Gespräch am Wochenende Hilfe für Opfer der Diktatur

Beuel · Ruth Schlette erhält den höchsten chilenischen Orden: Der Orden „Al Mérito de Chile“ ist die höchste Auszeichnung, die die Republik Chile an Ausländer vergibt. Jetzt wurde er in der Kommende Ramersdorf an Ruth Schlette vergeben. Leif Kubik sprach mit der Historikerin über die Gründe.

 Ruth Schlette erhält den Orden "Al Merito de Chile" aus den Händen von Botschafter Mariano Fernández Amunátegui

Ruth Schlette erhält den Orden "Al Merito de Chile" aus den Händen von Botschafter Mariano Fernández Amunátegui

Foto: Leif Kubik

Wann haben Sie von der Auszeichnung erfahren?
Ruth Schlette: Ich war von der Nachricht vollkommen überrumpelt. Im letzten Herbst erhielt ich ein Schreiben des chilenischen Botschafters aus Berlin. Mariano Fernández Amunátegui teilte mir darin mit, dass die Präsidentin der Chilenischen Republik, Verónica Michelle Bachelet Jeria, mich mit dem Orden „Al Mérito de Chile“ ausgezeichnet habe.

Sie kannten den Botschafter bereits?
Schlette: Ich habe ihn 1974 kennengelernt. Ich war damals Leiterin des Programmbereichs Faktendokumentation bei der Deutschen Stiftung für internationale Entwicklung (DSE), und Mariano blieb nach dem Sturz von Präsident Allende und dem Beginn der Militärdiktatur in Deutschland. Er war zuvor Dritter Sekretär bei der Botschaft und arbeitete neben seiner Tätigkeit als Journalist und einem Postgraduiertenstudium auch bei der DSE. Und um ehrlich zu sein: Zu Anfang waren wir in vielem unterschiedlicher Meinung. Aber im Laufe der Zeit hat sich daraus eine Freundschaft entwickelt, und er hat mein Interesse für sein Heimatland geweckt.

Wie kommt man überhaupt auf die Idee, sich für ein Land am anderen Ende der Welt zu engagieren?
Schlette: In Chile waren plötzlich die Menschenrechte außer Kraft gesetzt. Wir liefen Sturm gegen die interessengesteuerte deutsche Reaktion darauf, die in Pinochet nur den Antikommunisten und einträglichen Wirtschaftspartner sah: Deutschland lieferte U-Boote und sah über den staatlichen Terror hinweg. Was ich in diesem Kontext sehr bezeichnend finde, ist, dass das Bonner Presseamt, das sonst fast alle Veröffentlichungen sammelte, unsere Aktivitäten einfach ignoriert hat. Das habe ich festgestellt, als ich mich um den Nachlass von Cora Penselin, der Gründerin der Kinderhilfe Chile Bonn kümmerte, und im Stadtarchiv nichts über die Chile-Solidarität der 70er und 80er Jahre finden konnte.

Sie erhielten die Auszeichnung besonders auch für ihr Engagement bei der von Ihnen erwähnten Kinderhilfe Chile Bonn.
Schlette: Genau. Cora Penselin war eine Cousine von Richard von Weizsäcker, und eigentlich gebührt ihr die meiste Ehre: Schließlich war sie es, die die Kinderhilfe gegründet hat. Wir alle waren begeistert von der Idee von Allendes Witwe Hortensia Bussi, auf das Schicksal der Kinder hinzuweisen, denen die Diktatur ihre Väter geraubt hatte. 1981 konnten wir die Öffentlichkeit mit einer Ausstellung im Rheinischen Landesmuseum informieren: „Kinder in Chile malen ihr Leben“, war die Schau überschrieben, die aber nur eine Facette unserer vielfältigen Solidaritätsaktionen darstellte.

Waren Sie gerührt, als Sie von der Auszeichnung erfahren haben?
Schlette: Natürlich bewegt mich die Auszeichnung! In den 70er und 80er Jahren hatten wir noch Hoffnung auf eine Welt ohne Folter und Unterdrückung. Ein Stück dieser Hoffnungen ist mit dem Ende der Diktatur in Chile 1989 in Erfüllung gegangen. Auch dass viele gute Freunde und langjährige Begleiter wie zum Beispiel Rupert Neudeck bei der Feier in der Kommende anwesend waren, hat mich wahnsinnig gefreut.

Werden Sie wieder nach Chile reisen?
Schlette: Wohl kaum, so leid es mir tut. 1981 und 1986, mitten in der Diktatur, reisten Cora Penselin und ich auf Einladung des Solidaritätsvikariats der Erzdiözese Santiago durch Chile. Wir konnten uns ein ungeschminktes Bild von Unterdrückung und Widerstand machen. Eine Wiederkehr war mir, trotz offizieller Einladungen, nicht möglich. Und mit jedem Jahr fällt mir das Reisen schwerer.

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