Gespräch am Wochenende „Ein Flugzeugcockpit ist viel komplizierter“

Beuel · Vor fünf Jahren trat Michael Bottenhorn seinen Posten als Organist an St. Josef in Beuel an. Über Kirchenmusik, Organistendienst und Chorarbeit sprach Jutta Specht mit dem 40-Jährigen.

 Musikalische Familie: Michael Bottenhorn mit Sophie, Paul und Ehefrau Hye-Young.

Musikalische Familie: Michael Bottenhorn mit Sophie, Paul und Ehefrau Hye-Young.

Foto: Max Malsch

Es ist nicht bloß der Ton, der die Musik macht, das vermittelt Organist Michael Bottenhorn, wenn er die Oberlinger Orgel in St. Josef zum Klingen bringt. Es ist das Zusammenspiel der Töne, also der unterschiedlichen Schwingungen, die Gefühle erzeugen. Mit elf Jahren hat Bottenhorn das Orgelspielen angefangen.

Organisten standen früher im Ruf, arm wie Kirchenmäuse zu sein. Ernährt das Gehalt heute den Mann und seine Familie?

Michael Bottenhorn: Früher waren Organisten in der Regel auch als Lehrer tätig, selbst dadurch war das Auskommen, besonders in kleineren Orten, eher dürftig. Das hat sich glücklicherweise geändert, wenn auch Kirchenmusiker eine weitaus schlechtere Vergütung als Schulmusiker erhalten.

Und die Arbeitszeiten - immer am Wochenende, immer an Feiertagen?

Bottenhorn: Es ist schön, wenn ich in den Messen an Ostern, Pfingsten, Weihnachten oder auch bei Hochzeiten und Taufen viele Menschen erreichen kann. Und wenn man das Gefühl hat, dass die Botschaft der Musik angekommen ist, dann lohnt sich die Mühe, und ich vergesse, dass ich am Sonn-oder Feiertag gearbeitet habe. Die Arbeitszeiten sind selten am Stück, sondern häufig scheibchenweise über den Tag verteilt, ich nenne das gerne „Sandwichtag“. Zwischen den festen Terminen wie Gottesdiensten, Besprechungen oder Proben muss alles nicht nur musikalisch, sondern auch organisatorisch vorbereitet werden. Zum Glück wohne ich mit meiner Familie direkt neben der Kirche, da sind die Wege – wie häufig in Beuel – kurz. Und wenn ich mittwochs frei habe, sind alle Geschäfte geöffnet. Das sehe ich als Vorteil meiner Arbeitszeit.

Sie und die Orgel: Wann haben Sie zusammengefunden?

Bottenhorn: Es war ein glücklicher Zufall. Als Elfjähriger war ich bei Verwandten zum Weihnachtsbesuch. Mir war langweilig. Da stand eine elektronische Orgel. Ich habe so lange probiert, bis ein Weihnachtslied dabei herauskam. Das Schlüsselerlebnis hatte ich allerdings in der Oberstufe bei einem Konzert im Dom von Fulda. Der Organist der Pariser Kirche Saint-Sulpice, Daniel Roth, spielte an der frisch renovierten Orgel. An jenem Abend war mein Berufswunsch klar, und ich habe diese Entscheidung nicht bereut.

Nach Stationen in Würzburg und im saarländischen Neunkirchen sind Sie als Kirchenmusiker vor fünf Jahren nach Beuel gekommen. Wie ist Ihre Bilanz?

Bottenhorn: Mein Vorgänger Hans Peter Reiners hat gute musikalische Arbeit gemacht, die ich weiter ausbauen konnte, wie die internationalen Orgelkonzerte. Sehr gut ist die Unterstützung und das Miteinander durch Gemeinde und Seelsorgeteam. Es gibt einen Kirchenchor, eine Schola, eine Band und das Collegium Instrumentale. Außerdem gehe ich wöchentlich in den Pius-Kindergarten zum Singen. Bewundernswert ist die Offenheit und Spontaneität der Kinder. Sie scheuen sich nicht, ein Lied allein vorzusingen. Das trauen sich Erwachsene leider selten. Die Oberlinger Orgel ist durch einen elektrischen fahrbaren Spieltisch und eine Chororgel erweitert worden, so dass ich nun in Gottesdiensten und Konzerten näher an den Menschen bin und den Orgelklang so hören kann, wie er im Kirchenraum erklingt.

In St. Josef gibt es recht viele Konzerte. Das ist doch immer mit Aufregung verbunden. Was bringt Sie ins Schwitzen?

Bottenhorn: Vor Aufregung komme ich selten ins Schwitzen, dafür eher, wenn etwa ein Solist kurzfristig absagt und ein Ersatz organisiert werden muss. Von den musikalischen Gruppen erwarte ich viel, helfe aber den Chören und Orchestern, diese Erwartungen zu erfüllen. Durch Üben kann man die Musik in den Griff bekommen. Und je besser die Vorbereitung ist, desto mehr Freude macht allen die Aufführung.

Wie es heißt, sind Sie auch wegen der Oberlinger Orgel nach Beuel gekommen. Was hat die, was andere nicht haben?

Bottenhorn: Sie hat einen französisch-symphonischen Klang. Der Klang ist runder, singender, orchestraler. Wie ein französisches Baguette auch anders schmeckt als ein deutsches. Französische Komponisten haben ganze Symphonien für diesen Orgeltyp geschrieben. Und im Kirchenraum von St. Josef klingt alles direkt und deutlich. Auch für die Improvisation, das spontane Musizieren bietet das Instrument viele Möglichkeiten.

Aber sie wirkt auf den Laien mächtig beeindruckend. Vier Manuale. Unzählige Register. Dazu noch elektronische Unterstützung.

Bottenhorn: Alle diese Mittel dienen nur dazu, den optimalen Klang zu erzielen. Beim Essen ist entscheidend, wie es schmeckt, bei der Musik, wie sie klingt. Davon abgesehen finde ich ein Flugzeugcockpit viel komplizierter!

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