Godesberger Gegensätze Zwischen Luxus und Verfall

Bad Godesberg · Viele ehemalige Botschaften und Residenzen werden zu Wohnimmobilien umgebaut. Doch eine zweistellige Anzahl diplomatischer Vertretungen steht immer noch leer - und das 16 Jahre nach dem Umzug.

Was für ein Gegensatz! Als die ersten Gesandten und Diplomaten zu Beginn der 50er Jahre in Bonn eintrafen, zog es viele erst einmal ins Rheinhotel Dreesen nach Rüngsdorf: Direkt an den Rhein, gegenüber vom Siebengebirge, umrahmt von Fachwerkhäusern und altem Kirchturm. Diplomatie traf hier auf rheinische Provinz. Das Rheinhotel wurde zur Keimzelle der späteren Diplomatenstadt. Eine seltsame Mischung, die Zufälle der Zeitläufte kannten kein Pardon. Plötzlich waren es ausgerechnet die Godesberger - Bonn war damals gefühlt noch weit weg - die der Welt, in Gestalt der Diplomaten, das neue Deutschland näherbringen sollten. Und: Sie taten es mit Bravour. Rheinische Weltoffenheit und Toleranz sorgten für ein harmonisches Zusammenleben und signalisierten der Welt: Mit diesem Deutschland konnte man zusammen leben. Und die Diplomaten liebten Godesberg. Schon bald hieß es: Das Schönste an der Bundeshauptstadt ist Bad Godesberg.

Als die Diplomaten aus dem Rheinhotel auszogen, kauften oder mieteten sie sich teilweise herrliche Anwesen in Rüngsdorf, Plittersdorf und Mehlem. Erst in den 80er Jahren begann die Zeit der Botschaftsneubauten: die Chinesen an der Rigal'schen Wiese, die Sowjets auf der Viktorshöhe, die Syrer in der Rheinaue, die Japaner - übrigens die Letzten, die im Herbst 1990 eine neue Botschaft eröffneten - an der Ecke Kennedyallee/Godesberger Allee, um nur einige zu nennen. Eine glanzvolle Zeit. Aber auch damals war nicht alles Gold, was glänzte. So titelte der "Stern" 1997: "Die armen Botschafter in Bonn" und berichtete von 35 Nationen, die ihr Land "im Gewand des Hungertuchs" repräsentierten. Gegensätze - damals wie heute.

Nicht nur für die Godesberger, die sich 50 Jahre lang von ihrer besten Seite gezeigt hatten, war das Jahr 1999 eine Zäsur. Auch für die Diplomaten war der Umzug nach Berlin "mit einer Träne im Knopfloch" verbunden, wie der damalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Werner Hoyer, einst bemerkte. Der letzte portugiesische Botschafter in Bad Godesberg, Pinto da Franca, sagte zum Abschied: "Ich werde dieses ökologische Paradies mit dem Namen Bad Godesberg sehr vermissen."

Apropos Ökologie: Sähe er heute seine frühere Residenz an der Dollendorfer Straße am Plittersdorfer Rheinufer, die Portugal 2002 an eine Eigentümergemeinschaft verkaufte, wäre er vermutlich erstaunt. Sein einstiger Park: bebaut mit sogenannten Stadtvillen. Gleich gegenüber die gerade fertiggestellten Eigentumswohnungen des "Palais 21" auf den knapp 4000 Quadratmetern, die einst die bulgarische Botschaft beherbergten. Weiter südwärts in Rüngsdorf und Mehlem lässt sich die Liste der Verdichtungen am Rheinufer fortsetzen: Zwischen dem früheren Hauptgebäude des Wehrbeauftragen der Bundesregierung, dem Godesberger Hof, und der Basteistraße entstanden auf 11.000 Quadratmetern großzügige Einfamilienhäuser.

Hochwertige Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen französischen Botschaft an der Rheinstraße, jetzt "Rheinentré", dem Gelände der früheren türkischen Botschaft an der Rüdigerstraße, heute "Nibelungenkarreé", weitere Stadtvillen auf dem einstigen Grundstück der Saudis, Name: Rheingold. Auch Flächen der historischen Muffendorfer Kommende, früher Sitz der belgischen Botschaft, wurden für Wohnzwecke nach dem Regierungsumzug neu bebaut. Und wo wir gerade in Muffendorf sind: Demnächst werden gleich neben der leer stehenden "Cäcilienhöhe" die ersten Eigentümer in das "Premium-Objekt" mit dem Namen "Cäcilienterrassen" einziehen, das auf den Grundmauern der Botschaft von Nigeria gebaut wurde: "Ein exklusiver Standort über den Dächern von Bad Godesberg", versprechen die Verkäufer. In eine Luxussenioren-Residenz verwandelte sich vor elf Jahren die Villa Camphausen, ehemalige Botschaftsresidenz von Südkorea.

