Oberkasseler Menschen "Adam war muskulös, Eva sehr grazil"

Oberkassel · Ralf W. Schmitz präsentiert bei einer Exkursion Forschungsergebnisse zu den Oberkasseler Menschen.

 Auch 100 Jahre nach dem Fund der Oberkasseler Menschen interessiert das Thema, zu dem Ralf W. Schmitz forscht, die Bürger.

Auch 100 Jahre nach dem Fund der Oberkasseler Menschen interessiert das Thema, zu dem Ralf W. Schmitz forscht, die Bürger.

Foto: Max Malsch

Dass es sich bei den Überresten des Vierbeiners, gefunden 1914 im Doppelgrab der Oberkasseler Menschen, nicht um einen Wolf, sondern einen Hund handelt, ist schon länger bekannt. Neueren Erkenntnissen zufolge diente er seinen Besitzern jedoch weder als Jagdheld und Wächter, noch soll er in der Lage gewesen sein, ein Tragegestell hinter sich herzuziehen. "Das Tier war ein armes Schwein", weiß Dr. Ralf W. Schmitz, der am Sonntag Interessierten an der Fundstelle der 14 000 Jahre alten Knochen von Ergebnissen eines achtjährigen Forschungsprojekts berichtete. Durchgeführt haben es der LVR, das Landesmuseum und die Uni Bonn.

"Er ist schon als Welpe erkrankt - an einer Infektion des Eckzahns, die zu einer Blutvergiftung führte", so Schmitz. Er habe unter Erbrechen, Durchfall und epileptischen Anfällen gelitten. Dass der "älteste Hund Mitteleuropas" für Frauchen und Herrchen von keinerlei praktischem Nutzen war, habe diese wohl wenig gestört. "Die haben das Tier gepflegt und sich um ihn gekümmert, anstelle ihn zu töten oder sterben zu lassen", weiß Schmitz.

Es sei erstaunlich, dass er in seinem Zustand mehrere Monate überlebt habe. Neben der naheliegenden Vermutung, dass es sich bei den beiden um besonders tiervernarrte Nomaden gehandelt haben muss, haben rund 30 Wissenschaftler weitere Fakten zu den körperlichen Zuständen Adams und Evas aus dem Rheinland schaffen können.

"Die linke Schädelseite des 45-Jährigen ist lädiert, die rechte Elle gebrochen und ein Muskel am Schlüsselbein abgerissen." Das könnte beispielsweise an einem heftigen Schlag gelegen haben. Die 20-jährige Frau sei Mutter von mindestens zwei Kindern gewesen. "Das erkennt man an Veränderungen im Beckenbereich", sagt Schmitz. "Adam war kräftig gebaut und muskulös, Eva sehr grazil."

Ernährt hätten sie sich sehr ausgewogen. "Auch das ist durch Knochenproben belegbar. Sie haben Fleisch gegessen, Nüsse, Pilze, Beeren und Fische, was sicher durch die Nähe zum Rhein begünstigt wurde." "Ich muss Sie enttäuschen, die Beueler sind nicht am nächsten mit den beiden verwandt - es ist das skandinavische Saami-Völkchen", so Schmitz.

Die mitochondriale DNS (Erbgutinfo im Inneren bestimmter Zellabschnitte) erlaube es, Völker zu vergleichen. Mit im Grab befanden sich einige Kunstobjekte - "wem sie zuzuordnen sind, darüber kann man nur mutmaßen". Die Steinbrucharbeiter, die vor rund 100 Jahren auf die Knochen stießen, hätten sich nicht mehr erinnern können, was bei wem lag. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Penisknochen eines Braunbären, ein Fruchtbarkeitssymbol, der Frau gehörte", sagt Schmitz.

Der Zahn eines Rothirsches sei möglicherweise Teil eines Schmuckstückes, das der Mann trug. Eine zentrale Frage bleibt jedoch unbeantwortet: "In welchem Verhältnis standen die beiden zueinander? Waren es Vater und Tochter? War es ein Paar mit großem Altersunterschied? Oder doch Fremde, die zufällig zum gleichen Zeitpunkt gestorben sind?" Schmitz wagt die Prognose: "In fünf Jahren wissen wir, ob die Oberkasseler Menschen miteinander verwandt waren."

Vonnöten sei dafür die Ermittlung der aus Milliarden von Bausteinen bestehenden Kern-DNS. "Von der Schwierigkeit her ist das so, als würde man Goethes Faust durch den Häcksler jagen und nachher versuchen, den Text zu rekonstruieren." Zuhörer Dieter Servos faszinierte der Vortrag. "Ich bin vor acht Jahren nach Oberkassel gezogen und hab eher zufällig von den Ausgrabungen erfahren. Seitdem interessiert mich das sehr."

Der Vortrag fand anlässlich zur bis zum 3. April 2016 laufenden Ausstellung "Revolution jungSTEINZEIT" im LVR-Landesmuseum, Colmantstraße 14-16, statt. Der Eintritt kostet acht, ermäßigt sechs Euro, bis 18 ist er frei.

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