Reaktion auf Abstimmung Nach dem Brexit-Votum wurde Paul O'Hara aus Beuel Deutscher

Bechlinghoven · Am 23. Juni 2016 stimmten die Briten beim Referendum mehrheitlich für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union („Brexit“). Am nächsten Tag beantragt Paul O'Hara die deutsche Staatsbürgerschaft.

 Birgit und Paul O'Hara: Auf manche Dinge aus seiner englischen Heimat kann O'Hara, der mittlerweile auch den deutschen Pass hat, nicht verzichten.

Birgit und Paul O'Hara: Auf manche Dinge aus seiner englischen Heimat kann O'Hara, der mittlerweile auch den deutschen Pass hat, nicht verzichten.

Foto: Engländer in Beuel

Den 23. Juni 2016 wird Paul O'Hara so schnell nicht vergessen. Es ist der Tag, an dem die Briten bei einem Referendum mehrheitlich für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ("Brexit") stimmten. Am nächsten Tag schon ging O’Hara zum Bonner Ausländeramt und beantragte die deutsche Staatsbürgerschaft. „Wir waren total geschockt“, sagt der 57-Jährige, der mit seiner Frau Birgit in Bechlinghoven lebt. „Ich hätte nie damit gerechnet, dass es zu solch einem Ergebnis kommen könnte.“

Den charmanten englischen Akzent hat der Softwareentwickler immer noch – obwohl er schon seit gut 30 Jahren in Deutschland lebt. Und damit war er übrigens von der Abstimmung ausgeschlossen. Denn stimmberechtigt waren nur jene Auslandsbriten, die weniger als 15 Jahre außerhalb der britischen Insel leben.

In seine erste Reaktion habe sich sicher auch Protest gemischt, sagt O’Hara. Als er aber später erfuhr, dass er seinen britischen Pass weiterhin behalten könne, war er dann doch froh. „Aber ich war bereit, ihn abzugeben“, betont er kopfschüttelnd ob der Brexit-Entscheidung.

Der studierte Geologe wollte seinerzeit eigentlich nur für ein paar Monate nach Deutschland kommen. „Ich habe gute Freunde besucht, die in Rheinbach in einer WG lebten und ein Zimmer frei hatten“, erzählt er lachend. „Zu denen habe ich immer noch engen Kontakt.“ Aus ein paar Monaten sind dann 30 Jahre geworden.

Denkzettel für die Regierung ohne an die Folgen zu denken

Und Deutschland ist in dieser Zeit auch ein Teil von ihm geworden. „Ich habe sehr gute Freunde hier, und das Wetter ist auch besser als in England“, sagt er lächelnd. Spätzle, Maultaschen und Nürnberger Würstchen liebt er. Und was vermisst er aus seiner Heimat. „Meine Eltern“, sagt er sofort. „Vor allem jetzt, wo sie betagt sind.“

Er hat aber auch in Keighley, Yorkshire, noch einen ganz tollen Freundeskreis. „Wenn er ihnen schreibt, dass er kommt, dann sind alle gleich zur Stelle“, schaltet sich seine Frau Birgit ein. So wie zuletzt Weihnachten. Heiligabend wird in England traditionell im Pub verbracht, erzählen sie lachend.

Nun, es gibt noch ein paar Kleinigkeiten, auf die Paul O’Hara auf keinen Fall verzichten kann. PG Tips zum Beispiel, eine relativ einfache Teesorte, aber die muss es sein und wird bei jedem Englandbesuch in Großpackungen besorgt. Branston Pickle auch auf keinen Fall. Das süßsaure chutneyartige Gemüse in brauner geleeartiger Sauce fehlt im O’Hara-Haushalt ebenso wenig wie Minzsauce und Robertson's Scotch Marmelade. Und ja, den Independent und den Guardian liest er online, und die BBC News verpasst er auch selten.

Für ihn ist klar, dass seine Landsleute protestieren wollten: „Sie haben der Regierung einen Denkzettel verpassen wollen – und jetzt haben sie den Salat.“ O'Hara hat verfolgt, wie die Europagegner Stimmung gemacht haben.

„Beim Brexit gewinnt keiner“

„Da fuhren zum Beispiel rote Busse durch die Gemeinden mit riesigen Lettern drauf. Da hieß es, nach dem Brexit würden 350 Millionen Pfund pro Woche statt an die EU an das Gesundheitssystem NHS gehen. So ein Quatsch! Aber die Leute haben das geglaubt“, sagt der frisch eingebürgerte Deutsche.

Er sieht jetzt in seiner eigenen Verwandtschaft und seinem Freundeskreis, welche Folgen die Entscheidung haben kann. Ein Schwager, der Ingenieur bei einem internationalen Unternehmen war, hat seinen Job verloren.

Überall gebe es Umstrukturierungen und Verlagerungen von Unternehmensteilen ins Ausland, erklärt Paul O'Hara. Die britische Hotellerie und Tourismusbranche habe bereits geklagt, es würden aufgrund der restriktiven Einreisepolitik 60.000 Arbeitskräfte fehlen. Das englische Pfund verliere an Wert, und heute schon würden die Preise für Importwaren, vor allem bei Lebensmitteln, steigen. „Beim Brexit gewinnt keiner“, so Paul O'Hara.

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