Kritik am Gesundheitssystem Erste Bonner Pflegemesse will Umgang mit Bedürftigen verbessern

Beuel · Kaum ein Monat vergeht, in dem in den Medien nicht vom demografischen Wandel die Rede ist, von Überalterung, sinkenden Renten, Altersarmut. Diesem negativen Bild der Versorgung im Alter sachliche Informationen entgegenzusetzen, hat sich am Samstag die erste Bonner Pflegemesse im Brückenforum in Beuel zum Ziel gemacht.

Sebastian Schmeier (links) informiert Messebesucher über Alterserscheinungen.

Sebastian Schmeier (links) informiert Messebesucher über Alterserscheinungen.

Foto: Max Malsch

Nötig ist dies nicht nur mit Blick auf die Bevölkerungspyramide: "In Deutschland wird das Thema Pflegebedürftigkeit immer noch tabuisiert, ältere Menschen sind hier nicht wirklich Teil der Gesellschaft", findet Stefan Girolamini, Vertriebsgebietsleiter einer Firma für Rehabilitationstechnik. Diese Einschätzung könnte sich auch in der Rundumschau im Messe-Raum bestätigen, in dem nur wenige Besucher die 20 Stände von Versicherungen, Medizintechnikern und anderen meist in sicherem Abstand betrachteten. Girolamini zeigt dort neueste Rollatoren-Modelle, Aufstehhilfen, Krücken.

Eine kleine Gruppe älterer Damen steht um einen seiner Senioren-Scooter. "Die Dinger sind in Deutschland noch nicht so verbreitet", so Girolamini, "aber in den Niederlanden zum Beispiel ist das ganz normal, man kommt damit problemlos an die Bankautomaten und auf Bürgersteige. Abends stehen davon viele vor den Kneipen, so als wären es Mopeds". Auch die skandinavische Mentalität, das hört man auf der Messe immer wieder, sei im Umgang mit dem Alter eine ganz andere.

Hier wiederum fürchteten sich viele davor, Schwäche zu zeigen, gar stigmatisiert zu werden. Mit verheerenden Folgen: "Kämen Pflegebedürftige und deren Angehörige nicht erst zu uns, wenn überhaupt nichts mehr geht, könnten wir natürlich viel besser helfen", sagt Christian Kloy, der auf der Messe über eine Seniorenbetreuung in den eignen vier Wänden informiert. Oft merke er im Gespräch am Messestand aus den Schilderungen der Angehörigen, "dass die Mutter zum Beispiel ganz klar eine beginnende Demenz hat".

Mangelndes Wissen in Kombination mit einer diffusen Angst davor, abgeschoben zu werden, ließe viele vor einer frühzeitigen Information zurückschrecken. Schlimmer noch als dieses bewusste Ignorieren findet Kloy aber, dass "die Ärzte in manchen Fällen einfach nicht eine Demenz benennen, wo deutlich eine vorliegt, weil sie fürchten, den Patienten dadurch zu verlieren."

Kritik am deutschen Gesundheitssystem und seinen Ärzten übt auch Gertrud Tos. Die 75-Jährige besucht die Messe, um sich, wie sie sagt, "für den Notfall zu informieren". "Es geht vielen Ärzten nur noch darum, möglichst viel Geld zu machen. Es werden so viele Operationen gemacht, die gar nicht nötig wären und mehr schaden als nützen." Skepsis hält die Rentnerin aber auch mit Blick auf die Messe selbst für angebracht, denn "ich fand das zum Teil durchaus informativ. Aber das ist natürlich alles sehr wirtschaftlich, sehr auf den Verkauf bedacht".

Objektivere Informationen, wendet Veranstalter Fanis Theophanous vom Maklerbüro für Vorsorge und Investments ein, "sind aber auch nicht unbedingt gegeben, wenn ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung informieren. Das sind ja genauso Dienstleister".

Gertrud Tos jedenfalls hat in der aufgeregten Debatte um die rechte Altersversorgung für sich schon ein Fazit gezogen: "Es ist wichtig, sich zu informieren, klar. Man braucht aber auch nicht alles glauben, was einem angepriesen wird." Außerdem müsse man sich nicht verfrüht unter Druck setzen lassen. "Ich sage immer: Man ist nur so alt, wie man sich fühlt."

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