Führung über den jüdischen Friedhof Gräber mit Sicht gen Jerusalem

SCHWARZRHEINDORF · Etwas versteckt liegt der jüdische Friedhof in Schwarzrheindorf. Gen Süden und Westen befinden sich die Rheindämme, Richtung Norden ist die Verlängerung der Friedrich-Ebert-Brücke. Nur gen Osten ist freies Feld. Die alte jüdische Gemeinde hätte es erfreut, hätten ihre Toten doch freie Sicht nach Jerusalem gehabt.

 Bei der Führung über den jüdischen Friedhof hat Gabriele Wasser hat viel zu erzählen.

Bei der Führung über den jüdischen Friedhof hat Gabriele Wasser hat viel zu erzählen.

Foto: Rainer Schmidt

Denn, so war von Gabriele Wasser bei einer Führung über diesen Friedhof zu hören, ursprünglich sollten alle verstorbenen Juden in diese Richtung schauen können, um die Ankunft des Messias zu sehen. Gabriele Wasser ist die Vorsitzende des Vereins für Geschichte und Kultur der Juden der Rheinlande e. V. in Beuel und hat diesen Friedhof von Karl Gutzmer "geerbt", wie sie sagt. Gutzmer hatte viel für die Chronik von Bonn geschrieben und war Verlagsleiter bei Bouvier gewesen. Mit Gutzmer zusammen hatte Wasser für die Dokumentation dieses Friedhofs recherchiert. "So habe ich von der Pike auf alles über diesen Friedhof gelernt", erzählt sie.

man lernt von Gabriele Wasser lernt auch viel über die Geschichte von Bonn, Beuel und Vilich erfährt viel über das Leben der Juden in dieser Stadt. Dass sie keine Jüdin sondern Katholikin ist, bekommt man nur nebenbei zu hören, wenn über die jüdische Küche gesprochen wird. So erfährt man sehr schnell, warum einige Gräber nach Osten, sprich Jerusalem ausgerichtet sind, und die Mehrzahl der Gräber Richtung Westen, nämlich nach Bonn.

Das hatte ganz praktische Gründe: Bonn liegt näher als Jerusalem und es ist wichtiger geworden, auch für die Toten zu sehen, was in dieser Stadt passiert - Jerusalem ist weit. Und die Juden, die hier lebten, hatten schnell viel von der rheinischen Mentalität angenommen und konnten auch mal "fünfe gerade sein lassen".

Dieser Friedhof wurde im 17. Jahrhundert eingerichtet, der älteste Grabstein stammt aus dem Jahr 1623. Ursprünglich wurden die Toten ohne Sarg in einem Tuch in die Erde gelegt. Obendrauf kamen Steine, da wo der Kopf lag ein besonders großer Stein. Daraus sind später die Grabsteine geworden. Auf diesen steht immer nur ein Name mit dem Zusatz Sohn/Tochter von Vater, kein Nachname. Es ist auch kein Geburtsdatum in den Stein gemeißelt, nur das Sterbedatum. "Ich danke heute noch Napoleon, dass er Vor- und Zunamen eingeführt hat", berichtet Wasser.

"Wenn ich hier stehe, sage ich immer, wir sind jetzt im Bankenviertel". Als solches bezeichnet Gabriele Wasser die Gräber der Familien Salomon Oppenheim und Jonas Cahn. Diese kamen aus dem Bonner Judenghetto. Oppenheim hat sich in Köln mit der Finanzierung des Baus des Kölner Doms einen Namen gemacht. Cahn hatte 1772 das erste Bonner Bankhaus gegründet. Seine Bank wurde später von der Deutschen Bank übernommen.

Das jüngste Grab stammt aus dem Jahr 1992. Die Besonderheit: Theresia Weidenbaum, die hier beerdigt wurde, war keine Jüdin. Ihre Verdienste um die Unterstützung der Juden soll den Rabbi damals veranlasst haben festzustellen: "Dat wor ne jode Jüdin". Diese Aussage, so Gabriele Wasser, zeichnet das rheinische Judentum aus.

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