Rund 150 Obdachlose genießen Drei-Gänge-Menü Martinsgans statt Kesselsknall

Beuel · „Schöner kann man das Martinsbrauchtum nicht verkörpern als an einem solchen Abend“, sagte Beuels Sankt Martin, Stephan Kern. Rund 150 Obdachlose fanden auf Einladung vom Kleinen Senat-Verein im Zeughaus der Beueler Stadtsoldaten einen Platz an den langen reich gedeckten Tischen.

 St. Martin Stephan Kern begrüßt zusammen mit Wolfgang Orth die Gäste des Kleinen Senats.

St. Martin Stephan Kern begrüßt zusammen mit Wolfgang Orth die Gäste des Kleinen Senats.

Foto: Stefan Hermes

Kern zwängte sich am Donnerstagabend durch alle Reihen und begrüßte nahezu jeden der Gäste persönlich, auf die dort ein dreigängiges Martinsgansessen mit Unterhaltungsprogramm wartete.

Bürgermeisterin Angelica Maria Kappel wies in ihrem Grußwort der Stadt darauf hin, dass traditionsgemäß Düppekooche oder Kesselsknall das Martinsessen vieler Menschen in Bonn darstelle, man sich jedoch an diesem Abend auf die feinere Version, den Klassiker „Martinsgans mit Knödel und Rotkohl“ freuen könne.

Zudem glaubte sie, dass sich bei einer Wiederholung der Aktion, die unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Ashok Sridharan stattfand, im nächsten Jahr auch die Stadt daran beteiligen könnte.

Etwa 10 000 Euro trieben Senatspräsident Hans-Joachim Fandel und sein Stellvertreter Wolfgang Orth vom Kleinen Senat binnen kürzester Zeit für ihre Idee eines symbolischen Mantelteilens an Spenden auf. „Wir dachten, was Frank Zander in Berlin zustande bringt, könnten wir auch in Bonn hinbekommen“, so Fandel.

Der Erfolg überwältigte sie. Mit Hilfe des VfG luden sie Obdachlose und Bedürftige der Stadt ein und hatten dabei nicht mit einem so großen Zuspruch gerechnet. „Wir dachten, dass sich viele in ihrer schweren Lebenssituation nicht öffentlich zeigen wollten“, hatte auch Orth angenommen.Schon jetzt sind die beiden Ideengeber davon überzeugt, im nächsten Jahr mindestens 200 Bedürftige im Zeughaus unter der Kennedybrücke bewirten zu können, das ihnen die Beueler Stadtsoldaten kostenlos zur Verfügung stellten.

„Ich kann auch alle Martinslieder“, hatte eine Frau zum St. Martin gesagt, erzählt Kern gerührt. „Die Menschen sind hier sehr glücklich. Wahrscheinlich verbinden sie mit dem Martinsfest auch ihre eigene Kindheit“, beobachtete er und hoffte dabei, dass auch sein Auftritt den Gästen ein Stück ihres Kindheitsglücks zurückgeben konnte.

„Jeder, der hier sitzt“, sagte Barbara Olbert, die erst seit Kurzem in einer Notunterkunft einen Platz gefunden hat, „ist ein Lebenskünstler.“ Petra Heiden musste wegen Eigenbedarfs ihre Wohnung verlassen und steht kurz davor, erneut in die Obdachlosigkeit zu fallen, „es ist wahnsinnig schwer, einen Vermieter zu finden, der akzeptiert, dass ich eine ergänzende Grundsicherung bekomme.“

Sie sei so angetan von dem Fest, sagte sie, „weil hier so viele von den Menschen sind, zu denen ich mich in schwerster Zeit zugehörig gefühlt habe.“ Nach dem Essen mit der Unterhaltung durch Leierkastenmann Hermann Hergarten, der Boygroup „Drei.1“ sowie den Unkeler Ratsherren, erhielten alle Anwesenden noch eine Tasche mit kleinen Geschenken überreicht.

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