Alte Dame muss Hund abgeben Welpe "Anni" aus Bad Godesberg soll ins Tierheim

BAD GODESBERG · Die Therapie mit dem Pflegehund wird für eine demenzkranke 97-Jährige zu teuer. Die Stadt lehnte ab, die Hundesteuer zu ermäßigen.

Zärtlich streichelt die alte Dame das kleine weiße Bündel auf ihrem Schoß. Es heißt Anni. Andrea Siedler hat das Mischlingspflegehündchen probeweise aus dem Tierheim geholt, um ihrer Großmutter zu helfen. „Ich hatte im GA von den Möglichkeiten der tiergestützten Therapie gelesen. Genau das brauchte meine liebe Omi“, sagt Siedler.

Die 97-Jährige ist seit 17 Jahren hochgradig dement. Inzwischen hat sie nur noch fünf Prozent Sehvermögen und ist fast taub. Klein-Anni soll sie ablenken, vor allem davon abhalten, sich unablässig blutige Wunden an den Armen zu kratzen. Denn die alte Dame ist sich dessen nicht mehr bewusst. „Sie reißt ganze Hautlappen ab. Und Cortison, das die Kasse bezahlen würde, würde die Haut nur noch dünner machen“, erläutert die Enkelin. Große Narben zeigen die Qual allergiebedingt starken Juckreizes bei der alten Frau.

„Wenn meine Omi unruhig ist, krallt sie sich ohne Unterlass selber in die Arme. Das tut sie schon seit über einem Jahr“, klagt Andrea Siedler, die die Großmutter pflegt. Sie könne die alte Frau nicht eine Minute aus den Augen lassen, sonst fließe wieder Blut. Genau das passiert nun nicht mehr, seit Anni im Haus ist.

Das kleine weiße Bündel kuschelt sich an die alte Dame und hat durch den Körperkontakt beruhigenden Einfluss. „Seit Anni da ist, verändert sich etwas. Meine Omi hat Lebensfreude, strahlt Zufriedenheit aus, wenn Anni auf ihrem Schoß schläft“, freut sich die Enkelin. Die Hände der Großmutter sind dann schützend um das Hündchen gelegt. Ein sanftes Lächeln steht in ihrem Gesicht. „Dieser Hund berührt Herz und Seele und hat eine unglaubliche Wirkung auf meine Omi und mich als überanstrengte und ausgelaugte Pflegende“, sagt Andrea Siedler seufzend.

Enkelin kann die Hundesteuer nicht zahlen

Genau damit wird es in Kürze wohl zu Ende sein. Denn die Enkelin wird die fällige Hundesteuer von 162 Euro pro Jahr nicht zahlen können. Durch die 24-Stunden-Pflege für die Großmutter ist Siedler Hartz IV-Bezieherin geworden. „Ich habe ihr versprochen, sie nicht ins Altenheim zu schicken. Und Pflege macht arm“, sagt die erfahrene Sekretärin leise. Die Großmutter erhält nur eine Mini-Rente. Als „gute Bürgerin“ ging Siedler zum Amt und meldete den Hund an.

„Ich hatte scharf gerechnet. Für Hartz IV-Bezieher kostet die Hundesteuer in Bonn doch nur 24 Euro im Jahr. Das würde ich hinkriegen.“ Dazu kämen Kosten für Futter und den Tierarzt. Doch dann kam die Schreckensnachricht: Die Stadt lehnte ab, die Steuer zu ermäßigen, da Siedler einen kleinen Nebenjob von 100 Euro im Monat hat.

„Damit decke ich einen Bruchteil der hohen Kosten für glutenfreie Diät-Ernährung und Verbandsmaterial für meine Omi. Doch für das Amt verdiene ich zu viel.“ Andrea Siedler kann es einfach nicht fassen.

Stadt: Keine Steuerbefreiungsregelung

Marc Hoffmann, stellvertretender Stadtsprecher, will sich zum konkreten Fall nicht äußern, doch er bestätigt die Argumentation der Verwaltung. In der Hundesteuersatzung gebe es keine Steuerbefreiungsregelung. „Auch ein Streichelhund dient überwiegend persönlichen Zwecken, auch wenn er aus therapeutischer Sicht die Behandlung einer Erkrankung unterstützt und die Erkrankung lindert“, so Hoffmann.

Die in der Satzung vorgesehene Steuerermäßigung sei einkommensabhängig. Und wenn das vorhandene Einkommen, also die Sozialleistung und der eigene Verdienst, regelmäßig über den sogenannten SBG XII-Leistungen liege, komme eine Ermäßigung der Hundesteuer nicht in Frage.

„Dass die Pflegezeit mit Anni nun beendet werden muss, bricht mir das Herz“, sagt Andrea Siedler verzweifelt. Die 162 Euro Hundesteuer, die sie mit ihrem kleinen Einkommen genauso zahlen müsse wie die Wohlhabenden im Villenviertel, bringe sie einfach nicht mehr auf. „13,30 Euro pro Monat scheint lächerlich. Aber für uns ist das zu viel an zusätzlichen Fixkosten.“

Klein-Anni werde also zurück ins Tierheim müssen. Und wie sie der Großmutter diesen Verlust beibringen könne, wisse sie auch noch nicht. Andrea Siedler schluckt. "Das, was der Hund bei meiner Omi bewirkte, ist eigentlich unbezahlbar. Und nun ist es im wahrsten Sinn des Wortes unbezahlbar."

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