer sehr gerne", sagt die Elfjährige direkt eingangs. In der Stadtbibliothek ist sie Stammgast. Wichtig: Es muss möglichst dick sein, das Buch, und am liebsten Fantasy-Stoff enthalten. Sie sei immer noch ziemlich schnell, was das Lernen angeht, meint Mutter Lydia. Die Tochter drückt es pragmatisch aus: "Wenn ich früher fertig bin, helfe ich anderen."

Von den Leistungen her sei die Grundschulzeit gut gewesen, was das Anschlussfinden anging schwierig. Genau so hatte es seinerzeit die Expertin vom Schulpsychologischen Dienst des Rhein-Sieg-Kreises vorhergesagt. Sozial und emotional war Carolina noch nicht so weit wie die älteren Kinder. "Uns ist angeboten worden, dass sie von der zweiten in die vierte Klasse springt, aber das haben wir abgelehnt", erzählt die Mutter. Da wenig Bande zu den Mitschülern bestanden, suchte sich Carolina auch die weiterführende Schule autark aus. "Ich wollte aufs SAG, weil es eine große Bibliothek hat, viele Musik- und Kunsträume und der Unterricht nett war", sagt Carolina. Dafür nimmt sie täglich eine einstündige Anreise zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln auf sich. Vor dem Wechsel hielt die Mutter noch einmal Rücksprache mit dem Schulpsychologischen Dienst. Der gab grünes Licht.

Zwei Jahre jünger als die Mitschüler

Dass Carolina fast zwei Jahre jünger sei als die Mitschülerinnen, habe sie gar nicht gewusst, sagt Französischlehrerin Astrid Engels. Sie lege ein normales Sozial- und Lernverhalten an den Tag. "Sie schreibt sehr gute Noten, ist aber nicht die einzige leistungsbereite Schülerin in der Klasse", so Engels. Die Mathelehrerin dagegen fand durch einen Zufall Carolinas Alter heraus. Die Mädchen sollten für Datenreihen ihr Alter in Monaten angeben. "Meine Zahl wich stark von den anderen ab, und sie dachte schon, ich hätte mich verrechnet", erinnert sich die Sankt Augustinerin schmunzelnd. Sechs Mädchen zählt sie zu ihrem engeren Freundeskreis, alle wohnen weit verstreut. "Aber wir sehen uns trotzdem regelmäßig, gehen shoppen oder übernachten beieinander." Und das, obwohl sie reitet, Ballett tanzt und Klavier spielt. Wann sie übt? "Ich lerne zwischendurch", sagt sie keck.

Sie besucht eine Bilingual-Klasse. "Wir haben intensiver Englisch als die Parallelklassen." In der sechsten Klasse hat sie Französisch gewählt, in der siebten Latein - statt Technik. Zu Hause wird Russisch gesprochen. Bei all den Sprachen verblüfft ihr Berufswunsch: "Ich will Medizin studieren und Zahnärztin werden." Das, so ergänzt die Mutter, habe sie schon im Kindergarten gewollt.

Glaubt Lydia Wunder, alles richtig gemacht zu haben? "Es war nicht einfach, ich habe mir überall Rückmeldung geholt, aber ich denke, man sieht, dass Carolina ein glückliches Mädchen geworden ist."

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