Weihnachten im Wanderzirkus Familie Weiß bekommt keinen Strom

Vilich · Der kleine Wanderzirkus Liberty, der seit Anfang November auf dem Landfahrerplatz zwischen Vilich und Vilich-Müldorf überwintert, hatte schon bessere Quartiere für die kalte Jahreszeit gehabt. Auch zum Weihnachtsfest lässt die Stadt Bonn nicht mit sich reden und bleibt bei ihrem harten Kurs.

Am 23. November, also vor genau einem Monat, wurden der Zirkusfamilie Weiß Strom und Wasser abgestellt. Doch das hat nicht dazu geführt, dass sie weiter zieht, wie es sich das Ordnungsamt durch die Zwangsmaßnahme erhoffte. "Wir wissen nicht, wohin wir sollen", sagt Familienoberhaupt Günter Weiß. Alle möglichen Standorte haben sich letztlich zerschlagen.

Jetzt richtet sich die Familie darauf ein, Weihnachten hier zu feiern. Nicht unbedingt idyllisch ohne dauerhaften Strom aus der Steckdose. "Aber ansonsten feiern wir das Fest wie jede andere Familie auch." In einer Ecke des seitlich ausziehbaren Wohnwagens, der dadurch eine akzeptable Stubengröße erreicht, ist ein Platz für den Tannenbaum reserviert.

Es gibt am Heiligen Abend kleine Geschenke, Mutter Marina kocht für ihre Lieben. "Aber die Ente können wir nicht in den Backofen schieben, denn der läuft ja mit Strom." Und das altersschwache Erzeugeraggregat schafft es nicht, den Backofen zu speisen.

Überhaupt ist dieses Gerät jeden Tag nur stundenweise im Einsatz, damit die Stube warm wird und die Kaffeemaschine läuft. "Das Aggregat haben wir eigentlich nur, um bei unseren Vorstellungen das Zirkuszelt etwas anzuwärmen", sagt Junior Francesco Weiß. "Für einen Dauerbetrieb ist es nicht ausgelegt, zumal es auch Öl verliert." Deshalb wird die Ente in diesem Jahr im Gasgrill gebraten. Und man hofft, dass der Stromerzeuger seinen Geist nicht aufgibt und noch eine Weile durchhält. Ansonsten wäre es nicht nur schlecht um die Laune bestellt. Glück im Unglück: "Zumindest ist es in den letzten Tagen nicht so kalt, dass wir ständig heizen müssen."

Gleichwohl hofft die Familie nach wie vor noch auf ein Einsehen der Stadt: "Man kommt sich vor wie der letzte Mensch", so Günter Weiß, dessen Familie nach seinen Angaben nicht verwandt ist mit jener namensgleichen Zirkusfamilie, mit der die Stadt früher schon mal viel Ärger hatte. Dass sie den Platz belegt, der für die Landfahrer reserviert ist, ist zwar nicht angenehm. Aber: "Wir sind als Wanderzirkus doch auch irgendwie fahrendes Volk", findet Günter Weiß.

Was die Familie deprimiert, ist die Nachbarschaft zum Technischen Hilfswerk Beuel. "Die brauchten da drüben nur auf einen Knopf drücken und wir hätten wieder Strom. Aber das THW darf es nicht, hat mir einer von ihnen gesagt", bedauert Weiß. Ein Hilfswerk, das nicht helfen darf, ist eine ungewohnte Situation und sorgt dann doch irgendwie für Kopfschütteln bei den Zirkusleuten. Wenigstens frisches Wasser ist vorhanden. Eine hilfsbereite Bonnerin hat ein Standrohr bei den Stadtwerken gemietet, an das die Leitungen des Zirkus' angeschlossen sind. Die Spenderin hält es für einen schlimmen Akt, was hier passiert. "Ich finde es grausam, wie Menschen, ob sie nun verschuldet oder unverschuldet in eine Notlage geraten sind, fallen gelassen werden", sagte sie dem GA. Und es mute schon seltsam an, wenn auf dem Platz vom THW die ganze Nacht über der Weihnachtsbaum hell beleuchtet sei, und der Familie Weiß kein Strom zur Verfügung gestellt werde, den sie ja auch bezahlen würde. Gleichwohl gibt es noch andere mildtätige Bürger, die ohne große Worte helfen.

Eine Dame aus Bad Honnef brachte Futterspenden für die drei Kamele, zwei Lamas, für die Ziegen und Kaninchen. Ein Mann aus der Nachbarschaft kam mit Brot vorbei. Wer ebenfalls helfen will, kann dies tun mit Diesel, Lebensmitteln sowie Heu, Hafer oder Möhren, für die 17 Tiere.

Wer dem Zirkus Liberty helfen will, kann sich unter Telefon 0178/55 62 652 bei der Familie melden.

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