Kommentar Vollanschluss für Pützchen

Meinung | Beuel · Die Ratskoalition hinterfragt die Auswirkungen des Maarstraßen-Anschlusses auf das Beueler Straßennetz. Besonders kritisch sehen die Politiker das Junktim mit Schließung des Autobahnanschlusses Pützchen.

Nicht selten hängen Verkehrspläne bis zu 50 Jahre am Reißbrett, vergilben und passen letztlich nicht mehr in die Zeit. Bonner Beispiele gibt es genug: Südtangente, Hardtbergbahn, Maarstraßen-Anschluss. Letzterem droht im nächsten Jahrzehnt die Landung in der Realität – wenn sich da jetzt nicht die ersten ernst zunehmenden Bedenkenträger zu Wort melden würden. Zaghaftes Räuspern ist in den Reihen der verkehrspolitischen Sprecher im Stadtrat zu vernehmen. Das plötzliche Hinterfragen des Verkehrsplanungs-Dinos für die Autobahn 59 wird bereits auf Landes- und Bundesebene vernommen und löst Stirnrunzeln aus.

Das Geld steht im Bundeshaushalt zur Verfügung, das Planfeststellungsverfahren ist kurz vor dem Abschluss und trotzdem denkt die Stadt Bonn darüber nach, eventuell die Notbremse zu ziehen? Ja, das Nachdenken kommt spät, aber es hat jetzt eingesetzt – und das ist richtig. Warum? Der Autobahnanschluss Maarstraße gehört auf den Prüfstand. Erst recht, wenn der Bund an seiner Forderung festhält, dass die benachbarte Anschlussstelle Pützchen geschlossen werden muss, wenn die Anschlussstelle Maarstraße geöffnet wird. Die Vorzeichen für dieses Junktim haben sich in den vergangenen 50 Jahren entscheidend geändert.

In den 1970er Jahren galt der Anschluss Maarstraße als Heilsbringer. Sollte er doch den Verkehr aus dem Gewerbegebiet Beuel-Ost direkt auf die A 59 führen. Ein ergänzendes Straßennetz war geplant und sollte den Verkehr ohne große Umwege direkt über die Ortsumgehungen Pützchen und Bechlinghoven in die Wohnorte leiten. Fast 50 Jahre später ist die Realität eine andere: Die Ortsumgehung Pützchen wurde nie gebaut, die in Bechlinghoven ist nur zur Hälfte fertig.

Und vor allem hat sich der Beueler Osten ganz anders entwickelt als erwartet. Das Gewerbegebiet Beuel-Ost ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Statt produzierendes Gewerbe prägen Autohandel und mittelständische Handwerksunternehmen die Flächen rund um die Maarstraße. Der Schwerpunkt des Beueler Ostens hat sich über die Jahre etwas nach Norden verschoben: Wohnpark Vilich-Müldorf, die Gewerbegebiet Am Mühlenbach und Holzlar sowie der in den Startlöchern stehende Büro- und Gewerbepark Pützchen haben andere Hauptverkehrsadern ausgeprägt. Die Siegburger Straße und die angrenzende Autobahnauffahrt Pützchen sind zum Herzstück der dortigen Verkehrsinfrastruktur geworden.

Ein Schließen der Anschlussstelle käme für Beuel einem Verkehrsinfarkt gleich und hätte womöglich das Aus für den Büro- und Gewerbepark als Konsequenz. Was ist zu tun? Der Maarstraßen-Anschluss macht heutzutage nur noch Sinn, wenn die Anschlussstelle Pützchen offen bleibt. Lehnt der Bund das ab, sollte Bonn auf den zusätzlichen Anschluss verzichten. Gespräche zwischen Bonn und Berlin sind diesbezüglich längst überfällig. Und vielleicht ergibt sich aus den Gesprächen mit dem Bundesverkehrsministerium noch eine mutigere, dafür visionäre Variante: Kein Maarstraßenanschluss, dafür aber ein leistungsfähiger Vollanschluss in Pützchen. Das wäre der große Wurf.

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