„Glühendes Eisen schweißt zusammen“ Beueler Schmied zeigt Kursteilnehmern, wo der Hammer hängt

Beuel · Der Schmied Werner Wierich bietet in seiner Werkstatt Erfahrungen fürs Leben. Bereits in vierter Generation schmiedet der Küdinghovener Werner Wierich das Eisen. Mit dem GA sprach er über seinen außergewöhnlichen Beruf und die Kurse, die er anbietet.

 GAW Wierich

GAW Wierich

Foto: Wierich

Sind Sie Ihres Glückes Schmied?

Werner Wierich: Das sollte doch wohl jeder sein! Und ja, mich macht Schmieden glücklich. Als Kind saß ich in der Werkstatt, fasziniert vom Feuer und von der Freude unseres Altgesellen bei der Arbeit, seiner Konzentration bei jedem Schlag. Er wusste, was er tat. Das habe ich fürs Leben gelernt.

Reicht das auch für den Lebensunterhalt?

Wierich: Mein Vater hat mir offen gelassen, den Betrieb zu übernehmen oder etwas anderes zu machen. Eigentlich wollte ich Psychologie oder Pädogogik studieren, aber auch das Handwerk erlernen. Seit einigen Jahren habe ich beide Wege unter einen Hut gebracht. Das funktioniert.

Warum bieten Sie Workshops in Ihrer Schmiedewerkstatt an?

Wierich: Ich lade Menschen in meine Werkstatt ein und konfrontiere sie mit Werkzeug. 80 Prozent der Teilnehmer haben kaum handwerkliche Erfahrung – höchstens mal einen Nagel in die Wand geschlagen. Andere kommen und sind überzeugt, zwei linke Hände zu haben. Der praktische Lebensbezug – etwa wie das Korn ins Brot kommt – rückt im Alltag immer weiter weg. Handarbeit reduziert sich für viele auf das Bedienen der Tastatur. Mein Ansatz ist, etwas dagegen zu setzen.

Wie reagieren die Teilnehmer?

Wierich: Schmieden ist eine archaische Tätigkeit. Die Arbeit am Feuer mit Hammer und Amboss wirkt wie ein Katalysator. Es werden Gefühle freigesetzt, die teils schon lange unterdrückt sind. Jeder Teilnehmer steht an einem anderen Punkt. Als Coach unterstütze ich jeden, seine Gefühle zuzulassen, zu benennen und bei Problemen Lösungen zu finden.

Was kann ich beim Schmieden über mich lernen?

Wierich: Elementare Dinge wie Geduld und Ruhe. Viele wollen sofort ein Ergebnis. Das funktioniert beim Schmieden nicht, weil alles seine Zeit braucht. Man steht am Feuer und wartet, bis der Stahl die richtige Temperatur hat. Mancher kommt mit einer konkreten Vorstellung und einem Foto aus dem Katalog, was er machen will. Er lernt, dass das Ergebnis seiner Hände Arbeit vielleicht nicht perfekt, aber etwas Eigenes ist und zufrieden macht. Es können auch unterdrückte Ängste an die Oberfläche kommen, die einen im Leben behindern. Parallel dazu entwickelt sich das Werkstück. Am Schluss soll es fertig sein, damit jeder auch etwas in der Hand hat, worauf er stolz sein kann.

Ungewöhnlich ist die Idee, Kurse für trauernde Männer geben.

Wierich: Im Gespräch mit Freunden habe ich festgestellt, dass sich Männer beim Verlust eines geliebten Menschen wenig Raum geben, zu trauern. Sie stürzen sich in Arbeit, treiben exzessiv Sport oder tauchen für eine Zeit komplett ab. Das handwerkliche Tun mit den vier Elementen Feuer, Erde, Luft und Wasser kann heilsam sein, um einmal ganz bei der Sache und bei sich selbst zu sein. Der harte Stahl wird im Feuer erhitzt, wird weich und formbar und kann mit Hammer und Amboss bearbeitet werden. Es ist eine ganz andere Art, sich an seiner Trauer abzuarbeiten.

Melden sich auch Frauen an?

Wierich: Das Schmieden können sie genauso erlernen wie Männer. Es ist eher eine Frage der Technik und der Ausdauer als der großen Kraft. Nach meiner Erfahrung ist es allerdings sinnvoller, getrennte Kurse anzubieten. Denn die Gruppendynamik kann schnell von rollenspezifischen Stereotypen gehemmt werden. Mit Männern und Frauen schmiede ich beispielsweise Messer, eines der ältesten Werkzeuge der Menschheitsgeschichte. Am Herzen liegt mir auch die Konstellation Vater und Sohn, weil die heutzutage zu wenig miteinander unternehmen. Die Erfahrung, gemeinsam ein glühendes Stück Eisen zu bearbeiten, schweißt auch die Beziehung zusammen.

Welche Pläne schmieden Sie derzeit?

Wierich: Ein neues Thema ist Verseschmieden, eine Verbindung von Schreibwerkstatt und Schmiedearbeit. Außerdem eignet sich die Werkstatt auch als Kulisse für kulturelle Veranstaltungen vor einem kleinen Publikum.

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