Gespräch am Wochenende Aus der Politik in die Gastronomie

Beuel · Der berufliche Werdegang von Karlheinz Schonauer hält Überraschungen bereit: Der Politologe war lange Jahre Referent der Bundes-SPD und später als Geschäftsführer viele Jahre in der Führungsetage der Partei aktiv, bevor er ein orientalisches Restaurant in Oberkassel eröffnete. Nebenbei schreibt er über den armenischen Genozid. Mit Schonauer sprach Leif Kubik.

 Die Politik hat Karlheinz Schonauer an den Nagel gehängt. Er wurde Gastronom. Und es blieb ihm Zeit zum Recherchieren und Schreiben.

Die Politik hat Karlheinz Schonauer an den Nagel gehängt. Er wurde Gastronom. Und es blieb ihm Zeit zum Recherchieren und Schreiben.

Foto: Max Malsch

Herr Schonauer, eine Redewendung lautet „Wer nichts wird, wird Wirt“. Trifft das auch auf Sie zu?

Karlheinz Schonauer: Na ja – an Ihren eingangs erwähnten Satz hatten wohl auch die Mitarbeiter bei der Gründerberatung der IHK gedacht, als ich denen meine Idee zum ersten Mal vorgestellt habe. Die fanden mein Konzept nämlich nicht besonders tragfähig. Aber der Reihe nach: Meine politische Arbeit hat mich vielfach in den Nahen Osten geführt, wo ich mit dem Konzept der Mezze – verschiedene Speisen auf kleinen Tellern, die man am ehesten noch mit Tapas vergleichen könnte – kennengelernt habe. Als dann zum Jahrtausendwechsel der Umzug von Regierung und damit verbunden natürlich auch der Parteizentrale der SPD anstand, beschloss ich, nicht mit nach Berlin zu gehen, sondern in meiner rheinischen Heimat etwas Neues zu versuchen.

Der Erfolg scheint Ihnen recht zu geben. Immerhin gibt es das Restaurant „Karawane“ seit 16 Jahren. Was ist das Erfolgsgeheimnis?

Schonauer: Das Ungewöhnliche – es gibt eine Speisekarte zum Probieren. Der Gast bekommt zunächst einen Probierteller mit neun verschiedenen Speisen, um herauszufinden, was ihm am besten schmeckt. Die Idee dazu ist in Tel Aviv entstanden, als ich in einem Restaurant mit ähnlichem Konzept saß. Da habe ich mir gesagt, was in Israel geht, müsste doch auch in der Heimat zu realisieren sein. Das habe ich dann zum Erstaunen vieler in Oberkassel umgesetzt.

Fiel Ihnen der Abschied von der Politik schwer?

Schonauer: Als Politologe hatte ich trotz der Belastung durch mein neues berufliches Standbein plötzlich mehr Muße zur Forschung und zum Schreiben, als das zuvor der Fall gewesen ist. So gesehen habe ich die Politik zwar an den Nagel gehängt, die Politologie jedoch wieder stärker in den Vordergrund gerückt.

Ihre schriftstellerische Arbeit dreht sich schwerpunktmäßig um den Ersten Weltkrieg. Beim Oberkasseler Literaturherbst haben Sie einen Text über das Schicksal der Armenier und die Rolle der deutschen Reichsregierung bei dem Genozid vorgelesen. Wie sind Sie auf dieses Thema gestoßen?

Schonauer: Ich arbeite seit nunmehr 20 Jahren zur Geschichte des Ersten Weltkriegs und habe bereits ein umfangreiches protokollarisches Werk über das Jahr 1914 veröffentlicht. Der Armenien-Text stammt aus einem weiteren Buch, in dem ich gerade arbeite und in dem ich die folgenden Jahre bis zum Kriegsende 1918 aufarbeiten möchte. Die Passage, die Sie ansprechen, hatte ich nicht zuletzt in Hinblick auf die aktuelle Resolution des Bundestags gewählt.

Sie haben eine besondere Beziehung zum Nahen Osten?

Schonauer: Ich war im Rahmen meiner Arbeit für die SPD sehr oft dort, besonders häufig in Israel. Das Schicksal dieses Landes bewegt mich als Sozialdemokrat sicher etwas mehr als die Schicksale anderer Länder. Inzwischen verbinden mich, bei aller notwendigen Kritik an der aktuellen Politik des Landes, auch einige langjährige Freundschaften mit Israel.

Was treibt den Sozialdemokraten Schonauer in solch turbulenten Zeiten wie heute um? Lässt Ihnen der Zustand der SPD nicht die Tränen in die Augen schießen?

Schonauer: Natürlich besorgt mich der Erfolg der Populisten weltweit. In Hinblick auf die SPD fühle ich tatsächlich eine gewisse Wut, weil ich merke, dass die Parteiführung nicht klar genug gegen das völkische Geschwätz der Rechten argumentiert. Um politikfähig zu werden, können wir unser Land nicht länger ethnisch definieren. Jérôme Boateng ist ein deutscher Fußballer und als Bürger genauso deutsch wie Sie und ich. Als Kanzlerkandidaten wünsche ich mir eine Person, die gegenüber der neuen Rechten klare Kante zeigt.

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