GA-Serie "Kulturstandort Beuel" Intendant Moritz Seibert über sein Junges Theater

Beuel · Wenn er die Stimme erhebt, dann stoßen seine Worte auf Resonanz. Moritz Seibert will sich aber nicht als Kritiker und Nörgler verstanden wissen, sondern als Vermittler und Mahner, der Denkanstöße gibt.

 Intendant Moritz Seibert .

Intendant Moritz Seibert .

Foto: Benjamin Westhoff

Sie haben eine „eklatante Unterfinanzierung“ der privaten Kulturträger ausgemacht. Können Sie das belegen?

Moritz Seibert: Ungefähr 650.000 Menschen besuchen pro Jahr die Bonner Theater. Davon gehen 450.000 Euro in die privaten Theater. Die privaten Einrichtungen erhalten zusammen nicht mal eine Million Euro städtische Zuschüsse, und die wurden bei den meisten Einrichtungen – auch beim JTB – seit bald 20 Jahren nicht mehr angehoben. Die Wertschätzung der Bevölkerung für unsere Arbeit und die Bedeutung der freien Kulturszene für Bonn spiegelt sich in den Zuschüssen derzeit nicht mehr wider.

Wie hoch ist der städtische Zuschuss für Ihr Haus?

Seibert: Wir erhalten 180.000 Euro. Das macht pro Besucher im Jahresschnitt 1,22 Euro. Der Durchschnitt der öffentlichen Förderung bei allen deutschen Jugendtheatern liegt im Vergleich bei etwa 38 Euro pro Besucher.

Wie wirkt sich die Unterfinanzierung in der täglichen Arbeit aus?

Seibert: Vor allem bei den Löhnen für die Angestellten. Der Tariflohn für die Schauspieler liegt bei 8,85 Euro pro Stunde und entspricht damit dem Mindestlohn. Somit verdient ein Mitarbeiter bei uns monatlich keine 1900 Euro brutto. Davon kann man keine Familie ernähren. Es wird auch immer schwieriger, überhaupt noch Mitarbeiter zu finden, die bereit sind, für so wenig Geld eine so anspruchsvolle Arbeit zu leisten.

Wie hoch müsste der städtische Zuschuss sein, damit Sie angemessene Löhne zahlen könnten?

Seibert: Wir gehen davon aus, dass wir ungefähr 200.000 Euro jährlich zusätzlich einsetzen müssen, um unsere etwa 30 fest angestellten Mitarbeiter angemessen bezahlen zu können und um als Arbeitgeber wieder wettbewerbsfähig zu werden. Diese Größenordnung können wir nur durch eigene Maßnahmen nicht aufbringen. Die Stadt und das Land NRW müssen mit höheren Zuschüssen einen wesentlichen Beitrag leisten, wenn sie das JTB dauerhaft erhalten wollen.

Ihre Appelle und Hilferufe sind ja nicht erst seit gestern zu vernehmen. Warum geschieht nichts?

Seibert: Dass es bislang nur bei Lippenbekenntnissen von Politik und Verwaltung geblieben ist, liegt sicherlich vor allem an der angespannten Finanzlage der Stadt Bonn. Der Wert unserer Arbeit wird durchaus wahrgenommen, aber daraus muss dringend auch eine Verbesserung unserer Förderung und damit unserer wirtschaftlichen Lage resultieren. Und das gilt sicher nicht nur für das JTB, sondern auch für einige weitere der privat getragenen Kultureinrichtungen in Bonn. Wenn die Bundesstadt nicht mehr Geld für die Kultur zur Verfügung stellen kann, muss aber über eine Umverteilung der Zuschüsse nachgedacht werden. Es darf nicht bei diesem eklatanten Missverhältnis zwischen städtischer und privater Kultur bleiben. Entsprechender Druck aus der Stadtgesellschaft wäre in der Sache hilfreich.

2015 ist es gelungen, dass das JTB das Theatergebäude in der Hermannstraße kaufen konnte. Wann ist der Kredit abgezahlt?

Seibert: Wenn wir keine Sondertilgung leisten können, dauert das noch mehr als 20 Jahre. Aber auf uns kommen auch immer wieder neue Sanierungskosten zu. Wir benötigen dringend neue Fenster im ersten Obergeschoss, weil die alten aus energetischer Sicht nicht mehr zu verantworten sind. Die Fenster kosten allerdings 15 000 Euro. Wir hoffen auf Spenden und den Verkauf unserer Stiftersteine. Ein Stein kostet 249 Euro. 60 neue Anmeldungen liegen uns bereits vor. Aber das reicht noch nicht, um alle noch ausstehenden Arbeiten bezahlen zu können.

Wie bewerten Sie den Umzug des Pantheons nach Beuel?

Seibert: Für den Kulturstandort Beuel ist das ein absoluter Gewinn. Beuel hat dadurch an kultureller Vielfalt enorm gewonnen. Jetzt gilt es, aus dem Areal rund um das Pantheon ein attraktives Kulturquartier zu entwickeln. Gemeinsam mit der Stadt Bonn und der lokalen Wirtschaft sollte das Profil des Stadtteils geschärft werden, unter einem Motto wie „Lebenslust und Genuss“. Die auswärtigen Besucher des Pantheons und der anderen Kulturangebote müssen schneller sehen, welche tollen gastronomischen und Einzelhandels-Angebote es hier gibt – und umgekehrt.

Kann die Zusammenarbeit der Beueler Kulturtreibenden verbessert werden?

Seibert: Grundsätzlich ja. Es gibt einen Kulturstammtisch, der aber nicht sehr oft zusammenkommt. Die Programmhefte der anderen Einrichtungen liegen jeweils überall aus. Und wenn jemand Hilfe benötigt, wird geholfen. Aber oftmals fehlt die Zeit für ein intensiveres Miteinander, aus dem sich auch inhaltliche Zusammenarbeit ergeben kann.

Die letzte Runde ‚Stiftersteine‘ läuft noch bis Ende August – dann müssen die Anmeldungen vorliegen, damit die Steine bis zur Spielzeiteröffnung angebracht werden können. Infos auf www.jt-bonn.de oder www.jtb-stiftung.de

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