Online-Wörterbuch der oberschlesischen Sprache Ein polyglotter Rheinländer

VILICH-RHEINDORF · "Ich habe vor fast acht Jahren meine Cousins in Alt-Schalkowitz, dem heutigen Stare Siolkowice, besucht und wollte mir bei diesem Anlass ein Wörterbuch des Oberschlesischen kaufen", erzählt Wolfgang Theodor Lazik.

 Wolfgang Theodor Lazik an seinem Schreibtisch in Vilich-Rheindorf, wo er das Wörterbuch schrieb.

Wolfgang Theodor Lazik an seinem Schreibtisch in Vilich-Rheindorf, wo er das Wörterbuch schrieb.

Foto: Leif Kubik

"Was glauben Sie, wie erstaunt ich war, als ich erfuhr, dass es so etwas gar nicht gibt: keine Grammatik, kein Wörterbuch - weder ins Polnische noch ins Deutsche oder in sonst eine Sprache. Also hab ich mir gedacht: Dann muss ich das wohl selber machen", sagt der 74-jährige gebürtige Schlesier, der 1958 als Spätaussiedler aus dem Dorf bei Oppeln ins Saarland kam.

Gesagt, getan: Um die 1800 Seiten und 11 000 Schlagwörter enthält das Werk, das jedermann umsonst online nutzen oder herunterladen kann. "Wenn Sie pro Tag eine Seite schaffen - da sind Sie gut", skizziert er schmunzelnd die drei Jahre Arbeit, die er in das Projekt gesteckt hat. Bei der technischen Realisierung des Projekts griff er auf die Hilfe seiner Familie zurück.

"Die oberschlesische Sprache gehört zur Gruppe der westslawischen Sprachen. In den Dörfern hat man zu Hause bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs oberschlesisch gesprochen, in den Städten und beim Gang zum Amt deutsch", erläutert der Hobby-Sprachfachmann, der zuletzt als Chemiker beim Siegwerk gearbeitet hat.

"Ich war Schlesier, dann bin ich Pole geworden, dann Franzose und schließlich Deutscher", sagt er und bezieht sich dabei auf die Tatsache, dass das Saarland erst kurz vor seiner Übersiedlung der Bundesrepublik beigetreten war. "Die oberschlesische Sprache hat sich auf dem Gebiet um Oppeln aus den altslawischen Dialekten der Region ausgebildet und über ein Jahrtausend erhalten", so Lazik. Ob das Oberschlesische eine eigene Sprache oder einen polnischen Dialekt darstellt, ist nicht ganz unumstritten.

"Zunächst einmal musste ich ein Alphabet entwickeln, das den Anforderungen gerecht wurde: Mein Wörterbuch sollte zu den deutschen Bedeutungen auch die polnische Bedeutung sowie Hinweise auf die tschechische oder slowakische Schreibweise der Worte enthalten", sagt Lazik.

Alle vier Sprachen mussten nebeneinander geschrieben werden können, außerdem wollte der Autor die speziellen Vokale der oberschlesischen Sprache in der geschriebenen Form wiedergeben können. Dazu benutzte er neue, nicht im tschechischen oder polnischen Alphabet vorhandene oberschlesische Buchstaben, die er aus den Schriftsätzen der Sonderzeichen lateinisch und kyrillisch entnahm.

Den oberschlesischen Wortschatz teilt Lazik in drei große Gruppen ein: Zum einen Worte, die in den benachbarten Sprachregionen keine entsprechende oder ähnliche Aussprache bei der gleichen Bedeutung haben, wie zum Beispiel das Wort für Kleidung, "Buciory".

Zum anderen Worte, die sich aus dem deutschsprachigen Sprachraum herleiten lassen: "Hier findet man Worte, die kaum abgewandelt sind, wie beispielsweise "Ajmer". Die letzte Gruppe umfasst Worte, die bei ähnlichem Wortlaut im benachbarten westslawischen Sprachraum mit der gleichen Bedeutung wiederzufinden sind, also in der polnischen, slowakischen und tschechischen Sprache.

Die westslawischen Sprachen sind einander trotz der Differenzierung übrigens deutlich ähnlicher als etwa die romanischen oder germanischen Sprachen untereinander. Man spricht daher auch vom slawischen Dialektkontinuum, was bedeutet, dass zwei geografisch benachbarte Dialekte jeweils gegenseitig verständlich sind.

Wer das Wörterbuch und die Grammatik nutzen möchte, kann das unter dr-lazik.de kostenlos tun: entweder direkt online oder als PDF zum Herunterladen.

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