Sicherheit in Beuel Selbstverteidigungstrainer sucht dunkle Ecken in Bonn

Beuel · Nach einem GA-Aufruf haben Leser dunkle Ecken in Beuel genannt. Selbstverteidigungstrainer Michael Schindewolf hat daraufhin die Haltestelle Ramersdorf und den Beueler Rathausvorplatz unter die Lupe genommen. Sein Rat: „Gefahr erkennen – Gefahr vermeiden“.

Dunkle Ecken fallen im Winter besonders unangenehm auf. Wer dort lang muss und dazu noch allein, dem kann bange werden. Das Gefühl ist handfest, auch wenn objektiv gar keine Gefahr besteht. Die GA-Redaktion hat Leser gebeten, dunkle, unheimliche Ecken in Beuel zu nennen. Die Liste reicht vom Bröltalbahnweg, der Fußgängerunterführung zwischen Königswinterer Straße und Obere Wilhelmstraße, dem Weg an der Linie 66 bei Vilich-Müldorf bis hin zum Park am Mehlem'schen Haus. Zwei Orte, die eigentlich gar nicht so dunkel sind, hat die Redaktion gemeinsam mit dem Selbstverteidigungstrainer und Diplomsportwissenschaftler Michael Schindewolf unter die Lupe genommen: die Haltestelle Ramersdorf und den Beueler Rathausvorplatz. Beide sind laut Polizei nicht auffällig. Aber Schindewolf hat einen Blick für Angsträume. Vor allem weiß er, welche Sicherheitsvorkehrungen jeder treffen kann.

18 Uhr, Haltestelle Ramersdorf: Selbstverteidigungstrainer Michael Schindewolf hat sich außerhalb der Lichtkegel postiert. Er beobachtet die Szenerie, denn er soll erklären, warum die Haltestelle vor allem abends auf Fahrgäste beängstigend wirken kann und gemieden wird. Weil das Gebäude rundherum beleuchtet ist, stellen sich die wartenden Fahrgäste offenbar automatisch ins Helle. Schindewolf rät davon ab. „Jeder, der im Schatten steht, kann mich abchecken, ohne dass ich ihn sehe. Besser ist, etwas außerhalb der Lichtquellen zu warten“, sagt er.

„Das Gelände um das Gebäude ist unübersichtlich und liegt abseits von der Bundesstraße“, sondiert Schindewolf die Umgebung. Nach seiner Auffassung ist die Anlage der Haltestelle ein Ort für Bedrohungsszenarien. Tatsächlich ist sie in der Polizeistatistik nicht auffällig. Doch Schindewolf weist auf schlecht einsehbare, lange Gänge hin, auf die Rolltreppe, die in einem engen Kanal hinunter auf den Bahnsteig führt. „Im Falle einer Bedrohung gibt es keine Fluchtmöglichkeit. Als Frau wäre ich hier abends nicht unbedingt gern alleine unterwegs.“ Bei Kameras an den U-Bahn-Stationen ist das „Problem der Faktor Mensch. Sieht er in dem Moment hin, wenn etwas passiert?“ Wobei es ihm nicht darum geht, Angst zu machen. Vielmehr: „Die Leute sollen aufmerksam sein, was um sie herum passiert.“

Überraschungsmoment für Angriffe genutzt

Schindewolf geht auf einen jungen Mann zu, der auf den Bus wartet. Der hat Kopfhörer auf, starrt auf sein Handy und merkt gar nicht, wie nah Schindewolf an ihn herantritt. „Alle stehen allein, viele sind durchs Handy abgelenkt. Das ist nicht gut.“ Bevor Täter aktiv würden, beobachten sie. Das Opfer würde auch unter dem Gesichtspunkt des Überraschungsmoments ausgewählt. „Ressourcenorientierte Täter, das sind beispielsweise Taschendiebe, wollen nicht lange mit dem Opfer ringen, sondern rasch mit der Beute verschwinden.“ Im Umkehrschluss sollte man also nach solchen „Beobachtern“ Ausschau halten? „Wenn du auf der Hut bist und das auch signalisierst, kommst du als Opfer eher nicht infrage.“

