Geschichte der deutschen Schriften Für Sütterlin-Schrift benötigt man Feder 7

Vilich · Die alte Sütterlin-Schrift, so erzählte Martin Gustorff im Bürgermeister-Stroof-Haus, hat er noch in der Schule gelernt, bis sie später von den Nazis verboten wurde.

 Buchbindermeister Martin Gustorf hat die Süterlinschrift in der Schule gelernt.

Buchbindermeister Martin Gustorf hat die Süterlinschrift in der Schule gelernt.

Foto: Max Malsch

. In der Schule hörte Martin Gustorff von einem Lehrer den Spruch „Ihr könnt doch nicht diese Judenschrift lernen“: Adolf Hitler ließ sie 1941 verbieten, wohl auch, weil Sütterlin eine jüdische Großmutter hatte. Deutschland übernahm die lateinische Schreibweise – dass auch die auf Ludwig Sütterlin zurückgeht, ist eine amüsante Randnotiz.

Solcherlei Dinge erfuhr man bei Gustorffs Vortrag zur Geschichte der deutschen Schrift in den letzten 100 Jahren, den er im Rahmen des Stroof-Kollegs des Denkmal- und Geschichtsvereins Bonn.-Rechtsrheinisch hielt. Er reichte dazu auch Schriftbeispiele herum, einige auch aus der Zeit vor der Einführung der Sütterlinschriften im Jahr 1924: Da gab es die schnörkelige Frakturschrift, die klarere Antiqua und viele Mischformen und Abwandlungen, in denen man mal stärker, mal schwächer mit der Feder aufs Papier drücken musste. Daraus stachen vornehmlich Fremdwörter und Eigennamen hervor, die in heute gut lesbaren lateinischen Buchstaben verfasst waren.

Ein anderer Grund für eine Vereinheitlichung der Schrift war, dass in England die Stahlschreibfeder in Mode kam, mit der man aber nicht vernünftig die deutschen Schriftzeichen zu Papier bringen konnte. Beides zusammen führte dazu, dass Ludwig Sütterlin im Auftrag des preußischen Kultusministeriums ab 1911 eine einheitliche Schrift entwickelte. „Das Charakteristische war, dass eine einheitliche Linienstärke vorhanden war“, so Gustorff.

Besatzungsmächte konnten Süttlerin nicht lesen

Dafür benötigte man ein spezielles Schreibgerät: „die Feder 7“, erinnerte sich der ehemalige Lehrer und Buchbindermeister. Friedrich Soennecken brachte die Gleichzugfeder mit kugeligem Kopf an der Spitze auf den Markt, die man heute noch von Füllern kennt. Wissen dazu steuerte Christian Kleist vom Förderverein Poppelsdorfer Geschichte, in dessen Heimatmuseum auch Soennecken-Exponate zu sehen sind, zum Vortrag bei.

Sütterlin führte seine neuen Schriften 1915 an Schulen ein, die Schüler mussten sowohl die deutsche als auch die lateinische Version lernen. Ihren Siegeszug erlebte er nicht mehr, da er 1917 starb. Seine Entwicklung wurde zur typisch deutschen Schrift, bis sie verboten wurde. Endgültig verschwand sie laut Gustorff nach dem Zweiten Weltkrieg als offizielle Schrift, da die Besatzungsmächte sie nicht lesen konnten. Danach musste sie nur noch der lernen, der alte Texte von seinen Eltern oder Großeltern lesen wollte.

Die heutige Schreibschrift basiert auf Sütterlins lateinischer Schrift. Einige Besucher des Vortrags, der auf für Veranstalter Carl Bachmann überraschend großes Interesse stieß, konnten die deutsche Sütterlinschrift noch lesen.

Der nächste Vortrag im Stroof-Haus findet am letzten Donnerstag im April statt. Zunächst ist das Haus aber für eine Woche zu: Der Denkmal- und Geschichtsverein lässt den steinernen Boden im Erdgeschoss fachmännisch auf Vordermann bringen.

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