Schöne und herrschaftliche Villen sind natürlich auch im Godesberger Zentrum zu finden, beispielsweise die Villa d`Esta in der Brunnenallee, einst die Botschaftsresidenz von Monaco, oder die alte Kaufmannsvilla am Kurpark gegenüber von der Redoute, die fast 50 Jahre spanische Botschaftsresidenz war und Mitte des 19. Jahrhunderts von dem Kölner Industriellen Eduard Jost erbaut worden war. Nach einer wechselvollen Geschichte nutzten die Spanier die Villa ab 1951 und vergrößerten das Gebäude, indem der jetzige Vortragssaal und das Treppenhaus mit Toiletten angebaut wurden. Im Juli 2008 wurde die Villa von der Kanzlei v. Tunkl & Partner, Rechtsanwälte und Steuerberater, angemietet. "Man empfindet schon ein wenig Stolz, in einem Haus mit einer solchen Vergangenheit seiner Arbeit nachzugehen. Es ist ein wohlwollender Unterschied zu modernen, oft kalt wirkenden Büroräumen", berichtet Hausherr Dietrich Freiherr von Tunkl-Schott.

Im krassen Gegensatz zu all diesen hochwertigen bis luxuriösen Nachnutzungen ehemaliger diplomatischer Vertretungen steht eine immer noch zweistellige Anzahl leer stehender Immobillien mit diplomatischer Vergangenheit. Auch 16 Jahre nach dem Umzug sind 15 ehemalige Botschaften verwaist (siehe Text unten).

[kein Linktext vorhanden] Der wohl bekannteste Leerstand in Bonn ist die ehemalige Botschaft des Iran an der Godesberger Allee 133. Tausende Bahn- und Autofahrer, die täglich über die ehemalige Diplomaten-Rennbahn zwischen Godesberg und Bonn fahren, fragen sich, was daraus wohl wird. Die Bonner Wirtschaftsförderin Victoria Appelbe, die mit ihrem Gründerzentrum "Bonn Profits" auch Nachbarin der Iraner ist, hat kürzlich noch einmal einen Kontaktversuch unternommen: "Die ehemalige iranische Botschaft ist ein großes, ursprünglich architektonisch ansprechendes Bürogebäude in erstklassiger Lage. Es ist sehr bedauerlich, dass das Gebäude seit Jahren leer steht." Nur bei Wahlen im Iran kehrt für kurze Zeit Leben in die ehemalige Botschaft ein, wenn die in Deutschland lebenden Iraner dort wählen gehen. Dann stehen Polizei und Sicherheitspersonal vor der Tür und es ist fast wieder so wie zu Hauptstadtzeiten. "Die Wirtschaftsförderung Bonn hat erst kürzlich eine offizielle Anfrage an den iranischen Botschafter gestellt, ob der iranische Staat das Gebäude an einen neuen Nutzer veräußern möchte", berichtet Appelbe.

Von Dornröschenschlaf kann man nicht sprechen, wenn man die leer stehenden Botschaften Nepals und Indonesiens in bester Mehlemer Höhenlage sieht. Für die Nachbarn ist der Verfall ein echtes Ärgernis. Ziel von zunehmendem Vandalismus ist ein ehemaliges Gästehaus der Chinesen an der Straße An der Nesselburg. Der Stadt sind die Hände gebunden. Das Bauordnungsamt kann erst eingreifen, wenn von einem Gebäude Gefahr ausgeht. Bis dahin geht der Verfall weiter.

Der Botschaftsstandort Godesberg im Wandel

Das Positive vorweg: Immerhin sechs Nationen verfügen über eine Bad Godesberger Außenstelle ihrer Botschaft. Die Volksrepublik China hat erst vor wenigen Monaten ihre frühere Botschaft an der Kurfürstenallee in eine Außenstelle umgewandelt. Ähnliches gilt auch für den Irak, der kürzlich seine viele Jahre leer stehende Ex-Botschaft in Friesdorf, Annaberger Straße 289, in eine Außenstelle umwandelte. Über weitere Außenstellen verfügen Südkorea (Godesberger Allee 142-148), Kuba (Kennedyallee 22-24), Katar (Godesberger Allee 77) und Libyen (Beethovenallee 12a). Zu den Außenstellen kommen noch die Generalkonsulate der Russischen Föderation (Waldstraße 42) und von Tunesien (Godesberger Allee 103). Beide Länder wandelten ihre ehemalige Botschaft in ein Generalkonsulat um.

