Grauen des Naziterrors Erinnerungen eines Mischlingskinds

BEUEL · "Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass Menschen so etwas machen können." Diesen Satz sprach Edith Erbrich, eine Zeitzeugin der Naziherrschaft, schon mehrfach vor Schülern aus, wenn sie von ihren Erfahrungen aus jener Zeit berichtet. Diesen Satz wiederholte sie auch in der voll besetzten Aula der Gesamtschule in Beuel (IGS).

 Edith Erbrich erzählt in der Aula der Gesamtschule ihre Lebensgeschichte.

Edith Erbrich erzählt in der Aula der Gesamtschule ihre Lebensgeschichte.

Foto: Max Malsch

Jochen Rademacher, Lehrer für Deutsch und Geschichte, hatte Edith Erbrich im Frühjahr 2015 im Bonner Buchladen "Le Sabot" kennengelernt und danach in die Schule eingeladen.

Erbrich wurde als Mischlingskind - Mutter katholisch, Vater Jude - 1937 in Frankfurt am Main geboren und als Siebenjährige im Februar 1945 mit ihrem Vater und ihrer älteren Schwester ins Lager nach Theresienstadt deportiert. Ihre Mutter musste alleine zurück bleiben. Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht. Die Befreiung Deutschlands durch die Alliierten, in diesem Fall die russische Armee, rettete an diesem Tag ihr Leben. Denn für den 9. Mai war ihre Deportation nach Auschwitz vorgesehen, ihr Tod so gut wie besiegelt.

Nach dem Krieg versuchte Edith Erbrich ein "ganz normales" Leben zu führen. Sie arbeitete als Industriekauffrau. Doch die Vergangenheit als verfolgte Jüdin im Dritten Reich ließ sie niemals los. Erst nach ihrer Pensionierung 1997 begann Erbrich, öffentlich über ihre demütigenden Kindheitserlebnisse zu sprechen. "Als Dank und Anerkennung an die vielen Helfer, die es zu jenen Zeiten gegeben hat", erklärte sie. Seit 2001 besucht sie viele Schulen und gibt Schülerinnen und Schülern als Zeitzeugin Einblicke in eine Zeit, die für die heutige Generation in weite Ferne gerückt ist. Umso wichtiger sind ihre Bemühungen gegen das Vergessen, für die sie 2007 das Bundesverdienstkreuz erhielt.

Den fürchterlichen Transport ins Konzentrationslager, die dortige Trennung von Vater und Schwester, die zahlreichen Erniedrigungen, die sie im Lager erleiden musste: von all diesen Demütigungen erzählt Edith Erbrich anschaulich und sehr emotional, manchmal eine Träne unterdrückend. Trotz allem ist sie ein lebensfroher Mensch geblieben ist. "Ich hab' das Lachen nicht verlernt" heißt ein Buch, das über sie erscheinen ist.

"Der schönste Tag meines Lebens war die Befreiung und das Wiedersehen mit meinem Papa", berichtete sie so lebhaft, als wäre es gestern gewesen. "Wenn mir bei meiner Erzählung die Emotionalität verloren geht, höre ich sofort auf", gestand Edith Erbrich auf Nachfrage zum Schluss.

Vita

Edith Erbrich wurde am 28. Oktober 1937 in Frankfurt am Main als zweite Tochter der Familie Bär geboren, die Mutter katholisch, der Vater jüdisch. Am 14. Februar 1945 wurde sie mit ihrem Vater und ihrer Schwester Hella mit mehr als 600 Personen von Frankfurt in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort wurden sie am 7. Mai 1945 von der Roten Armee befreit.

Zurück in Frankfurt machte sie ihren Schulabschluss und wurde Industriekauffrau. Als sie 1997 in Rente ging, kam sie mit dem Studienkreis "Deutscher Widerstand" in Berührung. Dabei entstand der Katalog "Kinder in Theresienstadt". In ihr keimte der Wunsch auf, ihren "stillen Helden" aus jenen Tagen zu danken. 1998 wurde sie dann gefragt, ob sie nicht über ihre Erfahrung berichten wolle.

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