Kirchen und ihre Schätze In der Sakristei von St. Peter in Vilich lagern uralte Gewänder

VILICH · "Das älteste Stück Stoff stammt vom Ende des 15. Jahrhunderts", berichtet Pfarrer Michael Dörr. Der sogenannte Mittelstab, auf dem in filigraner Stickarbeit der gekreuzigte Jesus zu sehen ist, wurde gerade frisch restauriert und der alte, sich auflösende Samt des Gewandes durch einen neuen, leuchtend roten ersetzt.

 Pfarrer Michael Dörr breitet eines der Gewänder aus. Das frisch restaurierte Stück Stoff, das auf neuem knallrotem Samt sitzt, ist mehr als 500 Jahre alt.

Pfarrer Michael Dörr breitet eines der Gewänder aus. Das frisch restaurierte Stück Stoff, das auf neuem knallrotem Samt sitzt, ist mehr als 500 Jahre alt.

Foto: Max Malsch

Deckenhoch ist die Schrankwand in der Sakristei von St. Peter in Vilich. Der Raum ist schmal und karg. Doch in den breiten Holzschubladen lagern, geschützt durch Packseide und Kissen, mehr als 20 uralte liturgische Gewänder. Sie zeugen von der historischen Bedeutung des Vilicher Stifts, zu dem die heutige Pfarrkirche einst gehörte und das, von Kaiser Otto III. neben Quedlinburg, Essen und Gandersheim zum Reichskloster mit besonderen Privilegien erhoben, als geistliche, karitative und weltliche Institution über die Region hinaus Bedeutung erlangte.

"Das älteste Stück Stoff stammt vom Ende des 15. Jahrhunderts", berichtet Pfarrer Michael Dörr. Der sogenannte Mittelstab, auf dem in filigraner Stickarbeit der gekreuzigte Jesus zu sehen ist, wurde gerade frisch restauriert und der alte, sich auflösende Samt des Gewandes durch einen neuen, leuchtend roten ersetzt. Ganz anders wirken die anderen Messgewänder: Chinesische Seide in leuchtendem Gelb und Orange, florale Muster statt christlicher Motive. "Es ist sofort ersichtlich, dass es sich um profane Stoffe handelte", sagt Dörr. Sie stammen aus dem 17. Jahrhundert, einer Zeit, als in Bonn noch der Kölner Kurfürst residierte, und wurden einst als üppige barocke Ballroben zu dessen Empfängen getragen.

Aus einem solchen pompösen Kleid wurden je ein Messgewand für den Priester und zwei dazu passende Dalmatiken, die Amtskleidung der Diakone, geschneidert. Wer sie aus der Nähe betrachtet, erkennt an vielen zarten Nähten, dass sie aus Stoffstücken zusammengesetzt sind. Um den Stoffen einen liturgischen Anstrich zu verleihen, wurde mit silbernen Litzen vorne und hinten in Form eines Kreuzes, der Mittelstab angedeutet.

"Die Stoffe waren wahnsinnig kostbar und wurden der Kirche gespendet", sagt Editha Hoschützky. Die pensionierte Adelheidis-Grundschullehrerin engagierte sich schon früh für die katholische Gemeinde, war lange im Kirchenvorstand aktiv und kennt wie kaum eine Zweite die tausend Jahre alte Geschichte des ehemaligen Stifts. "Meine Familie hat hier seit dem 16. Jahrhundert gelebt, gearbeitet und sich engagiert", sagt die 82-Jährige. Weil sich Gold- und Silberfäden durch die Stoffe ziehen, seien die Gewänder sehr schwer. "Wenn sie zu lange auf Ständern hängen, leiden die alten Stoffe in den Schulterpartien." Doch zu besonderen Anlässen im Kirchenjahr werden die jahrhundertealten Gewänder aus den Schubladen hervorgeholt. Pfarrer Dörr legt sie zu besonders festlichen Gottesdiensten an und während des alljährlichen Adelheidisfests werden sie ausgestellt.

Auch wenn die Wirren des Truchsessschen (1583 bis 1588) und des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) und zuletzt die Bombenangriffe von 1944 die Kirche nicht verschonten und vieles zerstört wurde und verloren gegangen ist hat St. Peter in Vilich neben den kostbaren Paramenten noch viele andere Schätze zu bieten. Eine romanische Grabplatte, wahrscheinlich der Grabstein der 1219 verstorbenen Äbtissin Elisabeth oder das ungewöhnliche Steinbild der Himmelskönigin mit dem Jesusknaben, das um 1380 geschaffen wurde und einem am Petersportal des Domes tätigen Steinbildhauer der Prager Parler-Bauhütte zugeschrieben wird, sind zwei von ihnen. "Ein besonderer, spiritueller Ort", findet Pfarrer Dörr. Diese besondere Ausstrahlung bemerke jeder, der die ehemalige Stiftskirche St. Peter in Vilich betrete.

St. Peter in Vilich

Die ehemalige Stiftskirche und heutige Pfarrkirche St. Peter in Vilich wurde um 1030 am Ort zweier Vorgängerkirchen errichtet. In ihrer heutigen Form ist sie das Überbleibsel einer großen romanischen, dreischiffigen Stiftskirche, die mehrfach umgebaut wurde. Der gotische Chor wurde 1280 vollendet, der Barockturm 1700 dem nach den Kriegszerstörungen verkürzt wieder aufgebautem Langhaus vorangesetzt. Das 978 von den Eltern der heiligen Adelheid gegründete Stift Vilich war Jahrhunderte hindurch der geistige und kulturelle Mittelpunkt der näheren und weiteren Umgebung, dem die heutige Bonner Stadtpatronin rund drei Jahrzehnte lang als Äbtissin einer Gemeinschaft religiös orientierter Frauen vorstand. Um 1000 wandelte die Äbtissin das Stift in ein benediktinisches Frauenkloster mit strengeren Ordensregeln um, ein Schritt, der im 12. Jahrhundert wieder zurückgenommen wurde. St. Peter war zugleich Grabeskirche der ersten Äbtissin und Wallfahrtskirche zu deren Verehrung. Seit der Aufhebung des freiadeligen weltlichen Stifts Vilich 1804 dient die Kirche der Pfarrgemeinde als Gotteshaus. Im Februar des kommenden Jahres 2015 feiern Bonn und die ehemalige Stiftskirche den 1000. Todestag Adelheids, die 1966 von Papst Paul VI. heiliggesprochen wurde .

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