Insgesamt zwölf Nationen ist es bis heute nicht gelungen, eine Nachnutzung ihrer früheren Vertretungen in die Wege zu leiten. Da Indonesien (Bernkasteler Straße 2), Iran (Godesberger Allee 133) und Südafrika (Auf der Hostert 3) neben ihren leer stehenden Ex-Botschaften noch über leer stehende Botschaftsresidenzen (Indonesien Im Hag 15; Iran in der Elfstraße 40 und Südafrika in der Rüdigerstraße 20) verfügen, gibt es aktuell 15 Leerstände.

Besonders schwierige Fälle sind die ehemalige Botschaft Jugoslawiens in Mehlem (Schlossallee 5) und Somalias im Villenviertel (Hohenzollernstraße 12): Jugoslawien gibt es nicht mehr, Somalia zerfällt. Die Zukunft der ehemaligen syrischen Botschaft an der Rheinaue (Andreas-Hermes-Straße 5) ist gekoppelt an ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien.

Immer noch nicht abgerissen ist die frühere Saudi-Botschaft (Godesberger Allee 40-42). Das gilt auch für die Hinterlassenschaft Ungarns in Plittersdorf (Turmstraße 30-34). Ungewiss ist auch das Schicksal der ehemaligen Residenz von Nigeria in Mehlem (Vulkanstraße 69). Die frühere Botschaftsresidenz der Sowjetunion, Venner Straße 31, soll voraussichtlich im nächsten Jahr verkauft werden. Ein neuer Leerstand entstand vor knapp zwei Jahren, als Algerien (Rheinallee 32-34) sein Generalkonsulat nach Frankfurt verlegte.

Gastbeitrag von Fritz Dreesen

Als mein Urgroßvater 1893 das Hotel ans Rüngsdorfer Rheinufer baute, dachte er bestimmt nicht daran, dass Politik und Diplomatie im 20. Jahrhundert das Hotelleben prägen sollte. Dabei spielt natürlich auch der Zufall eine Rolle, denn wer konnte ahnen, dass das verträumte Bonn mal Bundeshauptstadt wird? Fortan spielten die Diplomaten in der Stadt, zumal in Godesberg, die Hauptrolle. Sie wanderten dann bekanntlich nach Berlin und hinterließen eine Stadt in Tristesse. In der Zwischenzeit ist viel geschehen, Bonn hat den Wandel geschafft - und Godesberg ebenso.

[kein Linktext vorhanden] Viele Menschen sind gekommen und wohnen in ausgesucht schöner Umgebung. Mit der UN bleibt Bonn natürlich auch eine internationale Stadt, und so begrüßen wir heute wieder (oder immer noch) Gäste aus aller Welt in unserem Hause. Alle schätzen, wie die Diplomaten früher schon, den Rhein und die betörend schöne Landschaft. Wie überhaupt der Rhein mit seiner Anziehungskraft nach wie vor eine überragende Rolle spielt, damals wie heute. Und vergessen wir nicht: Internationalität ist keine Einbahnstraße. Viele der Neu-Godesberger verbinden das Angenehme mit dem Nützlichen, will sagen die tolle Lage im Grünen und am Rhein mit der hervorragenden Anbindung an die Welt und damit der Chance, Geschäfte mit aller Welt unkompliziert darstellen zu können.

Manche bedauern immer noch die Eingemeindung Godesbergs nach Bonn (und dazu gibt es sicher manchen Grund), aber zum einen lässt sich das Rad nicht zurückdrehen, und zum anderen: So schlecht läuft es ja nun auch nicht in Godesberg. Und wenn nun auch noch die Innenstadt Glanz zurückgewinnt, der Bahnhof samt Vorplatz als Entree in die Stadt fertig wird, dann kann es nur noch besser werden. Wir Godesberger müssen unser Zentrum gewissermaßen zurückgewinnen und nicht anderen überlassen. Nur Bedauern und Klagen wird uns nicht helfen, wir sollten aktiv bleiben und unsere Innenstadt wieder stärker nutzen und nicht meiden.

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