Doppelgrab in Oberkassel Jetzt werden die Knochen neu gezählt

OBERKASSEL · Ein Besuch im Landesmuseum und das anschließende Anschalten des heimischen Computers haben Robert Uhrmacher die Anerkennung von Bonner Forschern eingebracht. Nach der Wiedereröffnung des Museums wollte sich Uhrmacher noch einmal die Knochen der "Oberkasseler Menschen" anschauen, die 1914 im Stingenberg-Steinbruch seines Vorfahren Peter Uhrmacher gefunden worden waren.

Als er nach Hause kam, erinnerte sich Uhrmacher an eine Fotografie, auf der die beiden Schädel aus der mittleren Eiszeit einige Tage nach dem Auffinden in Szene gesetzt worden waren. "Aus Spielerei habe ich Ausschnitte des 6x8 Zentimeter großen Bildes auf ein Maximum vergrößert", erzählt Uhrmacher. Dabei sah er, was die Forschung in nächster Zeit beschäftigen wird: Vor dem linken Schädel liegt eine weitere Schädeldecke. Bisher war man immer von einem Doppelgrab ausgegangen.

"Glückwunsch, diese Entdeckung ist sicherlich von Bedeutung", gratulierte Professor Wighart von Koenigswald vom Institut für Paläontologie - die Lehre von den Lebewesen vergangener Erdperioden - dem Hobbyarchäologen.

Auf einer Veranstaltung der neugegründeten "Kultur Initiative Oberkassel" in den Kinkelstuben berichteten Experten und Bürger von ihren Erfahrungen rund um die Skelette der Menschen, die 12 200 vor Christus lebten. Am 18. Februar 1914 hatte der Vorarbeiter Engelbert Nolden die menschlichen Überreste beim Basaltabbau gefunden.

Eigentlich wollte Klaus Großjohann am Sonntagabend nur das Heft vorstellen, das er zum 90. Jahrestag der Entdeckung der "Oberkasseler Menschen" herausgibt. Es enthält Auszüge aus dem schwer zugänglichen Werk "Der diluviale Menschenfund von Obercassel bei Bonn" der Professoren Max Verworn, Robert Bonnet und Gustav Steinmann, das diese im Jahr 1919 verfasst hatten.

Die neue Erkenntnis eines eventuellen dritten "Oberkasseler Menschen" zog jedoch auch Wissenschaftler zu der Veranstaltung an. Die Frage, warum von der Schädeldecke in den Aufzeichnungen der drei Bonner Professoren keine Rede sei, konnte von Koenigswald nicht eindeutig beantworten. "Ein Schädeldach, zu dem auf den ersten Blick nichts weiter existiert, kann schon mal vergessen werden", sagte der Paläontologe.

Professor Hans-Eckart Joachim vom Institut für Vor- und Frühgeschichte gab zu bedenken, dass die Funde von den Steinbrucharbeitern nicht mit größter Vorsicht in eine Munitionskiste gepackt worden seien. "Außerdem sind die Skelettteile in die Anatomie gekommen, und die Grabbeigaben, wie Tierknochen, in das damalige Geologisch-Paläontologische Institut", sagte Joachim. Es müsse nachvollzogen werden, was genau wo angekommen sei.

Gleichzeitig kündigte Joachim an, dass jetzt noch einmal der gesamte Skelettbestand angeschaut werde. "Das letzte Mal ist das nämlich 1986 geschehen", so der Vorgeschichtler. Als 1914 festgestanden habe, dass es sich bei den "Toten" um eine etwa 20-jährige Frau und einen rund 60 Jahre alten Mann handelte, hätten die Wissenschaftler die Knochen aufgrund des Alters- und Geschlechterunterschieds zugeordnet. "Wir werden prüfen, ob die Knochen zu zwei oder mehr Individuen gehören", versprach Joachim den rund 40 Zuhörern.

Wenn sich bewahrheiten sollte, dass die Schädeldecke zu einem weiteren Menschen aus der mittleren Steinzeit gehört, wird Michael Schmauder vom Rheinischen Landesmuseum wohl schon bald die Beschriftung an den Vitrinen der "Oberkasseler Menschen" ändern müssen.

Das Heft von Klaus Großjohann ist in der Buchhandlung Max und Moritz, Adrianstraße 163, für vier Euro erhältlich.

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