Allerdings können Passanten dennoch in prekäre Situationen geraten. Folgendes Szenario: An der Haltestelle Uni/Markt lungere täglich eine Gruppe herum. Sie habe diesen Treffpunkt als ihr Territorium vereinnahmt. „Es ist quasi ihr Wohnzimmer. Das heißt, alle die vorbeigehen, stören und werden angepöbelt. Schon die Rückfrage „Was wollen Sie ?“ wirkt wie Benzin ins Feuer gießen, provoziert weitere Aggression. In der Gruppe ist man stark“, erläutert Schindewolf. „Also, egal, was die sagen, Klappe halten.Weitergehen.“ Einer Bekannten sei es passiert, dass sie angemacht wurde, und der Ehemann als Beschützer selbstverständlich für sie einstand. „Genau das wollte die Gruppe erreichen. Die Situation eskalierte.“ Für das Ehepaar eine traumatische Erfahrung. Die Frage, wer recht hat, steht für Schindewolf in dieser bedrohlichen Situation nicht im Vordergrund, sondern sich zu schützen. „Bloß nicht den Helden spielen.“ Sein Rat: Gefahr erkennen, Gefahr vermeiden – und einen Bogen um die Gruppe machen. Nach Schindewolfs Beobachtung nimmt die Zahl von Gangs, die ein Territorium, einen bestimmten Platz für sich beanspruchen zu. Aber auch, dass eher große, starke Männer Zielscheibe von Übergriffen werden. Um es platt zu formulieren: Sie im Kampf niederzustrecken, bringt in der Gang mehr Anerkennung. Wobei das Opfer zunächst im Unklaren gelassen wird, mit wie vielen Gegnern es zu tun hat.

Rathausplatz Beuel für Drogengeschäfte genutzt

Sicherheitsvorkehrungen: Dunkelheit ist zwar für viele angstbelastet. Aber sie kann umgekehrt auch schützen. Keinesfalls sollte man sich zwingen, gegen seine Angst handeln. Schindewolf: „Eine gesunde Einschätzung hilft und die Frage: Muss ich mir das antun? – zum Beispiel mitten durch eine Ansammlung Betrunkener laufen, weil das der direkte Weg ist.“ Fahrgäste sollten sich in der Nähe des Taxistands auf der Rückseite des Gebäudes aufhalten. „Das Scheinwerferlicht beleuchtet das Gelände. Außerdem haben die Taxifahrer Funk und können rasch Hilfe herbeirufen.“ Unterwegs sollte man automatisch auch immer einen Blick zurückwerfen, ebenso auf engen Treppen und auch an Bahnsteigen. Wer ein ungutes Gefühl hat, sollte sich zu einer Gruppe stellen und sich auch nicht scheuen, Passanten anzusprechen. Klar, deutlich und laut: „Helfen Sie mir!“

19 Uhr, Rathausplatz Beuel: Obwohl die Friedrich-Breuer-Straße belebt ist, wirkt der Rathausplatz verlassen, wie eine Insel. Nur wenige Fußgänger nutzen den Verbindungsweg zum Konrad-Adenauer-Platz. Auch auf der rückwärtigen Sankt Augustiner Straße herrscht noch viel Verkehr. Doch die Betriebsamkeit strahlt nicht auf den Platz aus. „Wer sieht mich hier, wenn ich angegriffen werde?“, fragt der Selbstverteidigungstrainer Schindewolf.

Nach gut zehn Minuten auf dem Rathausplatz macht er auf einen Jugendlichen im weißen Sweatshirt aufmerksam und auf einen torkelnden Mann, der mit scheppernder Tüte an der Rathaustreppe Halt macht. Der Mann scheint betrunken. „Es hat halt jeder eine andere Vorstellung von einem schönen Abend“, sagt Schindewolf. Unterdessen überquert der Jugendliche bereits zum dritten Mal den Platz, diesmal hat er offensichtlich einen Joint in der Hand und raucht. Der Geruch ist eindeutig. „Ich glaube, auf diesem Platz gibt es ein ganz anderes Problem“, so Schindewolf. „Hier sind Drogendealer unterwegs.“ Das bestätigt auch der Inhaber eines benachbarten Restaurants. Er möchte nicht namentlich genannt werden, weil er sich fürchtet. Wie er behauptet, werden Grünflächen als Drogenverstecke genutzt. Für die Übergabe würden Kunden die GPS-Koordinaten übermittelt. „Umso mehr ein Grund, bei Dunkelheit lieber den Umweg über die belebteren Straßen zu machen.

Zur möglichen Selbstverteidigung: „Wer angegriffen wird, sollte sich nicht scheuen, mit allem nach dem Täter zu schlagen, was er zur Hand hat. Schlüssel, Getränkedosen, Stift, Tasche. Auch mit einem heißen Getränk kann man sich wehren“, rät Trainer Schindewolf. Was ist mit Pfefferspray? „Stresstechnisch schwierig zu handhaben.“ Schindewolf hat immer eine kleine, starke Taschenlampe dabei. „Damit blende ich den Angreifer. Das verschafft mir Zeit zum Weglaufen.“

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